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5. Mai 2011 / 11:23 Uhr

Desertec – Der Traum vom Strom aus der Wüste

Solarkraftwerk Die Verknappung fossiler Brennstoffe und die Gefahren, die von atomarer Stromgewinnung ausgehen, befördern die Suche nach neuen Wegen in der Energiegewinnung. 2009 wurde in München ein Konsortium gegründet, das den Ausweg in der Wüste sucht. Desertec soll Elektrizität für Europa in der Sahara erzeugen. Doch bisher ist dieses Vorhaben noch nicht so richtig in Gang gekommen, obwohl es anfangs euphorisch begrüßt wurde. Inzwischen mehren sich außerdem die Stimmen der Kritiker.

Desertec entsteht

Die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) wurde 2003 auf Initiative des Club of Rome als gemeinnützige Institution ins Leben gerufen. Die deutsche Sektion dieser Organisation rief die Desertec Foundation ins Leben, die das Konzept entwickelte. Die Idee dahinter schien einfach: In den riesigen Wüstenflächen Nordafrikas soll die Sonneneinstrahlung zur Energiegewinnung genutzt werden.

Desertec

Desertec

Desertec will die sonnenreichen Gebiete Nordafrikas nutzen.
Bild: TREC / Wikimedia

 Durch die Regelmäßigkeit der Sonnenstunden sowie die weiten ungenutzten Flächen böten sich dort ganz andere Möglichkeiten als im dicht besiedelten und oft bewölkten Europa. 2009 gründete die Desertec Foundation gemeinsam mit 12 Unternehmen in München die Desertec Industrial Initiative GmbH DII. Den Kern bilden deutschen Energieriesen wie RWE und Eon, Großkonzerne wie Siemens und ABB sowie die Deutsche Bank und die Münchner Rückversicherung – einer der größten Versicherungskonzerne der Erde – als Geldgeber, dazu verschiedene Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energietechnik. Dazu wurden mehrere europäische Partner aus verschiedenen Bereichen an Bord geholt wie die Bank Unicredit, der Nahrungsmittelkonzern Cevital oder der spanische Energiekonzern Red Electrica. Die deutsche Bundesregierung reagierte hoch erfreut auf diesen Zusammenschluss, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte volle Unterstützung zu. Auch EU-Energiekommissar Günther Öttinger signalisierte mit den Worten „Wir sollten Solaranlagen dort installieren, wo die Sonne scheint“ Zustimmung, erklärte aber, dass dieses Projekt wegen der Ausmaße nur als gesamteuropäische Unternehmung Aussicht auf Erfolg hätte.

Technisch machbar

Solarkraftwerk

Solarkraftwerk

In riesigen Solarkraftwerken erzeugter Strom soll bis Europa geleitet werden.
Foto: US Bureau of Land Management

Im Gegensatz zu den bekannten Photovoltaikzellen, die viele europäische Hausdächer zieren, sollen in der Wüste vor allem solarthermische Kraftwerke entstehen. Dabei wird die Wärmeeinstrahlung der Sonne zur Erhitzung von Wasser genutzt; mit dem so entstehenden Wasserdampf werden Dampfturbinen betrieben, die Strom erzeugen. Überschüssige Wärme könnte gespeichert werden, beispielsweise in Salzspeichern, um später wieder Dampf für die Turbinen zu erzeugen. Im Gegensatz zu Photovoltaik ist der Wirkungsgrad höher, die Investitionen sind niedriger. Allerdings eignet sich dieses Verfahren derzeit nur im Einsatz großer Sonnenkraftwerke in besonders sonnenreichen Gebieten. Daneben sollen in wesentlich kleinerem Ausmaß auch Windkraftwerke zum Einsatz kommen. Zunächst soll damit der Bedarf der Heimatstaaten der Kraftwerke gedeckt werden. Über Hochspannungsgleichstromsübertragungsleitungen (HGÜ – Leitungen) soll außerdem Strom nach Europa transportiert werden. Technisch ist all dies jedenfalls machbar.

