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24. April 2012 / 17:38 Uhr

Wie Europas Gerichte die Meinungsfreiheit verfolgen

In zahlreichen europäischen Staaten gelten Gesetze, die die Meinungsfreiheit beschneiden. In Österreich wurde jüngst eine heftige Debatte um das sogenannten "Terrorgesetz" geführt, das auch den Tatsbestand der Verhetzung neu regelt. Besonders problematisch. Der Verhetzung kann sich auch schuldig machen, wer lediglich die Wahrheit sagt, sofern sich bestimmte Gruppen von dieser Wahrheit beleidigt fühlen. Besonders häufig wird von derartigen Gesetzen Gebrauch gemacht, wenn sich Muslime angegriffen fühlen. In Dänemark ist ein derartiger Fall nun mit einem halbherzigen Freispruch zu Ende gegangen. Soeren Kern hat das Urteil zum Anlass für eine Zusammenfassung ähnlicher Verfahren genommen und die Bestandsaufnahme auf der Seite des Gatestone Institute veröffentlicht. Hier die Übersetzung seines Beitrags.

Europa verfolgt die Meinungsfreiheit durch das Strafgericht

Lars Hedegaard, der Vorsitzende der dänischen Free Press Society, wurde vom dänischen Obersten Gerichtshof vom Vorwurf der "Verhetzung" wegen kritischer Bemerkungen, die er über den Islam gemacht hatte, freigesprochen. Das Urteil stellt jedoch nur einen Teilsieg für die Redefreiheit in Europa dar, wo die freie Meinungsäußerung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Islam, aus Gründen der "Political Correctness" bereits in vehementem Maße eingeschränkt ist.

Der Freispruch von Hedegaard erfolgte übrigens aus reinen Formalgründen; in seinem Urteil hob der Oberste Gerichtshof hervor, dass der grundlegende Vorwurf, der Hedegaard gemacht wurde – nämlich die öffentliche Kritik am Islam -, nach wie vor ein Verbrechen darstellt, das mit Gefängnisstrafe bedroht ist.

Unbeliebte Fakten öffentlich geäußert

 

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Meinungsfreiheit gibt es nur dort, wo Muslime sich nicht beleidigt fühlen.
Foto: k_donovan11 / Wikimedia (CC BY 2.0)

Hedegaards Auseinandersetzung mit der Justiz begann im Dezember 2009, als er in einer Interviewaufzeichnung erklärte, dass es in Gebieten, die von muslimischer Kultur dominiert werden, eine hohe Anzahl von Kindesvergewaltigungen und häuslicher Gewalt gäbe. Obwohl Hedegaard klar äußerte, dass er nicht alle Muslime oder auch nur die Mehrheit der Muslime solcher Verbrechen beschuldige, zeigte sich die dänische Gedankenpolizei ob seiner Dreistigkeit erzürnt. Die dänische Staatsanwaltschaft erklärte, dass Hedegaard sich der Verletzung von § 266b des dänischen Strafgesetzbuches schuldig gemacht habe, ein Gummiparagraf, der von der linken Elite Dänemarks eingeführt worden war, um einen politisch korrekten Codex für Meinungsäußerungen zu erzwingen. Der berüchtigte Paragraph 266b lautet:

Wer öffentlich oder mit der Absicht, diese öffentlich zu verbreiten, eine Erklärung abgibt oder sich in anderer Form äußert, wodurch eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, nationaler oder ethnischer Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung bedroht, beleidigt oder herabgewürdigt wird, wird mit einer Geldstrafe oder Haft bis zu zwei Jahren bestraft.

Im Januar 2011 hatte ein dänisches Gericht erster Instanz Hedegaard von allen Vorwürfen freigesprochen. Da die Staatsanwaltschaft Berufung einlegte, kam es zu einer Verhandlung vor einem oberinstanzlichen Gericht, die im Mai 2011 mit einem Schuldspruch endete: Hedegaard hätte Verhetzung im Sinne des § 266b begangen, weil er "hätte wissen müssen", dass seine Aussagen über Vergewaltigungen im familiären Bereich von Muslimen für die öffentliche Verbreitung bestimmt waren.

