Demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich

Die Zentralbanken sind Teil der Machtverschiebung.

13. März 2015 / 09:00 Uhr

Demokratie machtlos gegenüber Finanzmarkt

Die Demokratie ist obsolet geworden – sie kann sich nicht mehr gegen den übermächtigen Einfluss der Finanzindustrie behaupten: Dies ist das Bild, das Joseph Vogel, Professor der Berliner Humboldt Universität, über den Zustand unserer Welt sagt. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche erklärt er, warum die Allgegenwart der Schulden unsere Gesellschaft und sogar ganze Staaten in Knechtschaft hält

Finanzindustrie steuert Entscheidungen

So erwähnt er am Beispiel Griechenlands, das eine demokratische Entscheidung getroffen hatte, die vom Rest des Euroraumes aber schlichtweg nicht anerkannt wird, dass die souveräne Macht nicht mehr beim Volk oder wenigstens einer Regierung liegt, sondern die "Fälligkeitstermine der Finanzindustrie" die politischen Entscheidungen steuern.

So sei die sogenannte Troika ein Beispiel für unsere Abhängigkeit von "Institutionen der Internationalen Finanzverwaltung", die Regierungstätigkeiten übernehmen. Da wird zum Beispiel die Souveränität Griechenlands dadurch untergraben, dass durch die Troika die griechischen Wahlen als illegitim betrachtet werden.

Staaten sind von Märkten abhängig

Ursache dieses Konfliktes sei die Abhängigkeit der Staaten von den Märkten, die spätestens seit den siebziger Jahren bewusst eingegangen worden sei. Auch die Tendenz der Staaten, ihre Organisation zu verringern, trage dazu bei, wie Vogel zitiert wird: 

Mit dem liberalen Argument gegen "Big Government" sind Verwaltungsstrukturen geschaffen worden, die viel umfangreicher sind als die, welche es vorher gab. Um ein Beispiel zu nennen: Um die Jahrtausendwende hat die amerikanische Regierung rund 50.000 Stellen im öffentlichen Dienst gekürzt. Gleichzeitig aber hat sich im selben Zeitraum die Menge der Stellen bei Kontraktoren, Leasingpartnern und outgesourcten Unternehmen im Regierungsauftrag um eine Million erhöht. Big Governance also.

Investmentfirmen als "vierte Gewalt"

Profiteure dieser Entwicklung, so Vogel, seien Instanzen, die zum Großteil als "absentee owner" auftreten: Kapitaleigner, die nicht an lokale Verpflichtungen gebunden sind – wie zum Beispiel Investmentfirmen. Diese seien seit der frühen Neuzeit dabei, zu einer "vierten Gewalt" aufzusteigen. Gut ersichtlich sei dies zum Beipsiel an den Zentralbanken, die "Staatsfinanzierung und Schuldendienst entfeudalisier[en]" –  sie "übernehmen selbst Regierungsfunktionen, werden aber zugleich dem Zugriff gewählter Regierungen und Parlamente entzogen."

Wieder am Beispiel des Griechenlandkonfliktes weist Vogel auf die Unfähigkeit der Staaten hin, selbst eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Er ruft zur Emanzipation von den Finanzmärkten auf: "Es ist ein politischer Konflikt darüber, wer in letzter Instanz über das Geschick von Volkswirtschaften und Gesellschaften, über soziale Infrastrukturen, über Gesundheitssysteme oder Arbeitnehmerrechte, kurz: über die Lebensbedingungen der Leute, entscheidet."

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