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30. Jänner 2011 / 12:10 Uhr

Sudan – Abspaltung vom islamistischen Araber-Regime

Pyramiden im Sudan„Feuer und Schwert im Sudan“ – Diesen Titel gab der Österreicher in britischen Diensten, Rudolf Carl Freiherr von Slatin, besser bekannt als Slatin Pascha, seinem Bericht über den Aufstand des Madhi im Sudan des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Der Sudan war ein zerrissenes Land, in dem arabische und schwarzafrikanische Stämme einander bekämpften und ausländische Großmächte um die Vorherrschaft rangen. Angesichts des derzeitigen Zustandes im Sudan hat sich daran nicht viel geändert. Der flächengrößte Staat Afrikas steht vor der Spaltung, die reichen Rohstoffe locken die Mächte dieser Erde an, das Land befindet sich in dauerndem Aufruhr.

Sozialismus, Panarabismus und der Islam

Omar al Bashir

Omar al Bashir

Sudans Präsident al Bashir führt das Land mit der Scharia
und wird wegen Kriegsverbrechen per Haftbefehl gesucht.
Foto: U.S. Navy / Wikimedia

In den 55 Jahren seiner Unabhängigkeit hat der Sudan bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Bis Dschafar Muhammad Numeiri 1969 durch einen Putsch an die Macht kam, hatten sich bereits mehrere Regierungen abgelöst. Numeiri suchte nach seiner Machtergreifung die Annäherung an das panarabistische Ägypten und begann, mit verschiedenen sozialistischen Ansätzen zu experimentieren. Ab Anfang der 1980er Jahre wandte er sich dann aber mehr und mehr der radikalen islamischen Muslimbruderschaft zu. Eine Umwandlung des Sudan in einen islamischen Staat scheiterte 1985 allerdings am Widerstand weiter Bevölkerungskreise. Der angeschlagene Numeiri musste nach einem Militärputsch die Macht abgeben. Nach einer wechselhaften Reformphase ergriff 1989 der heutige Staatschef Omar Hassan Achmed al Bashir die Macht, der an die islamistische Politik Numeiris anknüpfte und 1991 die Scharia als geltendes Recht einführte. Die Aufnahme des aus Saudi Arabien geflohenen Osama Bin Laden machte den Sudan 1998 zur Zielscheibe der USA, die eine pharmazeutische Fabrik bombardierten, in der sie eine Produktionsstätte für Giftgas vermuteten.

An der Trennlinie zwischen Schwarz- und Nordafrika

Das riesige Land liegt an der Trennlinie zwischen dem arabisch-muslimisch dominierten Nordafrika und Schwarzafrika. Über hundert Völker sind im Sudan vertreten, die sich vor allem in drei große Gruppen aufteilen lassen. Die Mehrheit bilden mit rund 55 Prozent der Einwohner schwarzafrikanischer Völkerschaften, gefolgt von arabischen mit etwa 35 und somalischen mit circa 8 Prozent. Nicht nur zwischen diesen Völkern kommt es zu Konflikten, auch eine religiöse Trennlinie verläuft durch das Land. Über zwei Drittel der Bevölkerung, vor allem im Norden beheimatet, sind Muslime. Im Süden dominieren dagegen Christen und Anhänger von Naturreligionen.

Die Abspaltung des Südens

Karte des Sudan

Karte des Sudan

Der Süden des Sudan hat in einer Volksabstimmung für die
Unabhängigkeit votiert. Der exakte Grenzverlauf ist umstritten.
Bild: Domenico-de-ga / Wikimedia

Bereits ein Jahr vor der offiziellen Unabhängigkeit 1956 begann der Bürgerkrieg im Südsudan. Träger der Unabhängigkeitsbewegung ist seither das Volk der Dinka, die sich damit gegen die Jahrhunderte andauernde Unterdrückung und Versklavung durch Araber aus dem Norden wehrten. Die erste Phase des Bürgerkrieges dauerte bis 1972 und wurde danach im Vertrag von Addis Abeba beendet, nachdem dem Südsudan große Autonomierechte gewährt worden waren.

Der Versuch des Diktators Numeiri ab Anfang der 1980er Jahre, die Autonomie des Südens einzuschränken, führte zu einem erneuten Ausbruch des Konfliktes. Hintergrund war die Entdeckung großer Erdölvorkommen im Südsudan, die die Zentralregierung in Khartum nicht dem Süden überlassen wollte; außerdem sollte mit dem Jonglei-Kanal Wasser in den trockenen Norden abgeleitet werden. Der Versuch, die Scharia im ganzen Sudan einzuführen, verschärfte den Konflikt zusätzlich. Innerhalb der nächsten fünf Jahre gelang es den Rebellen der Sudanese People Liberation Army (SPLA) unter dem Kommando des Dinka John Garang, fast den gesamten Südsudan unter ihre Kontrolle zu bringen, obwohl das Regime in Khartum von Saudi Arabien und Libyen großzügig unterstützt wurde. Ein erneuter Friedensprozess wurde durch den Staatsstreich Bashirs 1989 zunichte gemacht. Die Abspaltung des Volkes der Nuer Anfang der 1990er Jahre aus der SPLA schwächte diese aber, ein Bürgerkrieg im Bürgerkrieg brach aus. Erst ein brüchiger Friede zwischen Dinka und Nuer ermöglichte wieder Erfolge der Rebellen.