Am 20. April 2012 erkannte nunmehr der dänische Oberste Gerichtshof, dass die Anklagebehörde nicht bewiesen habe, dass Hedegaard sich der Tatsache bewusst war, dass seine Äußerungen veröffentlicht würden. Obwohl Hedegaard freigesprochen wurde, fand es das Gericht für notwendig, in seinem Urteil darauf hinzuweisen, dass die Substanz seiner Aussagen, nämlich die öffentliche Kritik am Islam, sehr wohl eine Verletzung von § 266b darstelle. Trotz des Freispruchs im Falle Hedegaard hat somit der Oberste Gerichtshof im Grunde die gesetzlichen Einschränkungen der freien Meinungsäußerung in Dänemark bestätigt.

Meinungspolizei überall in Europa

Der Fall Hedegaard ähnelt aktuellen Fällen oder solchen der jüngeren Vergangenheit in Österreich, Finnland, Frankreich, Italien und den Niederlanden und zeigt, wie im zunehmenden Maße die Justiz als Waffe eingesetzt wird (im Englischen spricht man von 'lawfare'): Es geht um die maliziöse Instrumentalisierung von europäischen Gerichten, um die öffentliche Diskussion über das wachsende Problem der muslimischen Einwanderung zum Schweigen zu bringen.

Susanne Winter

Susanne Winter

Susanne Winter wurde wegen ihrer Islamkritik verurteilt.
Foto: Marcel Seeman

In Österreich etwa hatte ein Berufungsgericht im Dezember 2011 das Urteil bestätigt, das aus Gründen der Political Correctness Elisabeth Sabaditsch-Wolff, eine Wiener Hausfrau und Anti-Jihad-Aktivistin, wegen "Herabsetzung religiöser Lehren" schuldig sprach, weil sie eine Reihe von Seminaren über die Gefahren des radikalen Islam abgehalten hatte. Das Urteil zeigte, dass es im postmodernen multikulturellen Österreich sehr wohl möglich ist, das Judentum und Christentum ungestraft zu verunglimpfen, jedoch auf Wahrheit beruhende Aussagen über den Islam eine sofortige und heftige strafrechtliche Sanktion nach sich ziehen.

Auch Susanne Winter, eine österreichische Politikerin und Abgeordnete zum Nationalrat, wurde im Januar 2009 wegen des "Verbrechens" verurteilt, dass sie erklärt hatte, dass der islamische Prophet Mohammed "im heutigen System" als "Kinderschänder" anzusehen sei. Sie bezog sich dabei auf die Ehe Mohammed mit der neunjährigen Aisha. Winter wurde auch wegen "Verhetzung" verurteilt, da sie von einem "islamischen Einwanderungs-Tsunami" sprach, dem Österreich ausgesetzt sei. Winter wurde zu einer Geldstrafe von 24.000 Euro und einer bedingten dreimonatigen Haftstrafe verurteilt.

Kritik am Islam verboten?

In Dänemark wurde der Politiker und Parlamentsabgeordneter Jesper Langballe der Verhetzung für schuldig befunden, da er im Dezember 2010 gesagt hatte, dass in muslimischen Familien Ehrenmorde und sexueller Missbrauch stattfinden. Langballe wurde keine Gelegenheit gegeben, seine Behauptungen zu beweisen, da es nach dänischem Recht unerheblich ist, ob eine Aussage wahr oder falsch ist. Für eine Verurteilung ist es hinreichend, wenn jemand sich beleidigt fühlen könnte. Langballe wurde kurzerhand zu einer Geldstrafe von 5.000 dänischen Kronen oder ersatzweise zu zehn Tagen Haftstrafe verurteilt.

Houellebecq

Houellebecq

Houellebecq stand wegen Koran-Kritik vor dem Richter.
Foto: Mariusz Kubik, www.mariuszkubik.pl / Wikimedia

In Finnland wurde Jussi Kristian Halla-aho, ein Politiker und bekannter politischer Kommentator, im März 2009 wegen "Verhetzung gegen eine ethnische Gruppe" und "Verletzung der Heiligkeit der Religion" vor Gericht gestellt, weil er gesagt hatte, der Islam sei eine Religion der Pädophilie. Ein Gericht in Helsinki ließ später die Blasphemie-Anklage fallen, verurteilte Halla-aho jedoch zu einer Geldstrafe von 330 Euro wegen Störung der Religionsausübung. Die finnische Staatsanwaltschaft berief jedoch gegen die Aussetzung der Blasphemie-Anklage, sodass das Urteil nunmehr an den finnischen Obersten Gerichtshof zur neuerlichen Überprüfung verwiesen wurde.

