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Auch Kolumbiens kleinere Rebellengruppe ELN ist nach FARC-Vorbild jetzt bereit für Frieden – fraglich sind die Bedingungen.

4. November 2016 / 10:56 Uhr

ELN – Die kleine Schwester der FARC signalisiert nun ebenfalls Interesse an Frieden

Nachdem dem Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und den bewaffneten Aufständischen der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia = Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) weltweite Beachtung zuteil wurde, wollen die Rebellen der ELN (Ejército de Liberación Nacional = Nationales Befreiungsheer) nicht länger ausgeklammert bleiben.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Ihre guten Beziehungen zum benachbarten Venezuela wurden offenkundig, denn die Kunde wurde vom venezolanischen Außenministerium in die Medien gebracht. Einer erstaunten Öffentlichkeit teilte die kolumbianische Guerilla-Truppe mit, man habe bereits im März einen "Round Table" vereinbart, der sich der Herausforderung eines Friedenpaktes nach dem Vorbild der FARC zur Aufgabe gestellt habe.

Mit dem Venezuela freundschaftlich verbundenen Ecuador kommt ein weiterer Akteur ins Spiel. Dessen Außenminister Guillaume Long erwartet schon bald „sehr wichtige, positive Nachrichten“ über die Einrichtung des ersten Dialogs zwischen Kolumbiens Regierungsvertretern und der ELN.

Diese Gespräche werden nach Auskunft von Long in Ecuador geführt. Als Vertreter der Administration von Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos fungiert Frank Pearl. Auf Seiten der ELN verhandelt Antonio García, ein altgedienter Kämpfer an vorderster Front.

Volle Unterstützung durch Venezuelas Präsident

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro versicherte den  Verhandlungspartnern seine „ganze Unterstützung“ bei der weiteren Entwicklung der Friedensgespräche. Seinen kolumbianischen Amtskollegen Juan Manuel Santos nannte Maduro einen „beharrlichen Wegbereiter des Friedens.“

Im März 2014  kam es zu ersten Sondierungen, die samt und sonders außerhalb Kolumbiens geführt wurden, in Ecuador, Brasilien und Venezuela. Diese Länder fungieren als Garanten an der Seite der Regierung von Norwegen. In der Hauptstadt Oslo wurden 2012 die ersten Verhandlungen mit den FARC-Delegierten geführt. Damals wie heute begleiten Kuba und Chile den Friedensprozess mit der ELN.

ELN war auch in Deutschland aktiv

Die Guerilla-Truppe rückte in der Vergangenheit in den Fokus der deutschen Regierung. 1996 entführte sie die Ehefrau des damaligen BASF-Geschäftsführers Ulrich Schoene. „Superagent“ Werner Mauss nahm im Auftrag des agilen Kanzleramtsministers Bernd Schmidtbauer (Spitzname 008) in Kolumbiens Dschungel Kontakt zu den Guerilleros auf. Der gewiefte Mauss agierte effizient und erreichte die Befreiung der Geisel. Dazu hatte beigetragen, dass ELN-Anführer Antonio García den Geheimdienstler als aufrechten Vermittler empfand.

Der spätere Präsident Alvaro Uribe (2002 – 2010) reagierte ungehalten auf die seiner Ansicht nach bedenkliche Nähe des Deutschen zur ELN. Folglich konterkarierte er die von ihm als quasi „Entente Cordiale“ interpretierte (Fehl-)Entwicklung. In seiner Eigenschaft als Gouverneur des Bundeslandes Antioquia zu dieser Zeit veranlasste er die Festnahme von Mauss.

Dessen Intervention löste Animositäten auf kolumbianischer Seite aus und führte zu zeitweiliger Irritation der traditionell guten Beziehungen zwischen beiden Ländern. Im Zuge diplomatischer Initiativen erreichte die Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl die Befreiung des deutschen Agenten aus der Haft im Gefängnis von Itaguí bei Medellín.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig.

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