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10. August 2011 / 14:30 Uhr

Eurokrise vertieft sich – Rettungsschirm schon gescheitert

BildDer britische Finanzblogger David Malone erklärt auf GolemXIV die Ursachen der sich nun wieder verschärfenden Finanzkrise. Es sind dieselben, die zahlreiche Banken bereits 2008 in existenzbedrohende Schwierigkeiten gebracht haben. Doch seither wurden die Ursachen nicht ausgeschaltet, sondern lediglich Symptome bekämpft. So wie auch jetzt, alleine wird die Krisenbekämpfung immer teurer. Malone erachtet den permanenten Euro-Rettungsschirm EFSF bereits jetzt als gescheitert, weil mittelfristig nur Deutschland als Financier übrig bleibe. Die Europäische Zentralbank EZB bringe sich selbst durch den Aufkauf notleidender Anleihen von Krisenstaaten in eine immer bedrohlichere Situation. Indessen trocknet der Kreditmarkt zwischen den Banken erneut aus, und auch hier wird die EZB als Krisenfeuerwehr aktiv. Unzensuriert.at bringt die Übersetzung des aktuellen Kommentars von David Malone. Hier geht’s zum englischen Original.

Europas Krise vertieft sich

David Malone

David Malone

David Malone
Foto: www.debtgeneration.org

Laut Bloomberg ist der Euribor [Euro InterBank Offered Rate, der Zinssatz für Termingelder in Euro im Interbankengeschäft] so gut wie blockiert, da die Banken sich weigern, untereinander Geld zu verleihen. Diejenigen europäischen Banken, die liquid sind, stecken ihr Geld lieber über Nacht in die EZB, anstatt es anderen europäischen Banken zu leihen, die es dringend benötigen würden – wie Santander in Spanien und alle italienischen Banken begonnen mit der UniCredit.

Sobald der Euribor einfriert, ist das ein Signal für nicht-europäische Banken, die Kreditvergabe an europäische Banken gänzlich zu stoppen. Warum sollten sie europäischen Banken Vertrauen schenken, wenn schon andere Europäer das nicht tun. Banken benötigen aber die "Über-Nacht"-Finanzierung – oder sie sterben.

So nah an der Klippe wie bei der Lehman-Pleite

Ich denke, dass wir uns heute näher am Rand der Klippe befinden als jemals seit dem Zeitpunkt, als AIG und Lehman Brothers zusammenbrachen. Ohne kurzfristige und "Über-Nacht"-Finanzierung werden Europas Banken binnen einer Woche sterben, was dazu führt, dass die EZB nun sicherlich ihre "Über-Nacht"-Kreditvergabe an alle und jeden aufstocken wird – und das nicht als Maßnahme eines umsichtigen Bankgeschäfts, sondern aus politischer Panik. Das wird jedoch lediglich eine Antwort auf das Einfrieren des Euribor am Wochenende darstellen. Ich sage Antwort, weil es eben keine Lösung ist. Die Banken können nicht ständig wie Süchtige vom Methadon der EZB abhängen. Die Kreditzahlungen würden sonst einfach außer Kontrolle geraten.

Aber schon vor der Euribor-Krise gab es bereits ein größeres Problem, das gemeinsam mit der US-Herabstufung einen großen Teil des massiven Abverkaufs während der letzten Wochen und der daraus resultierenden Panik in Europa auslöste. Nämlich das Problem, dass die EFSF [European Financial Stability Facility, der sog. "Euro-Rettungsschirm"] es nicht zuwege bringen kann, Länder wie Italien und Spanien zu "retten", es sei denn, mit einer erheblich höheren Dotierung – manche reden von 2,000.000.000.000 [zwei Billionen] Euro.

Wie ich bereits in meinem Artikel Fanfare of Failure schrieb, verfügt die EFSF weder über genügend Geld noch auch über ausreichende Glaubwürdigkeit, um im Falle von Italien oder Spanien als "Rücklaufsperre" fungieren zu können. Dies liegt allein schon darin begründet, dass im vergangenen Jahr, als dieser "Rettungsschirm"-Fonds für die Rettung der europäischen Banken eben eingerichtet wurde, Spanien und Italien noch zwei seiner größeren Geldgeber waren. Heute sind sie nicht mehr Geber, sondern verzweifelte Kreditkunden.

