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24. Juli 2010 / 20:24 Uhr

Armenien – Der älteste christliche Staat

Armenien - FlaggeIm Jahr 2001 feierte die armenisch-apostolische Kirche ihr 1700jähriges Bestehen. Mit der Übernahme des Christentums als Staatsreligion 301 wurde Armenien damit zum ersten christlichen Staat der Erde. Über die Jahrhunderte hinweg war die Religion ein einigendes Band aller Armenier, das maßgeblich zum Erhalt der armenischen Kultur trotz unterschiedlicher Herrscher beitrug. Auch für das Leben der armenische Diaspora, in der mehr als zwei Drittel des Volkes lebt, spielt die Kirche eine wichtige Rolle.

Armenien im Sturm der Geschichte

Dass es noch immer ein armenisches Volk gibt, ist erstaunlich, wenn man in die Vergangenheit blickt. Bereits in der Antike war Armenien immer ein Zankapfel zwischen dem römischen Imperium und dem persischen Reich der Sassaniden und ihrer Nachfolger, der Byzantiner und Perser. Obwohl die Byzantiner ebenfalls Christen waren, kam es besonders mit diesen immer wieder zu ernsthaften Konflikten über Glaubensfragen. Armenien - Völkermord-Denkmal Tsitsenakaberd - ErewanDie armenische Kirche blieb aber schließlich unabhängig. Verschiedene Fremdherrscher wie Araber, Seldschuken, Mongolen, Georgier, Türken und Perser wechselten einander im weiteren Verlauf ab, wobei das armenische Volk stark unter den unterschiedlichen Invasoren litt. Zum ersten Mal versuchte ein byzantinischer Kaiser, den armenischen Widerstand durch Deportation zu brechen, ähnliche Repressionen unter türkischen und persischen Herrschern folgten. Im 18. Jahrhundert waren nur noch wenige Gebiete des ehemaligen Königreichs mehrheitlich armenisch besiedelt. Nach dem Vordringen des zaristischen Russlands in den Kaukasus war Armenien dreigeteilt in einen russischen, einen persischen und einen türkischen Teil. Während sich der Lage der Armenier in Russland stark verbesserte, wurde die Situation im Osmanischen Reich immer schlimmer, am Ende stand der Völkermord (Bild links: Völkermord-Gedenkstätte Tsitsenakaberd in Erewan)

Vom Völkermord zur Unabhängigkeit

Nach dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges entstand aus den Wirren der Oktoberrevolution die erste Armenische Republik von 1918 bis 1920, die aber bereits 1921 offiziell zwischen der UdSSR und der Türkei aufgeteilt wurde.

Armeine - Spitak - neue Kirche1988 brach mit dem Erdbeben von Spitak die größte Naturkatastrophe in der Geschichte Armeniens über das Land herein. Mindestens 25.000 Menschen kamen ums Leben, die Stadt Spitak selbst wurde aufgegeben und an anderer Stelle neu aufgebaut. (Bild rechts: die neue Kirche)

Republik Armenien

Als der Historiker Lewon Ter-Petrosjan Armenien 1991 in die Unabhängigkeit führte, stand das Land bereits im Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach. Auch wenn Armenien den Krieg gewann, so waren die wirtschaftlichen Folgen für das Land, das noch unter den Auswirkungen des Erdbebens von 1988 litt, verheerend. In der Zwischenzeit hat sich die Situation stabilisiert, obwohl es 2008 nach den Präsidentschaftswahlen zu Demonstrationen und Ausschreitung kam. Ter-Petrosian (Bild rechts), Armeine - Ex-präsident Ter-Petrosjander damals als Kandidat der Opposition antrat, warf dem Wahlsieger und jetzigen Präsidenten Sersch Sargsjan Manipulation und Wahlfälschung vor.

Armeniens Außenpolitik.

Obwohl Armenien als enger Verbündeter Russlands gilt, von wo das Land vor allem im Krieg gegen Aserbaidschan unterstützt wurde, sind auch die Kontakte zur NATO, zur EU und den USA sehr gut.