In Frankreich wurde der Schriftsteller Michel Houellebecq von islamischen Organisationen in Paris und Lyon beklagt, da er den Islam als "die dümmste Religion" bezeichnet hatte und erklärt hatte, der Koran sei "miserabel geschrieben." Vor Gericht sagte Houellebecq, dass er keine Verachtung gegenüber Muslimen fühle, sondern lediglich für die Lehre des Islam keine Wertschätzung aufbringen könne. Er wurde im Oktober 2002 freigesprochen.

Tierschutz wird zu "Rassenhass"

Brigitte Bardot, die legendäre Filmschauspielerin und Vorkämpferin für Tierrechte, wurde im Juni 2008 von einem französischen Gericht wegen "Anstiftung zum Rassenhass" verurteilt, nachdem sie verlangt hatte, dass die Muslime Schlachttiere vor der Schächtung betäuben sollten.

Chihuahua

Chihuahua

Eine französische Sängerin wollte Muslimen den Umgang mit ihrem
Chihuahua-Hündchen ersparen und wurde wegen Diskriminierung verklagt.
Foto: Tatiana Borisova / WIkimedia (CC BY-SA 3.0)

Marie Laforêt, eine der bekanntesten Sängerinnen und Schauspielerinnen Frankreichs, musste sich im Dezember 2011 vor einem Pariser Gericht wegen des Vorwurfs verantworten, dass eine von ihr getätigte Stellenanzeige Muslime diskriminieren würde. Die 72-jährige Laforêt hatte im Jahr 2009 eine Anzeige auf einer Website im Internet geschaltet, dass sie jemanden suche, der Arbeiten in ihrer Terrassenwohnung verrichten könne. In der Anzeige hieß es, dass "Menschen mit Allergien oder orthodoxe Muslime" sich nicht bewerben sollten, da sie sich "durch einen kleinen Chihuahua" beeinträchtigt fühlen könnten. Laforêt erklärte, dass sie diese Angaben nur gemacht habe, da ihr bekannt war, dass der muslimische Glauben Hunde als unreine Tiere ansehe. Der Fall wurde von einer Anti-Diskriminierung Gruppe namens MRAP (Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft) zur Anzeige gebracht. Laforêts Anwalt erklärte, dass seine Mandantin "wusste, dass die Anwesenheit eines Hundes mit den religiösen Überzeugungen von orthodoxen Muslimen nicht in Einklang zu bringen sei. Ihre Angaben erfolgten aus Respekt vor deren Religion." Von muslimischer Seite gab es hingegen ablehnende Stellungnahmen zu dieser Verteidigung.

Geert Wilders, der Chef der niederländischen Freiheitspartei, der die Bedrohung westlicher Werte durch nicht assimilierte muslimische Einwanderer zur Debatte gestellt hatte – wurde vor kurzem von fünf Vorwürfen der Anstiftung zu religiösem Hass gegen Muslime freigesprochen, wobei es um einige seiner islamkritischen Äußerungen ging. Dieses bahnbrechende Urteil beendete eine zweijährige juristische Odyssee, die in Medien und Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen hatte.

Beleidigende Karikaturen verbieten?

Ein niederländischer Karikaturist, der unter seinem Pseudonym Gregorius Nekschot (also "Nackenschuss", eine Methode, die laut dem Karikaturisten von "Faschisten und Kommunisten gerne verwendet wurde, um ihre Gegner loszuwerden") bekannt ist und sich oft kritisch gegenüber der islamischen Beschneidung von Frauen äußert und den holländischen Multikulturalismus verspottet, wurde im Mai 2008 in seinem Haus in Amsterdam verhaftet, da er Karikaturen gezeichnet hatte, die als beleidigend für Muslime bezeichnet wurden, und erst nach 30 Stunden Verhör durch niederländische Polizeibeamte wieder entlassen. Nekschot wurde wegen acht Karikaturen angeklagt, da diese "bestimmten Menschengruppen negative Eigenschaften zuschreiben" würden und als solche beleidigend seien, was ein Verbrechen der Diskriminierung und des Hasses gemäß § 137c und 137d des niederländischen Strafgesetzbuches darstelle. In einem Interview mit der niederländischen Zeitung De Volkskrant sagte Nekschot, dass dies das erste Mal in 800 Jahren der Geschichte der Satire in den Niederlanden sei, dass ein Künstler wegen solcher Vorwürfe verhaftet wurde. (Das Interview wurde später von der Website der Zeitung wieder entfernt.) Obwohl das Verfahren gegen Nekschot im September 2010 eingestellt wurde, war er gezwungen, seine Karriere als Karikaturist am 31. Dezember 2011 zu beenden.