Kreditgeber der EFSF werden immer weniger

Wenn Spanien und Italien nicht mehr als Kreditgeber, sondern als insolvente Kreditkunden auftreten, ist es mit der EFSF als effizientem Lösungsmittel vorbei. Die einzigen noch zahlungsfähigen Kreditgeber mit einer bestimmten Größenordnung sind heute Frankreich und Deutschland. Und viele Leute warten nur darauf, dass es gegenüber Frankreich zu einer ähnlichen Herabstufung kommt wie es eben gegenüber Amerika der Fall war. Bleibt Deutschland, das die gesamte Rechnung bezahlen soll. Ein solches Konzept wird aber auf den Märkten keine Akzeptanz finden und schon gar nicht in Deutschland selber. Daher ist es mit der EFSF vorbei, es sei denn, Merkel und Deutschland lassen sich erpressen. Ich glaube nicht, dass dies passieren wird.

Die Folge wird sein, dass die EZB nun große Mengen von italienischen und spanischen Staatsanleihen aufkaufen muss – eben die Anleihen, welche dieser Länder auf dem offenen Markt schon nicht mehr verkaufen können. Darüber gingen am vergangenen Freitag bereits die Gerüchte um, was zu einem Rückfall von 50 Punkten im Dow Jones-Index führte. Jüngsten Berichten zufolge soll die EZB bereits erhebliche Mengen zukaufen. Wenn die EZB jetzt von "dysfunktionalen Märkten" spricht, so handelt es sich um ein Wiederkäuen eines allzu vertrauten Szenarios von 2008-2009. Nichts hat sich geändert. Dieselben Schulden werden versteckt, dieselben Banken sollen gerettet werden, dieselben Forderungen nach noch mehr Sparmaßnahmen. So heißt es bei MarketWatch:

Frank Engels, der Asset Allocation Strategy-Leiter bei Barclays Capital, sagte in einer Telefonkonferenz am Sonntag, dass Ankündigungen weiterer Sparmaßnahmen von Italien und Spanien und möglicherweise von Frankreich benötigt werden, um die Stimmung der Anleger in Bezug auf Europa zu stabilisieren.

Welche „Vermögenswerte“ bekommt die EZB als Pfand?

Meine Frage ist, wie die EZB nun ihre Kaufaktivitäten beschleunigen und vorantreiben will, wo es sich de facto nicht mehr um kurzfristige Kredite und Liquiditätsüberbrückungen handelt, sondern um einen Ersatz für die ausgefallene EFSF, wobei es ja um die langfristige Übertragung privater Bankschulden an die öffentliche Schatulle (d.h. die EZB) geht?

Die EZB ist bekanntlich nicht an eine bestimmte Nation, deren Staatsschatz oder deren Steuersystem gebunden. Die EZB arbeitet derart, dass Regierungen oder in jüngerer Zeit die Banken (über ihre jeweilige Zentralbank) "Vermögenswerte" in der EZB deponieren, wofür die EZB wiederum Euros emittiert. Das Konzept ist natürlich, dass die EZB Euros immer gegen hochwertige Vermögenswerte emittieren soll. Durch die Regelung des Depotstandes steuert die EZB den Euro-Bargeldbestand. Und da dies alles auf kurze Sicht erfolgen sollte (im wesentlichen Repo-Arrangements, also Rückkaufgeschäfte, wo Vermögenswerte von der Bank unter der Vereinbarung "gekauft" werden, sie zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zurück zu verkaufen), handelt es sich hierbei nicht um eine "Rettung" [Bail-out], da die Vermögenswerte ja durch die Bank zurückgekauft werden, die sie ursprünglich bei der EZB deponiert hatte.

So war es einmal konzipiert. Aber es ist leicht zu sehen, dass es lediglich der Verlängerung eines Repo-Geschäfts durch ein weiteres bedarf, um auf diese Weise die "Vermögenswerte" in der EZB zu belassen und der Bank oder der Nation, die sie dort deponiert hat, eine Permanenz-"Rettung" zu ermöglichen.

Ich vermute, dass sich dieser Usus jetzt noch erheblich ausweiten wird. Die EZB wird sagen, dass eine Erweiterung nur von vorübergehender Dauer sein wird, solange die Märkte sich "dysfunktional" verhalten. Aber das ist eine bewusste Lüge, denn die Märkte sind in Wirklichkeit nicht dysfunktional, sie reagieren vielmehr aus Sorge, dass die europäischen Banken künftighin beim Verstecken und Abdecken ihrer Schulden nicht mehr von ihren jeweiligen Staaten geschützt werden.

