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4. Dezember 2013 / 18:38 Uhr

Kaum Wirbel nach Juden-Vergleich in der Wiener Zeitung

Was war das für eine Aufregung, als ein Journalist behauptete, HC Strache habe am Rande des Wiener Korporationsballs 2012 in der Hofburg, als linke Chaoten auf die Ballbesucher losgingen, den Satz, “Wir sind die neuen Juden”, gesagt. Strache hat dies immer bestritten, dennoch fand die Journalisten-Behauptung Einzug in allen wichtigen Medien des Landes, in denen der FPÖ-Chef für diesen Vergleich geprügelt wurde. Jetzt aber hat ein Journalist den viel gescholtenen Radbeauftragten in Wien, Martin Blum, quasi zum “neuen Juden” stilisiert,der “an allem schuld” ist. Damit wollte der Kommentarschreiber der Wiener Zeitung, Matthias Bernold, seinen Beitrag gegen die von ihm empfundene “Hetze” gegen Blum leisten.

Die Empörung hielt sich bis dato in Grenzen. Kein Aufschrei bei den Kollegen, keine Wortmeldung vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. Nach Kritik des Wiener ÖVP-Obmanns Manfred Juraczka erklärte die Wiener Zeitung via Die Presse der Vergleich für nicht glücklich gewählt. Autor Bernold antwortete Juraczka mit einem offenen Brief in der Wiener Zeitung, entschuldigte sich zwar, “falls sich dennoch jemand durch meine Worte verletzt fühlt”, ging aber zugleich in die gegenoffensive und warf dem VP-Mann vor, “nicht über zukunftsweisende Verkehrskonzepte [zu] verfügen”. Damit scheint die Sache erledigt. Dabei geht es diesmal gar nicht um ein Hörensagen. Bernold schrieb seinen unpassenden Vergleich schwarz auf weiß in der Wiener Zeitung. Unter dem Titel “Die Wahrheit um die Hetze gegen Martin Blum” ging es mit ihm durch:

Im Filmklassiker Das Narrenschiff, der im Jahr 1933 angesiedelt ist, unterhält sich Heinz Rühmann, der den Passagier Löwenthal spielt, mit einem nationalsozialistisch gesinnten Fahrgast. Letzterer spricht irgendwann die Worte: “Die Juden sind an allem schuld.” Woraufhin Rühmann antwortet: “Genau, die Juden und die Radfahrer.” Der Deutsche darauf: “Wieso die Radfahrer?” und Rühmann: “Wieso die Juden?”

An diesen Dialog, der die Absurdität des Sündenbock-Denkens offenlegt, erinnert die aktuelle Debatte rund um Martin Blum, den Chef der Wiener Mobilitätsagentur. Wird doch Blum derzeit ebenfalls beflegelt und als Sündenbock durch den Boulevard-Stadl getrieben.

Blum wird nicht zu Unrecht durch den “Boulevard-Stadl” getrieben. Er hat vor einiger Zeit eine Umfrage zum Radfahren im Winter präsentiert, sich bei einer Hochrechnung zur Zahl der Winterradler allerdings vertan und der Öffentlichkeit völlig falsche Daten vorgegaukelt. Sein Verhängnis: Blum rechnete die Zahl aus der Umfrage auf die Wiener Gesamtbevölkerung, aber nicht auf die radfahrende Wiener Gesamtbevölkerung hoch, wodurch natürlich geschönte Zahlen den Weg in die Redaktionsstuben fanden. Und diese falschen Zahlen wurden von den Zeitungen ohne Gegenrecherche einfach abgeschrieben und den Lesern weitergegeben. So wie dies etwa auch bei den Besucher-Zahlen des Donauinselfestes jedes Jahr passiert.

Mit Vergleich weit übers Ziel geschossen

Die Peinlichkeit wollten aber nicht die Medien schlucken, weshalb sie ein regelrechtes Trommelfeuer auf den obersten Radfahrer, der sich verrechnete, abfeuerten. Schnell wurde von Rücktritt geschrieben, manche scheinen auch zu wissen, dass eine Ablöse von Martin Blum bevor stehe. Das alles ärgerte den Kommentarschreiber der Wiener Zeitung dermaßen, dass er nun zu diesem unpassenden Vergleich ausholte und sich schützend vor Martin Blum stellte. Damit schoss der Mann aber weit übers Ziel hinaus.

Hohes Budget – niedrige Leistung

Tatsächlich steht Martin Blum als Chef der Wiener Mobilitätsagentur schon lange in der Kritik. Dem hohen Budget für den Radbeauftragten stehe laut Opposition eine niedrige Leistung entgegen. Selbst Bürgermeister Michael Häupl sagte im Jänner 2013 auf die Frage von Journalisten, was Blum und dessen Radagentur bis dato eigentlich geleistet hätten: “Bisher ist mir nichts aufgefallen!”

Was machen also Martin Blum und seine Mitstreiter mit einem Jahresbudget von sage und schreibe sechs Millionen Euro? Die Personalkosten dürften ziemlich hoch sein, denn sonst ist wenig Nachhaltiges zu sehen, was die Mobilitätsagentur, wie sie richtig heißt, weil sich die Agentur seit Jänner 2013 auch um die Zufußgehenden kümmert, so auf die Beine gestellt hat. Ein Blick in den Jahresbericht 2012 gibt auch kaum Aufschlüsse darüber, was die Agentur das ganze Jahr über so macht. Eine Ausstellung beim Argus Bike Festival, die Herstellung einer Radkarte und das Sperren der Ringstraße für die Radparade, ein Werbeauftritt im Internet sowie die Organisation der Velo-City-Konferenz in Wien sind noch die spannendsten Themen des Arbeitsjahres. Viel mehr ist nicht zu finden, außer das Bekenntnis, den Radfahreranteil in der Stadt zu heben. Ein schönes Vorhaben, doch dafür müsste man auch wirklich etwas leisten.

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