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20. Juli 2011 / 00:35 Uhr

Zensur in deutschsprachigen Medien I: Die Zeit

Die Tendenz deutscher und österreichischer Medien, in den Kommentarspalten unerwünschte Beiträge einfach zu entfernen oder – bei allgemeiner unerwünschter Meinungsbildung der Leser – das Kommentieren ganz zu verbieten, sollte dem fleißigen Leser der digitalen Zeitungsausgaben bereits untergekommen sein. Unzensuriert.at macht die Probe aufs Exempel und testet die Toleranzschwelle der Online-Redakteure. Die ersten Ergebnisse waren traurig, aber in keinster Weise unerwartet.

Das erste Medium, das sich der Meinungsfreiheit unseres Testers stellen musste, war die Online-Präsenz der linksliberalen Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Positiv fiel zunächst auf, dass diese Onlinepräsenz die Unart, das Kommentieren themenspezifisch ganz zu verbieten, hier nicht allzu ausgeprägt war. Dafür findet man in allzuvielen Kommentaren nur einen schräg gedruckten Hinweis der Redaktion, dass deren Inhalt aus irgendwelchen Gründen nicht dem Geist des Internetauftritts entspricht – viele dieser gelöschten Kommentare haben jedoch zahlreiche Leser-Empfehlungen.

Den Test führten wir bei zwei Berichten durch: Im ersten berichtete Die Zeit über die gegen die Bundeswehr gerichteten Mordanschläge, in denen Radmuttern an Gefechts- und Zivilfahrzeugen derart gelockert wurden, dass sie erst bei hohen Geschwindigkeiten den Halt verloren und die Soldaten somit in lebensgefährliche Situationen brachten. Auch auf Unzensuriert.at haben wir darüber bereits berichtet. Wir kritisierten die Vermutung der Zeit, die 80 Fälle könnten genausogut zufällig aufgetreten sein, und wiesen auf die veröffentlicheten Anleitungen der Linksextremen hin, in denen die effektive Zerstörung staatlicher Organe genauestens beschrieben wurde. Am nächsten Tag war von unserem Beitrag nichts mehr vorhanden – bis auf ein kursives “Entfernt. Bitte verzichten sie auf Unterstellungen. Danke. Die Redaktion”.

Auch der nächste Artikel, der die vier Spitzenkandidaten der Kreuzberger Wahlen thematisierte, die allesamt türkischer Herkunft sind, bot offenbar keinen Platz für Meinungsfreiheit und Befürchtungen. Die Kandidaten – allen voran die Politikerin Figen Izgin von der Linkspartei – schließen sich den Wünschen des türkischen Premier Erdogan an, indem sie einerseits die doppelte Staatsbürgerschaft fordern (sonst würde der türkische Einfluss ja verlorgen gehen), andererseits auch für Nicht-Deutsche offen für das kommunale Wahlrecht eintreten. Wir setzten diese Forderungen mit der demographischen Entwicklung und die Herkunft der Kandidaten mit jener der Bewohner in Verbindung – und wurden auch hier prompt vollständig zensiert. “Entfernt. Bitte verzichten sie auf Spekulationen und beteiligen Sie sich mit konstruktiven Beiträgen an der Diskussion. Danke. Die Redaktion.”

Obwohl nicht unbedingt leicht zu finden für den Kommentator, verlinken wir hier auch noch die “Netiquette” mit den wichtigsten Regeln für Leserbeiträge. Auch daraus wird nicht ersichtlich, gegen welche der Regeln unsere Kommentare verstoßen hätten. Altkanzler Helmut Schmidt schrieb übrigens in der aktuellen Zeit-Ausgabe, dass Investmentbanker “uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten” hätten. Schmidt muss von Glück reden, dass er als Herausgeber der Zeitung gewisse Vorrechte genießt. Durch die Zensurmühlen der Online-Redaktion hätte er es mit dieser Formulierung wohl nicht geschafft.

Unzensuriert.at wird das Experiment in den Foren weiterer deutscher und österreichischer Zeitungen fortsetzen. Falls Sie ähnliche oder andere Erfahrungen gemacht haben, beteiligen Sie sich bitte mit einem Kommentar an der Diskussion. Sofern Sie sich an unsere bescheidenen Regeln halten, wird Ihr Beitrag garantiert nicht gelöscht.

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