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23. Juni 2011 / 00:51 Uhr

Geldverschwendung: Gemeinde kauft nutzlose Rolltreppen

 RolltreppeDie Gemeinden haben angeblich kein Geld. Die Bürgermeisterin von Gießhübl, Michaela Vogl (ÖVP) sagte in einem Standard-Interview, dass die finanzielle Situation so angespannt sei, dass man jetzt sogar das Tafelsilber verkaufen müsse. Dagegen dürfte es der Marktgemeinde Leobendorf im Bezirk Korneuburg blendend gehen: Sie hat als Kunst am Bau zwei Rolltreppen vor einer Volksschule aufgestellt – um 100.000 Euro!

Diese beiden ausrangierten, nicht funktionstüchtigen Rolltreppen sind Teil des neu gebauten Bildungscampus. Die Gemeinde, in der 4.725 Menschen leben, muss für dieses umstrittene Kunstobjekt 40.000 Euro bezahlen. 60.000 Euro werden vom Land Niederösterreich finanziert.

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Rolltreppen sollten ursprünglich Spielgeräte sein

Rolltreppe

Rolltreppe

Plötzlich war das Ding da. Die Kunstaktion hinterlässt die Leobendorfer ratlos.
Foto: Unzensuriert.at

Da kann man doch annehmen, dass die Menschen in der Gemeinde Freude am neuen Kunstobjekt haben. Doch das Gegenteil ist der Fall. „Auf einmal war das Ding da“, erinnert sich Doris Kampas an den morgendlichen Anruf ihres Mannes, der meinte: „Du, da steht eine Rolltreppe vor der Schule.“ Seit die Rolltreppen stehen, gehen die Wogen hoch. Die Eltern sind empört, „einerseits über die Verschwendung von Steuergeld, andererseits, weil sie Bedenken wegen der Sicherheit haben“, berichtet Kampas. Die Gestaltung des Freigeländes könne sich die Gemeinde jedenfalls nicht leisten, kritisiert sie in einer regionalen Bezirkszeitung. Auch noch nicht geklärt ist die Haftungsfrage.

Bis zur Klärung will Volksschuldirektor Josef Stöckl die Rolltreppen während der Schulzeit nicht zum Spielen freigeben. „Die Kinder wuseln auf der Rolltreppe auf und ab. Die hat aber scharfe Kanten.“ Ursprünglich wären die Rolltreppen nach Auskunft des Direktors als Spielgeräte gedacht gewesen, doch seien sie aus Kostengründen anders ausgeführt worden als vorgesehen. Tatsache ist, dass die Gemeinde bei der Auswahl der Objekte wenig Mitsprache hatte.

Provokation um 100.000 Euro gerechtfertigt?

Rolltreppe 2

Rolltreppe 2

Gefährliche Kunst am Bau: Weil die Rolltreppen scharfe
Kanten haben, hat sie der Direktor fürs Spielen gesperrt.
Foto: Unzensuriert.at

Die Ausschreibung für das Kunstobjekt lag in den Händen des Landes. „Eine Jury, bestehend aus Experten für Kunst im öffentlichen Raum, fällte eine eindeutige Entscheidung zu Gunsten der Rolltreppen“, erzählt ÖVP-Bürgermeister Karl Stich. In Leobendorf hält sich die Begeisterung dennoch in Grenzen. „Ich habe noch niemanden getroffen, dem das Kunstwerk gefällt“, sagt SPÖ-Gemeinderat Franz Haselmann. Der Ortschef ist daher bemüht, die Wogen zu glätten: „Ich gebe zu, dass es ein Fehler der Gemeinde war, dieses Kunstwerk zu errichten, ohne der Bevölkerung die Gedanken der beiden Künstler zu vermitteln.“ Jetzt sollen eine Podiumsdiskussion, Flyer und eine Beschreibung des Kunstwerks auf einer Tafel auf den Rolltreppen Missverständnissse ausräumen.

„Über Kunst kann man an und für sich streiten, wie wir wissen“, sagt Kulturgemeinderätin Magdalena Batoha (ÖVP). Wahrscheinlich sei, dass die Berliner Künstlergruppe mit dem Projekt provozieren wollte. Es ist halt die Frage, ob das 100.000 Euro rechtfertigt.

Ein Stück Autobahn auf der grünen Wiese

Autobahn

Autobahn

Dieses Stück Autobahn wurde 1995 in Paasdorf als Mahnmal installiert.
Foto: Roman Klementschitz / Wikimedia

Die nutzlosen Rolltreppen, die den Menschen als Kunstobjekt teuer verkauft wurden, sind nicht die einzigen umstrittenen Kulturprojekte im Weinviertel. Noch gut in Erinnerung ist ein Stück Autobahn, das 1995 in der Mistelbacher Katastralgemeinde Paasdorf einfach auf einer grünen Wiese gebaut wurde und hunderttausende Schilling verschlang. Die Bevölkerung hatte für diese Investition nicht viel übrig. Die Autobahn, so die Beschreibung in der „Kulturlandschaft Paasdorf“, soll eine Anspielung auf eine geplante Autobahn durch das Weinviertel aus der NS-Zeit, die hier vorbeiführen sollte, sein. Kurios: Die heute als Nordautobahn A5 bezeichnete Strecke war zum Zeitpunkt der Errichtung des Projekts noch nicht bekannt, diese wurde erst 2009 eröffnet. 

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