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21. Juli 2011 / 10:30 Uhr

Endstation Europa: Der Tod lässt sich nicht gerne betrügen

BildDavid Malone ist ein britischer Dokumentarfilmer, der für die Fernsehstationen BBC und Channel 4 produziert. Seit 2008 beschäftigt er sich intensiv mit der Finanzkrise und ihren Ursachen. Ergebnis ist das vielbeachtete Buch The Debt Generation. In seinem Blog Golem XIV weist Malone unermüdlich auf die fragwürdige Rolle vieler Banken bei den Geschehnissen hin, die in manchen Staaten Europas zum Bankrott geführt hätten, wenn nicht die anderen Euro-Länder rettend eingegriffen hätten. Vor dem heutigen Euro-Krisengipfel rechnet Malone einmal mehr mit den Banken ab, aber auch mit den verantwortlichen Politikern, die sich mehr um ihre Rettung kümmern als um die Bevölkerung ihrer Staaten. Unzensuriert.at bringt die Übersetzung seines Kommentars. Hier finden Sie das englische Original.

David Malone

David Malone

David Malone
Foto: www.debtgeneration.org

Vor drei Jahren war es soweit, dass Europas und Amerikas Banken ein schrecklichen "Unfalltod" sterben sollten. Ihre eigenen maßlose Gier und Korruption hatte sie letztendlich zu Fall gebracht. Aber irgendwie gelang es ihnen dann doch, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, indem sie das Leben von anderen verkauften, nämlich das Leben der Steuerzahler ihrer eigenen Völker sowie derjeniger Nationen wie Griechenland und Irland, deren Führer schon längst ihre eigenen faulen und fadenscheinigen Seelen verkauft hatten und nun ebenfalls bemüht waren, die Seelen von anderen zu verkaufen.

Aber der Tod lässt sich nicht gerne betrügen.

Und so wird jetzt einer nach dem anderen vom Gevatter Tod eingesammelt: Irland, Griechenland, Portugal, Spanien. Wer wird der nächste sein? Italien?

Wer hätte gedacht, dass ein Strauss-Kahn wegen des Verdachts der Vergewaltigung verhaftet werden könnte? Einen Augenblick Leben in Saus und Braus im Luxushotel, im nächsten Augenblick bereits im "Staatshotel" Rikers Island. Schicksal? Ich denke schon.

Der keltische Tiger in Irland war der erste, der drankam. Genauer gesagt, das beste Puff Europas für Banker, das IFSC (International Financial Services Centre). Kommen Sie nach Dublin und tun Sie dort, was Sie wollen. Was könnte schon schief gehen? Die Antwort – fast alles. Die Anglo Irish Bank begann alles wieder herauszukotzen, das sie zuvor verschluckt hatte. Depfa und Hypo Real Estate bekamen die Krätze und begannen sich gegenseitig zu beschuldigen. Gleichzeitig bekamen die Immobilien- und Grundstücksentwickler in ganz Irland Würgekrämpfe und drohten im Miasma ihrer eigenen Lügen und unbezahlten Rechnungen zu ersticken.

Der irische Premierminister Bertie Ahern und sein Finanzminister Brian Cowen sahen dem Tod bereits in die Pupillen und versuchten, mit ihm ein Geschäft zu machen, indem sie ihm die Seele der Zukunft Irlands verkauften. 70 Milliarden Euro und das letzte Familiensilber wurden in die "Rettung der Banken" gestopft, genauer gesagt in die Rettung der Anleihegläubiger der Banken und der ausländischen Banken, die ihnen Geld geliehen hatte. Irland wird zu Tode gefoltert; die Schuldenlast drückt seinen Kopf unter Wasser wie beim "Waterboarding" in Guantanamo.

Dann kam Griechenland dran. 340 Milliarden Euro Staatsverschuldung, 100 Milliarden Euro "Notfalls-Kredite" von der EU und vom IWF. So, als ob es auf den Operationstisch geschnallt wäre und durch eine Kanüle Spenderblut in eine pralle und rasende Vene gepumpt würde. Man spricht zwar von Hilfeleistung, realisiert dabei aber nicht, dass das gespendete Blut aus dem anderen Arm gleich wieder in hinterhältigster Art und Weise ausgesaugt wird und so zu den eigentlichen Empfängern gelangt – den aufgeblähten, syphilitischen, kranken europäischen Banken. Griechenland bekommt lediglich eine Blutwäsche. Ein Manöver, das lediglich dazu dient, um die Identität der wahren Empfänger zu schützen. Die lokalen Statthalter wie Papandreou werden strenge Sparmaßnahmen auferlegen und dabei zusehen, wie Griechenland verdorrt.

