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2. Juni 2012 / 12:39 Uhr

Miese Medien-Methoden: Der Standard

Österreichs Medien berichten seit knapp zwei Wochen intensiv über die Stiftungs-Causa Meschar. Die 90-jährige Frau erhebt – betreut von einem beachtlichen und vermutlich nicht billigen – Beraterstab immer neue Vorwürfe gegen den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf. Der weist die Vorwürfe zurück. Sie würden nicht zutreffen, könnten auch anhand von Unterlagen widerlegt werden. Doch daran haben die Journalisten dieses Landes kein Interesse, wenn sie ihren Lieblingsfeind jagen, zu dem Graf spätestens mit seiner Bewertung der parteipolitischen Agitation des früheren Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, geworden ist. Unzensuriert.at hat angekündigt, etwas Transparenz in die Medienlandschaft zu bringen und offenzulegen, wie Journalisten recherchieren, welche Antworten sie erhalten und was für Artikel dann daraus entstehen. Wir beginnen mit dem Standard.

Redakteurin Karin Riss wandte sich an den Pressesprecher des Dritten Nationalratspräsidenten. Sie war eine derjenigen, die von Meschars Anwalt Hofmann am 30. Mai in die Kanzlei geladen wurden, wo dieser gemeinsam mit Frau Meschar eine neue Reihe an Vorwürfen erhob. Riss richtete drei konkrete Fragen an Grafs Büro (Fehler im Original):

– Wieviel hat Frau Meschar im Jahr 2012 aus der Stiftung erhalten? Wie hoch waren die Auszahlungen bislang jährlich (ohne den von Dr. Graf erwähnten zusätzlichen Aufwänden)?
– In welchem Jahr wurde das Foto, das Herr Dr. Graf im Zib 2 Interview mit Armin Wolf hergezeigt hat, aufgenommen?
– In einem Email bestätigt Thomas Binder von der KEB, dass die Mietzahlungen vom Cafe Restaurant Graf von Ende 2007 bis Mitte 2008 „verspätet, in der falschen höhe oder gar nicht stattgefunden haben“. Herr Dr. Graf hat das bislang bestritten.

Die schriftliche Antwort fiel so aus:

Die Stiftung wurde im Jahr 2006 nach fast zwei Jahren Vorlaufzeit genau so errichtet, wie es der Auftrag von Frau Meschar war. Dies betrifft natürlich auch den Stiftungszweck. Die Bilanzen der Stiftung wurden von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer geprüft. Frau Meschar war stets in alle Entscheidungen der Stiftung nicht nur eingebunden, sondern aktiv an ihnen beteiligt.

Ihr wurden stets – zusätzlich zu einer fixen Ausschüttung – auch alle Rechnungen ersetzt, die sie der Stiftung vorgelegt hat. Das letzte Begehren auf Erstattung von Kosten (ausgenommen laufende Betriebskosten) ist im August 2011 an die Stiftung herangetragen worden und wurde wunschgemäß Anfang September erfüllt. Seit diesem Zeitpunkt haben weder Frau Meschar noch deren Rechtsanwälte Auszahlungswünsche geäußert, wiewohl der Vorstand selbstverständlich bereit ist, weiterhin Zahlungen an Frau Meschar zu leisten. Die Erträge der Stiftung fließen Frau Meschar dann zu, wenn die Geschäftsjahre 2010 und 2011 geprüft sind. Wie mittlerweile bekannt ist, ist diese Prüfung durch einen routinemäßig neu bestellten Wirtschaftsprüfer derzeit im Gange. Der Stiftungszweck – nämlich die Unterstützung der Lebensführung von Frau Meschar – wird seit Beginn der Gründung erfüllt. Der Vorstand wird daher alle Vorwürfe – aus welchen Gründen sie nun auch erhoben werden mögen – vor dem zuständigen Gericht entkräften bzw. hat dies schon getan. Der neu bestellte Wirtschaftsprüfer wird nun das Gebaren der Stiftung prüfen und ein Gutachten erstellen, auf dessen Basis das Gericht zu einer Entscheidung kommen wird.

Zu den Mietzahlungen: Die Stiftung war von Ende 2007 bis Mitte 2008 nicht Eigentümerin der Hausanteile.

Zum Foto: Der Zeitpunkt der Aufnahme ist nicht erinnerlich. Frau Meschar war stets zu allen Feiern im Haus der Familie Graf eingeladen und häufig zu Gast, des Öfteren auch bei Feiern, die im Restaurant Graf stattgefunden haben – sowohl vor als auch nach dem Erwerb dieser Immobilie durch die Stiftung.

Im Standard-Artikel fand sich von Grafs Stellungnahme ein einiger Satz, der da lautet: „Die Erträge der Stiftung fließen Frau Meschar dann zu, wenn die Geschäftsjahre 2010 und 2011 geprüft sind.“ Das Foto wird mit keinem Wort erwähnt, und die Behauptung, es habe Mietrückstände gegeben, wird nach wie vor erhoben, allerdings ohne genauen Zeitraum – offenbar um sich die Peinlichkeit zu ersparen, Mietrückstände gegenüber der Stiftung zu behaupten zu einem Zeitpunkt, zu dem die Stiftung gar nicht Eigentümerin des Lokals war. Dass Frau Meschar sich am Kauf der hausanteile in Döbling stieß, wird weiterhin als Tatsache präsentiert, obwohl aus Grafs Antwort hervorgeht, dass sie in alle Entscheidungen der Stiftung eingebunden war und das eingemietete Restaurant von Grafs Bruder bestens kannte.

