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11. Oktober 2011 / 15:11 Uhr

Erste Bank: Erstes Opfer des ungarischen Staatsbankrotts?

BildDie Börse in Österreich wurde gestern von der überraschenden Verlustankündigung der Erste Bank erschüttert. Stiegen überall sonst die Kurse, zog die Erste und in ihrem Gefolge auch Raiffeisen den österreichischen Aktienindex nach unten. Wo kommen die Verluste plötzlich her, die aus einem zunächste prognostizierten Gewinn von 800 Millionen Euro einen ebenso hohen Verlust für das Jahr 2011 machen? Der britische Finanzjournalist David Malone analysiert die Horrormeldung in seinem Blog GolemXIV und macht auf merkwürdige Umstände aufmerksam: auf Abschreibungen etwa auf Positionen, die die Erste laut dem jüngsten Stresstest gar nicht gehalten – oder aber geschickt verschleiert – hat. Dieser Umstand weist einmal mehr auf die völlig untauglichen Regeln hin, mit denen Europas Staaten vorgaben, der Finanzkrise zu begegnen. Sowohl Stresstest als auch die neuen Bilanzierungsregeln sind nutzlos, schreibt aktuell im Unzensuriert-Magazin auch der renommierte Wirtschaftsprüfer Günther Robol. Malone wiederum sieht die Erste Bank als erstes Opfer eines ungarischen Staatsbankrotts, der für ihn unabhängig vom Gezerre über die Griechenland-Rettung bereits eingetreten ist. Unzensuriert.at veröffentlicht die Übersetzung seines Beitrags. Hier geht’s zum englischen Original.

Ungarns Bankrott: Erstes Opfer ist die Erste Bank

David Malone

David Malone

David Malone
Foto: www.debtgeneration.org

Die Erste Bank in Österreich hat gerade einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro angekündigt. Ihre Aktie fiel um fast 10%. Kritisch ist dabei eher die Art der Verluste als der Betrag.

In erster Linie waren die Verluste entstanden wegen des ungarischen Staatsbankrotts (ja, ich spreche von Staatsbankrott!), aber auch wegen der "unerwarteten" Stagnation in Rumänien. In Ungarn wurde ein Gesetz verabschiedet, das nun in Kraft trat, das es Kreditnehmern, die Darlehen in Schweizer Franken aufgenommen hatten, gestattet, diese jetzt in ungarischen Forint zu einem staatlich festgesetzten (natürlich niedrigeren) Kurs zurückzuzahlen, was einen Verlust der Banken von rund 21% der Darlehenssumme bedeutet. Ich schrieb darüber bereits den Artikel "Griechenland, Ungarn und Italien – ein Nexus von Pleiten". Ich wies damals darauf hin und es zeigt sich jetzt, das ich recht hatte: Ein Gesetz wie dieses läuft auf einen staatlichen Bankrott hinaus. Während alle auf Griechenland blickten und sich fragten, ob der Bankrott dort eintreten würde oder nicht, war dies in Ungarn bereits der Fall.

Das Ergebnis tritt nun zu Tage. Die Erste Bank ist das erste Opfer. Sie wird nicht das letzte sein. Heute Abend wurden alle möglichen Zahlen und Erläuterungen in den Raum gestellt. Die ungarische Webseite Portfolio.hu zitiert aus einer Pressemitteilung der Ersten Bank, in welcher der Grund für die Verluste klar angesprochen wird:
Das ungarische Parlament hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das die Fremdwährungs-Forderungen der Bank gegenüber ihren privaten Hypothekarkunden einer Kürzung um etwa 25 Prozent unterzieht …
Die Mitteilung führt weiter aus, dass die Erste Abschreibungen für Verluste in Höhe von 700 Millionen Euro erwartet. Und dass die Erste befürchtet, dass 62 Prozent der ungarischen Anleihen "non-performing", also "faul" werden könnten!