In Italien wurde die mittlerweile verstorbene Journalistin und Autorin Oriana Fallaci vor Gericht gestellt, da sie geschrieben hatte, der Islam "bringt Hass statt Liebe und Sklaverei statt Freiheit." Im November 2002 erliess ein Richter in der Schweiz aufgrund einer Anzeige des Islamischen Zentrums von Genf einen Haftbefehl gegen Fallaci wegen Verstoßes gegen § 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuches; der Richter forderte die italienische Regierung auf, entweder eine Strafverfolgung im Land einzuleiten oder Fallaci auszuliefern. Das italienische Justizministerium lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die italienische Verfassung die Meinungsfreiheit schütze. Im Mai 2005 kam es zu einer neuerlichen Strafanzeige gegen Fallaci seitens der Union der islamischen Glaubensgemeinden in Italien (UCOII), einer Gruppe, der Verbindungen mit der Muslimbruderschaft nachgesagt werden; sie wurde beschuldigt, dass "einige der Dinge, die sie in ihrem Buch 'Die Kraft der Vernunft' geschrieben hatte, beleidigend für den Islam" seien. Fallaci wurde vor ein Gericht in Bergamo zitiert, wo ihr "Verunglimpfung des Islam" vorgehalten wurde. Fallaci verstarb jedoch wenige Monate nach Beginn ihres Prozesses im September 2006 an Krebs.

Meinungsterror trotz Freispruch untermauert

OGH Kopenhagen

OGH Kopenhagen

Das oberste Gericht Dänemraks  sprach Hedegaard frei.
Foto: Christian Bickel / Wikimedia (CC BY-SA 2.0)

Kehren wir nochmals nach Dänemark zurück. Hedegaard gab zu seinem Freispruch eine zurückhaltende Erklärung ab: "Ich freue mich, dass der Oberste Gerichtshof zu einem Urteil gelangt ist, das der Beweislage Rechnung trägt, die bereits dem Bezirksgericht und dem Obergericht bekannt war." Hedegaard stellte allerdings klar:

Das Urteil kann nicht als ein Sieg für die Meinungsfreiheit interpretiert werden. Paragraph 266b, nach dem ich angeklagt war, bleibt unverändert aufrecht. Diese Strafnorm ist eine Schande für jede zivilisierte Gesellschaft und ist eine offene Einladung, weitere frivole Strafverfahren einzuleiten… Wir haben somit nach wie vor nicht das Recht, uns auf die Wahrheit zu berufen, wenn es zu einer Anklage nach diesem Paragraphen kommt. Es gab zwar mehrere Versuche, § 266b den allgemein üblichen Gepflogenheiten der Strafrechtspflege anzupassen, doch parlamentarische Mehrheiten unter mehreren aufeinanderfolgenden Regierungen haben das regelmäßig vereitelt.

Hedegaards Schlussfolgerung:

Ich bin jedoch froh, dass mein Freispruch dazu geführt hat, dass der Oberste Gerichtshof nun zumindest eine Grenze gezogen hat, wie tief der Staat in das Privatleben seiner Bürger eindringen darf. Der Oberste Gerichtshof hat eindeutig den Grundsatz bestätigt, dass eine Äußerung nur dann strafbar sein kann, wenn sie in der Absicht getätitgt wurde, sie öffentlich zu verbreiten. Wir dürfen also in unseren eigenen vier Wänden immer noch frei sprechen.

Einschränkend fügte er hinzu:

Meine persönliche Reaktion nach diesem mehr als zwei Jahre andauernden anstrengenden Prozess ist die, dass ich ab nun von Leuten, die mit mir sprechen wollen, schriftliche Garantien verlangen werde. Mit ihrer Unterschrift müssen sie mir bestätigen, dass nichts ohne meine ausdrückliche Zustimmung und ohne daß ich es kontrollieren konnte, weitergegeben wird. Das gilt auch für Journalisten. Ich würde jedem raten, dasselbe zu tun, da wir ja nun alle wissen, dass der Staatsanwalt ständig auf der Lauer liegt.

Soeren Kern is Senior Fellow für Europäische Politik an der in Madrid ansässigen Grupo de Estudios Estratégicos / Strategic Studies Group. Folgen Sie ihm auf Facebook.

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