Auch Großbritannien könnte zum Handkuss kommen

Ein interessantes Detail am Rande. Großbritannien ist an der EFSF nicht beteiligt. Die britische Regierung hat diese Tatsache immer wieder groß herausgestrichen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass Europa seine eigenen Probleme lösen müsse und dass Großbritannien nicht dafür einzutreten habe. Dabei ist Großbritannien aber ein Mitglied der EZB! Hier die drei größten Finanzierer der EZB im Vergleich zu GB:

Bank

% Kapital

Voll eingezahlt

 

 

 

Deutsche Bundesbank

18,9373

1,406,533,694.10

Banque de France

14,2212

1,056,253,899.48

Banca d'Italia

12,4966

928,162,354.81

Bank of England

14,5172

58,580,453.65

Die Zahlen der Bank of England trügen. Die BoE "besitzt" nämlich einen ebenso großen Anteil an der EZB wie Frankreich. Fast so groß wie jener Deutschlands. Aber der tatsächlich einbezahlte Betrag erscheint viel geringer. Das rührt daher, dass Nicht-Euro-Mitglieder wie Großbritannien das Privileg besitzen, ihren Anteil nicht in voller Höhe einbezahlen zu müssen.

ABER … Ich frage mich, ob die BoE nicht im Rahmen von Notmaßnahmen sehr wohl veranlasst werden kann, neben der Bundesbank und der Banque de France für Verbindlichkeiten einzustehen (vor allem dann, wenn das immer stärker werdende Gerücht von einer Herabstufung Frankreichs dies erfordern sollte) und ihren Anteil in voller Höhe einzubezahlen?

Junk-Anleihen als Sicherheiten

Wenn dieser Fall eintreten sollte – und das ist zunächst reine Spekulation – mit welchen Vermögenswerten würde diese Einbezahlung erfolgen?

Es ist offensichtlich, dass das zunehmende "Verleihen" an Italien und seine Banken die EZB dazu zwingt, neue große Depots von Vermögenswerten in ihre Tresore herein zubekommen, um auf diese Weise Deckung für die verliehenen Euros zu schaffen. Aber welche wertlosen Junk-Anleihen können Italien oder Spanien schon anbieten? Ihre eigene Kreditfähigkeit ist bereits angeschlagen und die Schulden ihrer Privatbanken sind ein Problem erster Ordnung. Die EZB wird dennoch ihre Junk-Anleihen akzeptieren, wie sie es bereits seit Monaten im Falle von Griechenland und Portugal getan hatte. Aber je länger sie dies tut, umso mehr setzt sie ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Ab einem gewissen Punkt wird die EZB über echte Sicherheiten verfügen müssen. Wenn ihr als einziger Ausweg der Bittgang nach Deutschland und Frankreich verbleibt, dann steht sie letztlich vor dem gleichen Problem wie heute die EFSF.

Ich frage mich, was die BoE mit dem Riesenhaufen von Hunderten von Milliarden an US-Schulden anfangen wird, den die BoE in den letzten zwei Jahren aufgekauft hat.

Letzte Hoffnungen werden belehnt

Die BoE konnte diese Hunderten von Milliarden an US-Schulden bzw. Staatsanleihen bisher in ihren Büchern als AAA-Vermögenswerte bewerten. Könnte sie diese für eine Weile der EZB zur Verfügung stellen? Sie sehen, worauf ich hinaus will. Es sieht danach aus, dass wir uns auf jener letzten Stufe befinden, wo ein "Kreditgeber der letzten Hoffnung" (die EZB) über die Schuldscheine eines anderen "Kreditgebers der letzten Hoffnung" (die USA) seine eigene Zahlungsfähigkeit stützen muss.

Wir sind jedenfalls wieder nahe am Rand der Klippe und das Kriminelle dabei besteht darin, dass die Probleme, die wir heute haben die gleichen sind, die wir bereits vor drei Jahren hatten, nur dass sie heute viel größer und schmerzhafter sind, indem wir in den vergangenen drei Jahren noch viel mehr Schulden aufgehäuft und öffentliche Gelder transferiert haben, um damit private Schulden zu begleichen.

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