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15. Dezember 2012 / 12:02 Uhr

Wien ohne Spekulation? Das glaubt nur “Heute”

Boulevard soll sein, aber wenn sich eine Zeitung wie Heute von Tag zu Tag lächerlicher macht, verliert sie völlig ihre Glaubwürdigkeit. Einmal bedankt sich Chefredakteur Christian Nusser in einer Glosse bei sich selbst, weil er zwei Redakteure wegen angeblich rassistischer Formulierungen beurlaubte, und in der nächsten Ausgabe darf SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl den Wienern in einem Interview ins Gesicht lügen und sagen, dass in Wien mit Steuergeldern nicht spekuliert wird.

Nachgefragt wird natürlich nicht. Was Michael Häupl sagt, dürfte für die Heute-Redakteure sakrosankt sein. Der Bürgermeister belohnt die Zeitung auch für ihre brave Berichterstattung, die es vergleichsweise früher bei der Prawda gab. Die Stadt Wien ist mit Abstand der größte Inseratenkunde von Heute, die Summe, die bis dato für Einschaltungen ausgegeben wurde, dürfte die 30-Millionen-Euro-Marke längst überschritten haben. Bezahlen dürfen die Steuerzahler, was doppelt bitter ist. Denn für die Unwahrheit, die ihnen aufgetischt wird, müssen sie auch noch tief in die Tasche greifen.

Doppelseite über das "Winterwonderland" Wien

Auch in der besagten Ausgabe von Heute, in der Häupl kategorisch verkündete, dass Wien nicht spekulieren würde, findet sich eine Doppelseite der Stadt Wien. Beworben wird das Winterwonderland Wien. Wundern kann man sich tatsächlich, denn dass Häupl von Derivatgeschäften nichts wissen will, glaubt ihm keiner. Spontan fallen einem zu diesem Thema Franken-Kredite, umfangreiche Derivatgeschäfte der gemeindeeigenen Unternehmen und Cross-Boarder-Leasing-Deals ein. Mit beträchtlichem Verlustpotenzial.

Beispielhaft dafür steht die Finanzierung des Wiener Defizits: 38 Prozent der offiziellen Stadtschulden von vier Milliarden Euro werden in Schweizer Franken gehalten. Mit den Schulden von Wiener Wohnen und der Krankenanstaltengesellschaft sind es in Wirklichkeit knapp sieben Milliarden, schreibt die Tageszeitung Die Presse. Das ist technisch gesehen eine kombinierte Zins- und Währungsspekulation. Die Stadt wettet auf einen Fremdwährungskurs, ein klassisches Termingeschäft, das ordentlich in die Hose ging: Weil der Franken-Kurs gegenüber dem Euro drastisch gestiegen ist, steht dieses Kreditportfolio derzeit mit etwas mehr als 300 Millionen Euro unter Wasser.

Bei Franken-Ausstieg 300 Millionen Euro Defizit

Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) betont zwar, dass es sich dabei um einen nicht budgetwirksamen „Buchverlust“ handle, womit sie auch recht hat, doch es ist ein Buchverlust, der wohl schlagend wird: Um den Kredit aus der Verlustzone zu bringen, müsste der Euro nämlich auf einen Kurs von 1,46 Franken oder mehr steigen. Die Wahrheit auf den Devisenmärkten sieht aber so aus, dass die Schweizer Notenbank mit hohem Risiko versucht, den festgelegten Referenzkurs von 1,20 zu halten und den Franken nicht auf Parität zum Euro hochschießen zu lassen.

Das Prinzip Hoffnung ist hier ein wenig schwach. Die 300 Millionen Euro, die Wien bei sofortigem Ausstieg aus dem Franken verlieren würde, sind im Übrigen nicht viel weniger als das, was das Land Salzburg mit Derivaten verzockt hat. Von all dem will Häupl nichts wissen? Sind ihm auch die Derivatgeschäfte der ausgegliederten Betriebe wie Wien Holding oder die Stadtwerke unbekannt? Die Stadthallenbetriebsgesellschaft beispielsweise hat sich mit Spekulationen auf die Türkische Lira ein bisschen vertan. Und wie viel Geld das „Cross-Boarder-Leasing“-Abenteuer der Stadtwerke – eine lupenreine Spekulation – gekostet hat, lässt sich noch nicht einmal abschätzen.

1,7 Milliarden Euro der Zentralsparkasse verzockt

Aber was ist das alles gegen die 1,7 Milliarden Euro, die der Bürgermeister Häupl in Eintracht mit seinem damaligen ÖVP-Koalitionspartner und Vizebürgermeister Bernhard Görg verzockt hat? Weil die beiden auf Aktien der Hypo Vereinsbank und später auf Aktien der UniCredit zählten, reduzierte sich der Wert auf nahe Null. Häupl weiß Bescheid, hat er mit Hilfe der ÖVP damals doch höchstpersönlich die AVZ-Stiftung ins Leben gerufen. Und dieser Stiftung ist Häupl selbst eine Zeit lang als Chef vorgestanden.

Wer hier noch den Überblick behält, wird sich fragen, warum er überhaupt noch einer ehrlichen Arbeit nachgeht und dem Rathaus monatlich die Gebühren überweist. Zum Aufheitern sei dazu eine Satire über die Telefonate der Landeshauptleute empfohlen

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