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1. Mai 2011 / 10:52 Uhr

Graf: ÖVP muss Scherbenhaufen in Ministerien aufräumen

GrafNicht nur das Parlament hat die halbe Zeit in dieser Legislaturperiode hinter sich, auch die Regierung, die allerdings nicht ohne Personalrochaden auskommt. Für Martin Graf zählen nach der ÖVP-Umbildung Inhalte und nicht Gesichter. Er erhofft vom neuen Vizekanzler Spindelegger mehr Unterstützung für Familien und Bundesheer. Die ÖVP müsse aber zuerst die „Scherbenhaufen“ aufräumen, die in manchen Ressorts bestünden. Die FPÖ, so ist der Dritte Nationalratspräsident im Unzensuriert-Interview überzeugt, wird bei der nächsten Wahl um Platz eins rittern. Dann müssten andere Parteien ihre Linie korrigieren, wenn sie gemeinsam mit den Freiheitlichen regieren wollen. In der Integrationspolitik fordert Graf den neuen Staatssekretär Sebastian Kurz auf, sich an seinem dänischen Kollegen ein Vorbild zu nehmen.

Unzensuriert: Nicht nur Sie haben Halbzeit, auch die Regierung, die hat allerdings nicht gehalten in der ursprünglichen Besetzung. Was erwarten Sie vom neuen ÖVP-Regierungsteam?
Graf: Wesentlich sind nicht neue Gesichter, sondern neue Inhalte, und die vermag ich bisher nicht zu erkennen. Meine Hoffnung ist, dass Spindelegger in der Frage der Wehrpflicht standhafter ist als Pröll. Und auch für die Familien erwarte ich mir mehr Unterstützung. Da ist das Opfer des Staatssekretariats zugunsten der Integration allerdings ein fatales Signal. Auf der anderen Seite hat Spindelegger eine Steuerreform für die Familien versprochen und sogar die von uns geforderte Steuersplitting-Option in den Mund genommen. Das wäre ein Meilenstein für mehr Gerechtigkeit, aber die ÖVP muss Wort halten. Und sie muss ihre Ressorts wieder in den Griff bekommen. Das sind ja zum Teil Scherbenhaufen, die da zurückgelassen wurden.

Graf

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Scherbenhaufen" Justiz und Wissenschaft sind am Boden, meint Martin Graf.
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Unzensuriert: Sie sprechen von der Justiz?
Graf: Auch. Das Vertrauen der Menschen ist erschüttert, wenn nicht gänzlich verloren gegangen. Verfahren, wo es um Milliardenschäden geht, werden einfach nicht geführt – Stichwort Bawag II. Die Staatsanwaltschaft hat sich unter der Patronanz des bisherigen Kabinettschefs Krakow in eine höchst bedenkliche Richtung entwickelt, noch dazu nach der Strafprozessreform mit alleiniger Vollmacht ausgestattet, was das Ermittlungsverfahren betrifft. Mir graut davor, wenn ich daran denke, dass diese Staatsanwaltschaft bald auch noch entscheiden darf, in wessen gespeicherte Daten hineingeschnüffelt wird. Aber auch in meinem Kernbereich, der Wissenschaftspolitik sieht es nicht besser aus.

Regierung belastet unsere Jugend durch EU-Hörigkeit

Unzensuriert: Wer ist daran schuld? Die Deutschen? Die Studenten allgemein, weil sie das Falsche studieren?
Graf: Aber überhaupt nicht. Die reformunwillige Regierung. Hahn und  Karl haben keine einzige Reform gewagt auf den Unis, wo die Lage immer dramatischer wird. Gegenüber der EU gehen die Minister stets in die Knie. Anstelle gegenüber der EU Zähne zu zeigen, belastet diese Regierung ständig unsere Jugend. Dabei wäre so viel zu tun. Das Bologna-Prinzip hat die Unis in die Krise gestürzt. Sie sind komplett verschult und auch deshalb überfüllt. Trotzdem gibt’s nicht mehr Mobilität, weil jede Uni ihre eigenen Studienpläne zusammenzimmert und ein Student nicht einmal von Wien nach Graz wechseln kann ohne gröbere Schwierigkeiten.

Unzensuriert: Weniger Studenten erreicht man mit strengen Aufnahmeprüfungen und Studiengebühren.
Graf: Das sieht die ÖVP so. Aber wir wollen nicht weniger Studenten, sondern mehr. Und wir wollen allen Österreichern dieselben Bildungschancen bieten. Mit einer fairen Einstiegsvoraussetzung, was die Uni betrifft, und das muss die Matura sein und sonst nichts. Abkassieren ist momentan gar kein Thema bei den Studienbedingungen. Wofür sollte man da gerechtfertigt Geld verlangen? Fürs mehrsemestrige Warten auf einen Laborplatz? Fürs Ausgesperrt-Werden aus dem überfüllten Hörsaal?