Einer der Zuseher bei diesem grausigen Spektakel ist Jose Luis Zapatero. Sein wichtigster Beitrag bisher war sein Gewinsel: "Bitte nicht bei mir. Ich bin nicht so wie sie. Spanien ist doch nicht Griechenland." Während er gleichzeitig großzügig darüber hinwegsieht, dass es einen riesigen nicht deklarierten Schuldenberg gibt, der in den Regionen und Gemeinden und in deren netten kleinen Cajas versteckt liegt. Nein, Spanien ist nicht Griechenland. Er ist viel größer. Will Spanien als nächstes drankommen und unter seinem herabfallenden Mauerwerk zerquetscht werden?

Oder kommt Italien noch eher dran? Giulio Tremonti, Italiens Greenspan, kommt endlich darauf, dass der "Freund", in dessen Wohnung er gelebt hat, der Polizei bei ihren Ermittlungen helfen muss. Wird Tremonti gehen? Wird Berlusconi noch vor ihm stürzen? Im einen wie im anderen Fall könnte sich UniCredit plötzlich mit faulen Krediten konfrontiert sehen, die wie die Seelen der Toten aus unbekannten Gräbern in ganz Italien hervorkommen. Es wird gemunkelt, dass ihr amerikanisches Unternehmen Pioneer, das erst verkauft werden sollte und dann plötzlich doch wieder nicht, wie die Marie Celeste verlassen auf dem Atlantik treibt. Ein Geisterschiff mit zerschlissenen Segeln bei Windstille, und keine Menschenseele an Bord.

Es gab eine Zeit, als die Starken dachten, sie könnten den Tod austricksen, indem sie ihm die Schwächeren zum Fass vorwerfen. Geben wir ihm Griechenland und vielleicht wird er von dannen ziehen. Aber der Tod ist ebenso geduldig, wie er gefräßig ist.

Nun kommt Panik bereits knapp unter der noch ruhig dünkenden Oberfläche auf. Bloomberg zitierte den Senior Credit-Strategen bei Société Générale, Suki Mann, mit folgenden Worten:

"Griechenland ist nicht mehr zu helfen, Italien steht am Rande des Zusammenbruchs und es ist gut möglich, dass der Euro demnächst das Zeitliche segnen wird."

Herman von Rompuy und seine Jungs (und Mädchen) bei der EZB beginnen sich zu fragen, ob sie nicht selbst bereits bei Gevatter Hein auf der Abschussliste stehen. Wenn Griechenland zusammenbricht, wird Portugal oder Spanien als nächstes in den Strudel hineingezogen werden? Und kommt dann nicht die EZB ebenso unaufhaltsam als nächstes dran? Die EZB ist mit schlechten Papieren sämtlicher Schuldnernationen bis zum Rande gefüllt. Was wird passieren, wenn die krepieren? Wird dann die EZB herabgestuft werden? Die EZB möchte das lieber gar nicht wissen. Sie zieht es vor, Deutschland und Frankreich für deren eigene erpresserische Banken-Experimente in ganz Europa in die Verantwortung zu nehmen.

In Berlin macht Angela Merkel bereits die Türen und Fenster dicht. Niemand darf jetzt mehr rein oder auch nur in die Nähe kommen. Sie weiß, wie der Film ausgeht und möchte nicht die letze Starrolle übernehmen. Sollen doch Amerika und die Fed Pleite machen. Bernanke steht ja bereits an der Notenpresse und schickt Stoßgebete gegen Himmel. Soll er verrecken. Soll China flachliegen, soll die EZB bluten, aber Deutschland wird nicht untergehen!

Also möge auch Griechenland Pleite machen. Die EZB scheint sich heute Deutschlands Willen gebeugt zu haben und sagt, man werde eine "vorübergehende griechischen Pleite" ins Auge fassen. Die Rendite auf die zweijährigen griechischen Staatsanleihen hat sich somit wohl in Luft aufgelöst.

Vielleicht kommt jetzt sogar Frankreich ins Strudeln, wenn es in den ausgefallenen Anleiheschulden von Staat und Großunternehmen förmlich untergeht, die an BNP Paribas, Crédit Agricole und Société Générale wie ein Krebsgeschwür nagen. Doch wenn Gevatter Tod ruft, will keiner der nächste sein. Ein Atemzug noch, nur noch einer. Nimm doch die anderen mit. Nur nicht mich. Noch nicht.

Ein weiterer EU-Gipfel steht uns bevor, beim die Wehrlosen geopfert werden sollen, um die Reichen zu schützen.

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