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29. Oktober 2013 / 05:33 Uhr

Bilanz einer verlorenen Gesetzgebungsperiode

Mit der Angelobung der Abgeordneten beginnt heute die XXV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrats. Der Direktor des Freiheitlichen Parlamentsklubs zieht für Unzensuriert.at Bilanz über die zu Ende gehende Periode.

Von Norbert Nemeth

Die Nachkriegsdemokratie neigt sich dem Ende zu und die FPÖ bleibt weiter auf Kurs. Die innenpolitische Großwetterlage zu Beginn der XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates war durch die Wahlerfolge von FPÖ und BZÖ auf der einen Seite und die Fortführung der großen Koalition auf der anderen Seite geprägt.

Ein wesentlicher Unterschied zur XXIII. GP unter Gusenbauer und Molterer war, dass die große Koalition seit 2008 über keine Zweidrittelmehrheit und daher über keine verfassungsändernde Mehrheit mehr verfügte. Aus freiheitlicher Sicht besonders erfreulich war die Rückeroberung des dritten Platzes hinter SPÖ und ÖVP, aber vor den Grünen. Bei der Wahl 2006 war die FPÖ mit den Grünen mandatsgleich, hatte aber um 415 Stimmen weniger errungen, weswegen der Dritte Nationalratspräsident und der Volksanwalt für die FPÖ verlustig gingen. Diese Positionen konnten in der XXIV. GP zurückerobert werden.

Überraschung zu Beginn

Eine erste wesentliche Änderung der politischen Verhältnisse brachte der plötzliche Unfalltod Jörg Haiders mit sich. Das BZÖ verlor dadurch über Nacht seine politische Geschäftsgrundlage. Ein Umstand, der durch das Ausscheiden der Kärntner Freiheitlichen aus dem BZÖ und der Gründung der FPK seinen realpolitischen Ausdruck fand. Dieser Vorgang, der im Dezember 2009 im Freiheitlichen Parlamentsklub präsentiert wurde, überraschte die Öffentlichkeit ebenso wie das BZÖ, das sich von diesem strategischen Coup nicht mehr erholen sollte. 2010 war hingegen das Jahr der FPÖ, bei der Wiener Landtagswahl konnte ein sensationeller Erfolg von 26 % eingefahren werden.

Der Parlamentsklub des Team Stronach, eine reine BZÖ-Abspaltung, wurde im November 2012 von der Nationalratspräsidentin zur Kenntnis genommen.Eine gewisse nachträgliche, demokratische Rechtfertigung brachten die Landtagswahlen in Kärnten und Niederösterreich, in denen das Team Stronach in die Landtage gewählt wurde. Für die FPÖ brachten diese Wahlen einen politischen Gravitätsverlust. in Kärnten gingen der Landeshauptmann und die absolute Mehrheit in der Landesregierung verloren, in Niederösterreich der einzige Sitz in der Landesregierung. Ungeachtet dessen lag die FPÖ bundesweit in allen Umfragen deutlich über dem Wahlergebnis der letzten Nationalratswahl und konnte dies auch am 29. September in einen großen Erfolg ummünzen.

Aus materieller Sicht muss klar festgehalten werden, dass die große Koalition über die fünf Jahre, die die XXIV. GP dauerte, keine substantiellen Reformen zu Wege gebracht hat. Bildungsreform, Steuerreform, Gesundheitsreform u.s.w. – alles Phrasen, die im politischen Nirwana geparkt scheinen. Als einzige Ausnahme lässt sich vielleicht die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit herausheben. Aus formeller Sicht schaut der Befund nicht besser aus:

  • Ausbau der direkten Demokratie? Fehlanzeige! 
  • Untersuchungsausschuss als Minderheitenrecht? Versprochen, aber nicht gehalten! 
  • Kontrolle des ESM durch das Parlament? Etikettenschwindel!

Freiheitliche treffen die Stimmung

Seit einer von der FPÖ verlangten Sondersitzung vom Oktober 2011 ist das Thema direkte Demokratie auf der Agenda der österreichischen Innenpolitik. Mit dieser Thematik hat der Freiheitliche Parlamentsklub die Stimmung in der Bevölkerung exzellent getroffen, zu offenkundig war bzw. ist der Reformstillstand der großen Koalition. Eine substantielle Änderung nach Vorstellung der FPÖ wäre es gewesen, eine Gesetzgebung gegen den Willen des Parlamentes zu ermöglichen: Wenn 4 % der Stimmberechtigten ein Volksbegehren unterzeichnen und der Nationalrat die Vorlage nicht beschließt, ist sie dem Bundesvolk zur Abstimmung vorzulegen. Oder eine weitere Forderung nach Schweizer Vorbild: Wenn 100.000 Stimmberechtigte es verlangen, ist ein vom Nationalrat beschlossenes Gesetz dem Bundesvolk zur Abstimmung vorzulegen. Ein solches Vetoreferendum hätte in der Praxis große Bedeutung. So mancher fremdgesteuerte Unsinn ließe sich damit vermeiden

Ein veritabler Skandal war auch die Beschlussfassung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) im Frühjahr und Sommer 2012. Abgesehen vom Inhalt dieses Staatsvertrages, der uns ohne Volksabstimmung zum Teil einer gigantischen Schuldenunion macht, war auch die innerparlamentarische Vorgehensweise skandalös. Gegen jede Usance wurde der ESM am Beginn einer Nationalratssitzung mit Zweidrittelmehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen auf die Tagesordnung genommen. In der Präsidiale wurde dieser Schritt nicht vorbesprochen. Die FPÖ verließ aus Protest den Plenarsaal.  

Auch die von SPÖ, ÖVP und Grünen angekündigte “in Europa einzigartige” parlamentarische Kontrolle des ESM hat sich bis dato als Etikettenschwindel entpuppt. Von den beiden Ausschüssen, die diese Kontrolle erledigen sollen, hat sich nur einer konstituiert. Der zweite, der die sekundärmarktrelevanten Maßnahmen des ESM überwachen soll, hat sich nicht konstituiert und – Insider wissen es – wird sich auch nie konstituieren. Kontrolle ist in diesem Bereich einfach unerwünscht. 

Am Ende eines langen Weges

Unter dem Strich war die XXIV. Gesetzgebungsperiode für den Parlamentarismus eine verlorene, wenn nicht sogar schädliche Gesetzgebungsperiode. Angela Merkel hat sich unlängst verplappert und gemeint, wir bräuchtenmarktkonformeParlamente, also Parlamente, die die Vorgaben der Finanzmärkte rasch nachvollziehen und nicht gar blockieren oder in Frage stellen. Der deutsche Präsident des Europäischen Parlamentes hat sich auch einmal verplappert. Er meinte, es wird ein Krieg gegen die Parlamente geführt. Man will sie nicht. Als verlängerte Werkbänke der Märkte und Regierungen stören sie nur, sind allenfalls Konventsverlängerer. Der Gedanke, dass es die Parlamentarier sind – und zwar ausschließlich sie -, die demokratisch gewählt sind, gerät zusehends ins Hintertreffen. Die Ära der westeuropäischen Nachkriegsdemokratien scheint sich unaufhaltsam ihrem Ende zu nähern. Ob sich daran in der XXV. Gesetzgebungsperiode etwas Wesentliches ändern wird, darf bezweifelt werden, aber schließlich ist es die Hoffnung, die zuletzt stirbt.

Mag. Norbert Nemeth ist Direktor des Freiheitlichen Parlamentsklubs.

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