Keine Studiengebühren ohne abgeschlossene Reform

Unzensuriert: Also kommen Gebühren für die FPÖ nicht in Frage?
Graf: Die Universitäten sind in einer Misere, obwohl es bis 2009 flächendeckend Studiengebühren gegeben hat. Wir haben diese nur für die fleißigen österreichischen Studenten aufgehoben, also für Studenten, die trotz der schlechten Bedingungen schnell studieren. Und für die Werkstudenten, die ohnehin Steuern und Abgaben zahlen. Das finde ich gerecht. Wenn nun zu viele Studenten aus dem Ausland nach Österreich kommen, hat eine österreichische Regierung die verdammte Pflicht, gesetzlich wieder das Herkunftslandprinzip zu beschließen und nicht Österreicher oder Deutsche willkürlich von den Universitäten zu verbannen. Die Frage einer finanziellen Beteiligung der Studenten kann erst am Ende eines Reformprozesses gestellt werden, wenn die Politik und die Unis ihren Managementaufgaben nachgekommen sind. Österreich hat die höchste Steuer- und Abgabenquote in Europa, da ist es nicht einsichtig, ohne wirkliche Reformen weitere Belastungen unserer Jugend und bei den Familien vorzunehmen.

Unzensuriert: Die Regierung setzt aber offenbar andere Schwerpunkte, zum Beispiel Integration. Brauchen wir dafür ein Regierungsamt?
Graf: Kommt darauf an, was man daraus macht. Schauen wir nach Dänemark. Dort hat der Integrationsminister jetzt festgestellt, dass die schärferen Einwanderungsgesetze dem Land 700 Millionen Euro im Jahr sparen, und deshalb will man weiter in diese Richtung gehen. Das erwarte ich auch in Österreich. Asyl für jene, die verfolgt sind, ist selbstverständlich, aber nur ein kleiner Teil der Zuwanderung. Die sonstige Zuwanderung muss sich nach unseren Bedürfnissen richten, und daher ist dieser Ansatz, genau zu rechnen, wer bringt uns etwas und wer liegt uns nur auf der Tasche, der Richtige. Die dringendste Aufgabe eines Integrationsstaatssekretärs wäre es, zuerst einmal die Milliarden an Folgekosten der bislang falschen Zuwanderungspolitik zu erheben und sodann Vorschläge für eine sparsamere Politik in diesem Bereich zu machen. Ich will, dass das österreichische Steuergeld zu allererst für Österreicher verwendet wird und nicht in dubiose dunkle Kanäle einer Einwanderungsindustrie und deren Lobbyisten gesteckt wird. Das sehen im Übrigen bis auf die Grünen alle Österreicher so. Geht das Amtsverständnis in diese Richtung, kann dieses Amt auch Sinn machen. Alles, was die Regierung bis jetzt in diesem  Zusammenhang geliefert hat, etwa auch jetzt bei der Ostöffnung des Arbeitsmarktes, ist ein Murks. Da hätten wir der EU klar sagen müssen: Solange die Gehälter in diesen Ländern nicht annähernd unser Niveau erreicht haben, spielt es diese Arbeitsmarktöffnung mit uns nicht.

Graf

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"Die anderen Parteien werden sich hinterfragen müssen."
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Unzensuriert: Aber das wäre ein klarer Bruch der Abmachungen und Verträge gewesen.
Graf: Jeder Vertrag ist änderbar. Gerade die EU funktioniert auf Basis schlechter Verträge. Erst wurde Lissabon ohne Volksabstimmung durchgedrückt, jetzt auch die Änderung, wonach wir für die Schulden anderer Staaten haften. Wenn es keine Länder gibt, die endlich aufstehen gegen diesen zentralistischen Wahnsinn, kommt die EU nie zur Vernunft, und am Ende sind alle Länder in Europa kaputt. Wir sind doch auch nicht mehr in der Lage, unsere Staatsschulden zu bezahlen. Sogar die Zinsen wachsen uns über den Kopf, aber diese Regierung macht fleißig weitere Schulden und haftet dazu noch für die anderen.

Unzensuriert: Mit dieser EU-Linie kommt die FPÖ aber nie in eine Regierung.
Graf: Eine andere EU-Linie wird es aber nicht geben. Die anderen Parteien müssen sich ändern und in wesentlichen Politikfeldern hinterfragen. Wenn wir eine Wahl nach der anderen gewinnen und die anderen demnach in Serie verlieren, warum sollten dann wir unsere Standpunkte korrigieren?

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Unzensuriert: Die anderen machen also schlechte Politik, und deshalb gewinnt die FPÖ, oder?
Graf: Wir machen die richtige Politik und haben mit HC Strache den idealen Mann an der Spitze, der unser Programm perfekt vermittelt, und deshalb gewinnen wir.

Unzensuriert: Aber wie lange kann der Höhenflug dauern?
Graf: Ich gehe davon aus, dass wir bei der nächsten Nationalratswahl um Platz eins rittern werden. Die Umfragen deuten ja schon in diese Richtung, und wir spüren die enorme Breite, die wir bekommen: Bei den Jungen, bei den Senioren, bei den Arbeitnehmern, in der mittelständischen Wirtschaft. Weil wir als soziale Heimatpartei für all diese Gruppen Lösungen haben, die um Längen besser sind als die der Konkurrenz.

Unzensuriert: Werden Sie dann Erster Nationalratspräsident?
Graf: Wenn wir Erster werden und meine Partei mich für dieses Amt nominiert, bin ich gerne dazu bereit. Die Umsetzung des Parlamentsumbaus wäre eine enorm spannende Aufgabe.

Im ersten Teil des Unzensuriert-Interview nimmt Martin Graf zur Situation im Parlament Stellung. Sein Befund:

Das Parlament verkommt zunehmend zur Abstimmungsmaschine

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