2,8 Milliarden schweres CDS-Portfolio plötzlich aufgetaucht

Erste Bank

Erste Bank

Filiale der Erste Bank im ungarische Debrecen.
Foto: Burrows / Wikimdia (CC BY 3.0)

Die Kollegen bei ZeroHedge (einem renommierten US-Finanzblog) sprechen von 460 Millionen Euro Verlusten bei insgesamt 2,8 Milliarden Euro Volumen an CDS-Geschäften (Credit default swaps, das sind Kreditausfallsversicherungen) in Zusammenhang mit Staatsanleihen. Es heißt, das sei eine Überraschung, denn nach den jüngsten europäischen Banken-Stresstests hatte die Erste überhaupt keine derartigen CDS-Risiken aufzuweisen. Wie kann das sein? Es scheint, dass die Bank diese Risiken eben nicht als Risiko in ihre Bücher eingetragen hatte, sondern irgendwo außerhalb der Bücher versteckte, wo sie mit einem mythischen, pardon, paradigmatischen Wert versehen waren und als "Kreditsurrogate" ausgewiesen wurden. Im Bank- und Rechnungswesen genügt es ja bekanntlich, eine Bezeichnung zu ändern und die Zahlen zwischen den Büchern zu verschieben, um ein Problem aus der Welt zu schaffen.

Man stelle sich vor, die Armee würde die nichtexplodierten Minen einfach in einem anderen Buch mit dem Titel "Lagerbestand" notieren und erläutern, sie seinen ohnedies nicht gefährlich, da man gefälligst nicht draufsteigen sollte; es gäbe demnach gar keine nichtexplodierten Minen und es besteht somit auch keine Gefahr! Ausgezeichnet. Hervorragende Arbeit! Man sollte vielleicht die Banker samt ihren Wirtschaftsprüfern auf einen Truppenübungsplatz schicken, um sie dort in einem Minenfeld allein zu lassen. Mal sehen, ob sie so einfach wieder herauskommen, indem sie einfach ihre Zahlen in andere Spalten eintragen.

UniCredit mit enormen Risiken in Ungarn

UniCredit

UniCredit

Droht der krisengeschüttelten UniCredit in Ungarn der nächste Schlag?
Foto: nEmoGruppo / flickr

Aber lassen wir mal diese Tricksereien der Ersten beiseite, denn es gibt noch viel schlimmere Auswirkungen. Wenn die Erste erst einmal angeschlagen ist, dann werden in Bälde weitere Banken folgen. Die einzige Bank, die mehr Geschäftsvolumen in Osteuropa aufzuweisen hat als die Erste und daher wahrscheinlich noch mehr Risiken ausgesetzt ist als diese ist … die UniCredit! Ein großer Teil ihrer Risiken wird über ihre Tochtergesellschaft, die Bank Austria, laufen. Was ich im Dezember 2010  in meinem Artikel Die Dominosteine beginnen im Osten zu fallen schrieb, beginnt jetzt wahr zu werden. Wie immer, ist mein Timing furchtbar: ein schlimmer Fall von frühzeitiger Prognose!

Die Erste verkaufte natürlich auch Credit Default Swaps "zur Risikoabsicherung" an andere Banken. Und das im Wert von über 2,4 Milliarden Euro. Und die anderen Banken haben diese CDS ohne Zweifel an wieder anderen Banken weiterverkauft und diese wiederum untereinander und auch schon mal zurück an die Erste. Wie viele von ihnen wohl diese CDS nicht deklariert haben, weil sie eben in irgendeiner passenden Spalte in den Geschäftsbüchern untergebracht wurden, wo sie als "nicht gefährdet" ausgewiesen werden konnten? Ich denke, wir werden das bald erfahren.

Raiffeisen: Keine Risiken mit Staatsanleihen, und sonst?

Damit bin ich bei Raiffeisen, der zweiten großen österreichischen Bank angelangt, deren Aktien ebenfalls um 5 Prozent fielen. Raiffeisen war rasch dabei zu erklären, dass es keine Risiken mit Staatsanleihen in den "unruhigen" Ländern Europas gebe. Dabei fällt jedoch auf, dass die Rede nur von Risiken mit Staatsanleihen ist, nicht aber von kommunalen Risiken oder solchen mit Banken. Wenn letztere Risiken tatsächlich nicht vorlägen, hätte man sicherlich sofort darauf hingewiesen. Also wohl eine beabsichtigte Unterlassung? Ich habe jedenfalls diesen Eindruck.

Andere Banken, die in Ungarn drankommen werden, sind die Bayrische Landesbank, die eine Mehrheit an der ungarischen MKB besitzt, dann die zweite von Insolvenz bedrohte Bank Italiens, Intesa, die eine Mehrheit an der ungarischen CIB besitzt, und letztlich die zweite große Bank Belgiens, die KBC.

Ist es ein Zufall, dass die KBC plötzlich ihre Private Banking-Einheit nach Katar verkauft? Offenbar hat man auch hier bereits etwas Probleme bei den Barbeständen, oder täusche ich mich etwa?

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