Zu den Nachbarländern Türkei und Aserbaidschan sind die Beziehungen gespannt. Diplomatische Kontakte zu Aserbaidschan bestehen derzeit nur auf informeller Ebene, da der Berg-Karabach-Konflikt noch immer nicht gelöst ist; die Grenzen sind geschlossen. Das Verhältnis zur Türkei verbesserte sich in den letzten zwei Jahren, 2009 wurden zwei Abkommen über Grenzöffnung und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen abgeschlossen. Im Bezug auf den Völkermord an den Armeniern, den die Türkei nicht als solchen anerkennt, wurde beschlossen, dies von Historikern aufarbeiten zu lassen. Ob die Türkei aber wirklich bereit ist, von ihrer These der „kriegsbedingten Verluste“ abzugehen, erscheint äußerst fraglich. Außerdem fühlen sich die Türken den Aserbaidschanern eng verbunden. Die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien trotz des ungelösten Berg-Karabach-Konfliktes wird in weiten türkischen Kreisen argwöhnisch beobachtet.

Wirtschaftshilfe von Auslandsarmeniern

Armenien - Kupfergrube AlaverdiObwohl Armenien im letzten Jahrzehnt ein zweistelliges Wirtschaftswachstum zu verzeichnen hatte, steht die Wirtschaft auf schwachen Beinen. Durch die unsichere Lage in Georgien sind nur die Transportwege über den Iran uneingeschränkt nutzbar. Die Industrie ist wenig leistungsfähig und die Infrastruktur schlecht. Auch die Einnahmen aus Rohstoffexporten – vor allem Bauxit, Molybdänund Kupfer (im Bild die Abbaustätte in Alaverdi) – sind im Zuge der Wirtschaftskrise stark gesunken.
Ein besonders wichtiger Faktor für die Armenische Wirtschaft sind Überweisungen und Investitionen der in der ganzen Welt verstreuten Armenier.

Die armenische Diaspora

Von geschätzten zehn Millionen Armeniern weltweit leben nicht ganz sieben Millionen außerhalb Armeniens. In Osteuropa von Polen bis zum Balkan etablierten sich bereits im Mittelalter armenische Gemeinden, die armenische Gemeinde im Iran geht gar bis in die Antike zurück. Im 19. und 20. Jahrhundert flohen Armenier aus der Türkei vor allem in die USA und nach Frankreich, wo sie große und einflussreiche Gemeinschaften bilden. Inzwischen lebt die größte Anzahl an Auslandsarmeniern in Russland. Da in der armenischen Kultur Familien und Clanverbände einen hohen Stellenwert haben, überweisen viele Armenier im Ausland ihren Verwandten in Armenien beachtliche Summen. Auch der Staat selbst profitiert von unzähligen Stiftungen, die über die ganze Welt verstreut sind.

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Unlösbare Konflikte?

Für die weitere Zukunft Armeniens wird es von großer Bedeutung sein, ob der Berg-Karabach-Konflikt entschärft werden kann. Da es aber momentan keine Annäherung zwischen Aserbaidschan und Armenien in dieser Frage gibt, ist eine baldige Lösung nicht in Sicht. So wird das schwierige Verhältnis zur Türkei und zu Aserbaidschan auch weiterhin ein Hemmschuh für die künftige Entwicklung Armeniens sein.

20 Jahre nach dem Kommunismus

Unzensuriert.at beleuchtet jedes Wochenende ein Land, das bis vor 20 Jahren unter kommunistischer Herrschaft stand. Bisher veröffentlicht:

Aserbaidschan – Das schwarze Gold von Baku

Georgien – Stalins unbotmäßige Söhne

Tadschikistan – Das Armenhaus Zentralasiens

Kirgisistan – Jurten im Himmelgebirge

Weißrussland – Europas Stiefkind

Usbekistan – Das stolze Erbe Tamerlans

Turkmenistan – Das Reich des "Turkmenbashi"

Die Ukraine – zerrissenes Land zwischen Ost und West

Kasachstan: Von Stalins Völkerkerker zum begehrten Handelspartner

20 Jahre danach: Russland am Scheideweg

Fotos: Serouj / mcsochi / Sergej Jakowlev / z@doune

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