Trotz dieser krassen Ungleichbehandlung der beiden einander widersprechenden Seiten ist der gedruckte Standard seinem Online-Bruder noch weit überlegen. Dort verzichtete die Journalistin Maria Sterkl für ihren Artikel gänzlich auf eine Kontaktaufnahme mit dem von Gertrud Meschar und ihren Beratern schwer beschuldigten Martin Graf – ein klarer Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt. Hier noch der Gesamte Artikel aus dem Print-Standard:

Die Klage der alten Dame

Gertrud Meschar ist Martin Graf schon länger nicht mehr gewogen. Einst hatte die 90-Jährige den Dritten Nationalratspräsidenten um Hilfe bei der Anlage ihres Geldes gebeten, heute will sie ihn als Stiftungsrat schnell wieder loswerden.

Wien – Anfangs ist die alte Dame etwas nervös. Da schweifen ihre Augen mitten im Satz in die Weite, auf der Suche nach der Erinnerung. Da fehlen ihr mitunter die richtigen Worte, um präzise auf die Fragen der Journalisten zu antworten. Manchmal hört sie auch schlecht. Schließlich ist sie bereits 90 – und bis Mittwochvormittag hatte sie mit Pressegesprächen noch keinerlei Erfahrungen.

Wirr scheint Gertrud Meschar bei ihrer „Premiere“ im Büro von Anwalt Alexander Hoffmann aber nicht. Früher beschäftigte sie sich viel mit Zahlen, als Buchhalterin in zwei großen Betrieben. Später schwenkte sie um und wurde in einer anderen Firma Abteilungsleiterin für den Bereich Pflanzenschutz. Und jetzt, im hohen Alter, muss sie sich mit der Politik herumschlagen. Die hat sie immer schon interessiert, aus ihren Sympathien für das blaue Lager macht sie kein Geheimnis. Diesmal ist der Anlassfall für ihr Interesse aber ein denkbar schlechter: Für Frau Meschar heißt die personifizierte Politik derzeit Martin Graf. Und von dem hält die Dame mit den grauweiß gelockten Haaren, den altersgefleckten Armen und dem schwarzen Gehstock gelinde gesagt wenig.

„Unglückseliges“ Treffen

Denn der FPÖ-Mann ist nicht nur Dritter Nationalratspräsident und Mitglied der schlagenden Burschenschaft Olympia, sondern auch Vorstand der Gertrud Meschar Privatstiftung. Derzeit gegen den Willen der Stifterin. Und das kam laut Meschar so: „Ich war bei einer Versammlung (zu Verkehrsangelegenheiten im Bezirk Donaustadt; Anm.) und bin mit ihm ins Gespräch gekommen.“ Bei einem Wiedersehen in der örtlichen Trafik habe eine Bekannte ihr „unglückseligerweise“ geraten, dass sie ihr Erspartes (75.000 Euro bei Stiftungserrichtung im Jahr 2006) plus zwei Grundstücke in Wien doch in einer Stiftung anlegen und Graf dafür um Rat fragen solle.

Was danach geschah, beschreibt die alte Dame detailliert: „Ich bekomme im Jahr 5000 Euro an Zuwendungen, auf zweimal verteilt.“ Heuer hat sie noch gar nichts bekommen, ihre Pension beträgt 1250 Euro netto. Bei Graf klang das im TV-Interview vor kurzem noch ganz anders: Derzeit erhalte Frau Meschar „zehn- bis zwölftausend Euro“, sagte Graf da. Auf Anfrage des Standard geht er am Mittwoch auf keine konkrete Summe ein und lässt schriftlich ausrichten: „Die Erträge der Stiftung fließen Frau Meschar dann zu, wenn die Geschäftsjahre 2010 und 2011 geprüft sind.“

Das kann noch dauern, denn eben erst wurde ein neuer Stiftungsprüfer bestellt. Bislang übernahm die Prüfung die Kanzlei PWK, die denselben Eigentümern gehört wie jene Kanzlei, die die Bilanzen erstellt. Überhaupt besticht die Stiftung durch eine interessante Zusammensetzung: Alle Vorstände sind FPÖ-Funktionäre, auch der Notar ist ein Abgeordneter der FPÖ. Frau Meschar fühlt sich von ihnen „überrumpelt“. Anders als Graf gibt sie an, niemals habe sie den Stiftungsvertrag zu lesen bekommen, der unter anderem unwiderruflich ist und mit „Verlust der Begünstigung“ droht, sollte die Stiftung angefochten werden.

Für Frau Meschar fingen die „Zwistigkeiten“ richtig an, als die Stiftung eines ihrer Grundstücke ver- und ein Haus in Döbling gekauft hat. Darin befindet sich das Gasthaus von Martin Grafs Bruder sowie sein Haus-und-Hof-Verlag unzensuriert.at. Ihr Anwalt legt ein Schreiben vor, in dem die Hausverwaltung von Zahlungsrückständen des Gastronomen berichtet. Für den Kauf wurde ein Kredit aufgenommen, dessen Abbezahlung Frau Meschar kaum erleben wird. Die vorläufige Bilanz 2010: 60.000 Euro Defizit plus ein offenes Darlehen über 159.000 Euro. Was laut Hoffmann dem Stiftungszweck widerspricht. Der beinhaltet neben Mitteln für Wissenschaft und Forschung und einem schönen Begräbnis nämlich auch Meschars Unterstützung zu Lebzeiten.

Gespräche gescheitert

Frau Meschar geht nun gerichtlich gegen Graf vor. Ihr Anwalt betrachtet die Vergleichsgespräche „als gescheitert“. Auch politisch gerät Graf unter Druck: Die ÖVP will die Verhandlungen über die Abwahl von Nationalratspräsidenten „zügig“ vorantreiben. Gertrud Meschar „geht’s nur darum, dass ich zu meinem Recht komme. Aber einen Denkzettel sollte er schon bekommen.“ Heute würde sie sich „besser informieren“ und ein Testament abschließen.

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