Sauberer Strom – Unabhängigkeit von fossilem und atomarem Strom

Sobald die Anlagen in Betrieb sind, erzeugen sie „sauberen“ Strom – eine Form der Energiegewinnung, die durchaus angestrebt wird. Bis 2050 sollen 80 Prozent des deutschen Energiebedarfes aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden, 15 – 20 Prozent davon könnten aus Nordafrika kommen. Außerdem würde so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aber auch Atomstrom drastisch vermindert. Fossile Brennstoffe werden einerseits immer knapper und kommen andererseits aus unsicheren Staaten. Die jüngsten Unruhen in Nordafrika und im Nahen Osten sowie der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine haben gezeigt, dass diese Quellen jederzeit versiegen können. Die Atomenergie hat sich durch den jüngsten Unfall einmal mehr als risikoreich erwiesen; außerdem ist die Akzeptanz für die Gewinnung von Atomstrom in der Bevölkerung weiter gefallen. Die drei Faktoren der Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, des Ersatzes für Atomstrom und der umweltfreundlichen Stromerzeugung lassen Desertec so verlockend erscheinen.

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Die Anfangskosten für Kraftwerke und Transportwege würden sich allerdings mindestens auf geschätzte 400 Milliarden Euro belaufen. Riesige Investitionen, die sich aber bald lohnen würden, wie die Verfechter des Projektes überzeugt sind.

Kritiker wollen echte Autarkie

Scheer

Scheer

Hermann Scheer kritisierte das Projekt heftig.
Bild: Malte / Wikimedia

Kritiker sehen dies entschieden anders. Der 2010 verstorbene SPD Bundestagsabgeordnete und Träger des alternativen Nobelpreises Hermann Scheer sprach sich vehement gegen Desertec aus. Wie bereits bei fossilen Brennstoffen wäre Deutschland wieder von der Stromzufuhr aus dem Ausland abhängig. Dazu sei das Projekt mit unabwägbaren Risiken verbunden. Instabile Verhältnisse und Kriege in den Standortländern aber auch die Natur in Form von Sandstürmen, Beben oder Überflutungen könnten Desertec zum Scheitern bringen. Würde die gleiche Summe in den Ausbau alternativer Energie in Deutschland selbst investiert werden, könnte das Land wirklich zunehmend energieautarker werden, so Scheer. Mit Desertec würden weiterhin die großen Energiekonzerne gefördert werden, ihr Monopol bliebe gewahrt. Die von ihm gegründete Organisation Eurosolar setzt sich weiter für Scheers Idee der dezentralen, verbrauchernahen Energiegewinnung ein. So würden auch weite Transportwege entfallen und die Ökonomie im eigenen Land gestärkt.  Dass sich immer mehr lokaler Widerstand gegen den Ausbau von Starkstromleitungen formiert und so die Verteilung des Stroms gefährdet sein könnte, ist ein weiteres Argument der Kritiker.

Teure Energiewende

Desertec ist eine Möglichkeit, neue Energiequellen zu erschließen – ein dezentrales Netz kleiner Energieerzeuger eine andere. Auch verstärkte Energieeffizienz und Einsparungen werden gefordert.. Eines steht aber fest: Die geforderte Energiewende wird sehr viel Geld kosten. In zehn Jahren werden die deutschen Netzbetreiber geschätzte 40 Milliarden Euro in neue Transportwege investieren müssen, RWE schätzt die Kosten für eine vollständige Umstellung des Energieversorgungssystems in Europa in den nächsten 40 Jahren auf drei Billionen Euro, der Strompreis könnte sich vervierfachen. Auch wenn dies möglich ist, stellt sich die Frage ob hoch industrialisierte Staaten wie Deutschland oder Österreich diese Umstellung ökonomisch verkraften können. Steigen die Energiepreise weltweit nicht in entsprechendem Ausmaß, wären die europäischen Volkswirtschaften, die sich für einen Umstieg entscheiden, nicht mehr konkurrenzfähig. Langwierige Genehmigungsverfahren, zu geringe Flächen, fehlende Speicherkapazitäten für Spitzenzeiten, Bürgerproteste gegen Stromautobahnen, gigantische und ökonomische Zwänge in ungeahntem Ausmaß sind große und unberechenbare Bremsklötze auf dem Weg zur sogenannten Energiewende – schwierige Zeiten für Europa. 

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