John Garang

John Garang

John Garang führte die Rebellen der Sudanese People Liberation Army.
Foto: Wikimedia

Nachdem sich abzeichnete, dass die Regierungstruppen nicht in der Lage waren, den Südsudan zurück zu erobern, einigten sich beide Seiten 2005 auf einen Waffenstillstand. 2011 fand im Südsudan ein Referendum über die Unabhängigkeit statt, in der die überwältigende Mehrheit für die Eigenständigkeit votierte. Präsident Bashir hatte angekündigt, das Referendum anzuerkennen; einige Gebiete – teilweise mit großen Ölvorkommen – sind aber zwischen Nord und Süd umstritten und werden sicherlich noch weiteres Konfliktpotential liefern. Entscheidend für den Sieg des Südens waren die massive Unterstützung der Rebellen durch die USA sowie weitere Konfliktherde im Westen (Darfur) und Osten des Sudan. Auch das Volk der Nuba schlug sich nach anfänglicher Neutralität vermehrt auf die Seite der SPLA, da sie ebenfalls die Unterdrückung durch die Araber des Nordens fürchteten.

Darfur und Ostsudan

Darfür-Flüchtlinge

Darfür-Flüchtlinge

Frauen aus Darfur in einem Flüchtlingslager im Tschad
Foto: Mark Knobil / Wikimedia

Auch an den beiden anderen Rändern des Sudan, im Westen und im Osten, gibt es massive Konflikte. Besonders verworren ist jener in Darfur, der durch die Gegnerschaft zwischen arabischen und schwarzafrikanischen Gruppen nur teilweise erklärt werden kann. Im Zuge des Konfliktes zwischen SPLA und Regierung wurden arabische Reitermilizen von der Regierung bewaffnet, um gegen die Rebellen vorzugehen. Die Einmischung Libyens und verschiedener Gruppen aus dem ebenfalls zerrissenen Tschad heizen den Konflikt weiter an. Zur Zeit stehen über zehn verschiedene bewaffnete Parteien in wechselnden Koalitionen im Kampf gegeneinander bzw. mit oder gegen Regierungstruppen, dazu kommen kriminelle Banden. Ungefähr 4,5 Millionen Menschen sind von dem Konflikt betroffen, 2,5 befinden sich auf der Flucht. Immer wieder kehrende Dürre und große wirtschaftliche Probleme stellen weitere Bedrohungen für die Menschen in Darfur da. Ein Ende des Konfliktes ist nicht absehbar.

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Im Gegensatz dazu scheint der Ostsudan im Moment beruhigt. 2007 wurde ein Waffenstillstand zwischen dem aufständischen Volk der Bedscha und der Zentralregierung geschlossen, doch auch dieser Friede ist brüchig.

Die Rohstoffe des Sudan

Neben Erdöl verfügt der Sudan über Uran, Gold, Eisen und andere Rohstoffe, wodurch sich das Interesse der Weltmächte an dem Staat erklärt. Besonders China ist an den reichen Ölvorkommen interessiert, die derzeit etwa neun Prozent des chinesischen Ölbedarfes decken. Mit der Unabhängigkeit des Südsudan werden die Karten um die begehrten Förderkonzessionen aber neu gemischt – ein Grund für die Unterstützung der SPLA durch die USA. China ist der mit Abstand größte Investor im Sudan und hält 40 Prozent der Anteile an der Greater Nile Petroleum Operating Company, die den Großteil des sudanesischen Öls fördert. Auf Grund der instabilen Lage können viele Rohstoffe noch nicht abgebaut werden.

Der Sudan als gescheiterter Staat?

Pyramiden im Sudan

Pyramiden im Sudan

Im Sudan erinnern zahlreiche Pyramiden an das Nubierreich. An Tourismus
ist in dem de facto gescheiterten Staat allerdings nicht zu denken.
Foto: Steve Evans / Wikimedia

Da die Zentralregierung über große Teile ihres Staates keine effektive Kontrolle ausübt, ist der Sudan zumindest teilweise als gescheitert anzusehen, wenn er auch nicht mit Somalia oder dem Tschad vergleichbar ist. Die Abspaltung des Südens wird nicht mehr zu verhindern sein, weitere Sezessionsbestrebungen in Darfur oder im Ostsudan sind nicht auszuschließen. Sein Rohstoffreichtum macht den Sudan zu einem für unterschiedliche Mächte sehr interessantes Gebiet. Zu einer friedlichen Zukunft wird dies dem Sudan aber nicht verhelfen.

Unzensuriert-Serie über "Failed States"

Unzensuriert.at stellt wöchentlich einen gescheiterten Staat vor. Bisher veröffentlicht:

Somalia – Nummer eins unter den gescheiterten Staaten

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