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12. November 2010 / 16:19 Uhr

Sarrazin – ein Weckruf und die Folgen

Gut zwei Monate ist es her, dass der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ vorstellte. In dem Bestseller präsentierte Sarrazin provokante Thesen über Demographie, den Sozialstaat, Bildung, Integrationspolitik und löste damit eine bundesweite und aggressiv geführte Debatte aus.

Am vergangenen Mittwoch ließen Erik Lehnert (Bild links), Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik, und der Redakteur der Wochenzeitung Junge Freiheit, Felix Krautkrämer, bei einem Vortrag bei der Berliner Burschenschaft Gothia die Debatte Revue passieren. Lehnert ist Autor der Studie „Der Fall Sarrazin – Versuch einer gescheiterten Tabuisierung“, die im Windschatten der Sarrazin Debatte auf der Amazon-Bestsellerliste Platz 5 erklomm.

Vortrag1Lehnert sagte einleitend, die Sarrazin-Debatte unterscheide sich von vielen anderen Debatten in Deutschland darin fundamental, dass sie keinerlei geschichtspolitische Komponente gehabt habe. Darüber hinaus sei die Debatte ausnahmsweise einmal anders verlaufen, als die Gegner des Kampagnen-Opfers sich das gedacht hätten. „In der Wissenschaft wissen wir bereits unglaublich viel über die von Sarrazin beschriebenen Probleme“, sagte Lehnert, „aber sobald diese Fakten in die öffentliche Debatte eingebracht werden, gibt es eine Mauer. Und diese Mauer heißt eben Medienpolitik.“ Im Gegenteil zu den Vorwürfen, die Sarrazin ereilt hätten, sei der Sozialdemokrat jedoch keiner, der in der Ausländerpolitik pauschalisiere. Bei der Frage, ob multikulturelle Politik nicht erst ein generelles Misstrauen gegenüber Migranten erzeugen könne, verwies Lehnert auf Untersuchungen, wonach Multikulti sogar das allgemeine Misstrauen von Menschen erhöht, also sowohl gegenüber der einheimischen Bevölkerung, als auch gegenüber den einwandernden Ausländern.

Obwohl Lehnert die Debatte insgesamt sehr begrüßte, fand er auch kritische Worte für Sarrazin. Der ehemalige Bundesbanker sei ein klassischer Sozialdemokrat, und seine Lösungsvorschläge hätten daher auch „Züge der DDR“. Zudem stelle Sarrazin „nicht die Frage, ob nicht in unserem politischen System Fehler enthalten sind, die man erst mal angehen muss, wenn man die Probleme lösen will.“ Lehnert zeigte sich überzeugt, daß „der Schlüssel für das Problem 'Deutschland schafft sich ab'“ darin liege, „dass wir nur noch negative Wertvorstellungen vor uns hertragen, die es auch verhindern, dass wir versuchen, unser politisches System zu reformieren.“

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Vortrag2Der zweite Referent, Felix Krautkrämer, stellte die Kampagnen gegen Thilo Sarrazin in den Jahren 2009 und 2010 chronologisch vor. Die Wochenzeitung Junge Freiheit, für die Krautkrämer als Redakteur tätig ist, widmete sich besonders intensiv der Sarrazin-Debatte. Krautkrämer sagte, er selbst sei auch überrascht gewesen, als die BILD-Zeitung am 4.September 2010 mit der Schlagzeile „BILD kämpft für die Meinungsfreiheit“ unmißverständlich für Sarrazin Partei ergriff. Bemerkenswert sei außerdem, dass es der Beliebtheit Sarrazins nicht geschadet habe, dass er von einem so beliebten Politiker wie Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) angegriffen wurde. Auch die Auseinandersetzung zwischen Sarrazin und Wulff scheint zu zeigen, dass das Meinungsklima in Deutschland sich langsam wandelt. So warnte Sarrazin im Zusammenhang mit seiner geplanten Absetzung als Bundesbank-Vorstand (er trat später freiwillig zurück) den Bundespräsidenten Christian Wulff vor einem „politischen Schauprozess“, der anschließend von den Gerichten kassiert würde. Bei solch selbstbewussten Äußerungen von Sarrazin gegenüber Wulff frage man sich, „wer ist da eigentlich Koch, und wer ist da eigentlich Kellner“, spottete Krautkrämer.

Fotos: Junge Freiheit

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