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14. Mai 2010 / 22:38 Uhr

Kasachstan: Von Stalins Völkerkerker zum begehrten Handelspartner

Kasachstan FlaggeBis 2007 war Kasachstan den meisten Österreichern relativ unbekannt. Erst durch die Affäre um Rakhat Aliyev, den ehemaligen kasachischen Botschafter in Österreich, deren parlamentarische Aufklärung von den beiden Regierungsparteien verhindert wurde, wurde der riesige Staat in Zentralasien zu einem Begriff. Dennoch weiß kaum jemand etwas über den größten Binnenstaat der Erde. Unzensuriert.at widmet sich Kasachstan als zweitem Land nach Russland in der Serie über die ehemals kommunistisch beherrschten Länder 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Systems.

Buntes Völkergemisch als Ergebnis stalinistischer Nationalitätenpolitik

Von den 16,5 Millionen Einwohnern sind nur knapp über 50 Prozent Kasachen. Neben der starken russischen Minderheit (ca 30 Prozent) leben in Kasachstan auch Ukrainer und Deutsche sowie zahlreiche Angehörige osteuropäischer und kaukasischer Völker, die als unzuverlässige Elemente von Stalin nach Kasachstan deportiert wurden. Dazu kommen verschiedenste andere asiatische Minderheiten von Persern bis zu Koreanern. Auch wenn die Regierung kasachische Kultur und Sprache seit der Unabhängigkeit 1991 gezielt fördert, so verhält sie sich gegenüber den diversen Minderheiten sehr tolerant. Dennoch ist vor allem bei Russen und Deutschen ein starker Abwanderungstrend zu beobachten.

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Die vorherrschende Religion ist der sunnitische Islam, dessen Bedeutung seit 1991 stark zugenommen hat. Religiöse Eiferer sind allerdings selten, was zum Teil daran liegt, dass die Kasachen erst im 19. Jahrhundert vollständig islamisiert wurden und viele vorislamische Bräuche bestehen blieben. Andererseits werden bei aller Toleranz religiöse und ethnische Bestrebungen, die dem Regime nicht genehm erscheinen, unterdrückt.

Autokratie im zentralasiatischen Spannungsfeld

Nursulran Naserbajew - Präsident von KasachstanTrotz demokratischer Verfassung ist Kasachstan eine Autokratie unter dem ehemaligen KP-Funktionär Nursultan Nasarbajew (Foto: Agencia Brasil), der seit 1991 unangefochten an der Spitze des Staates steht. Seine Herrschaft ist von dem Bemühen geprägt, die Stabilität in dem stark multiethnischen und -religiösen Staat zu bewahren. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Mischung aus Toleranz und Repression zu verstehen, die bisher größere innere Konflikte vermeiden konnte. Eine innere Opposition gibt es praktisch nicht, im Parlament ist nur die Partei Nasarbajews vertreten. 

Außenpolitisch versucht Nasarbajew die Unabhängigkeit seines Landes, das auf Grund reicher Bodenschätze und geographischer Lage von großer geostrategischer Bedeutung ist, zu bewahren. Die Beziehungen zu Russland, den USA und China sind gut, ohne dass eine dieser Großmächte bisher übermächtigen Einfluss gewinnen konnte. Auch die Europäische Union hat Kasachstan seit 2009 in den Fokus ihrer Bemühungen gerückt, vermehrten Einfluss in Zentralasien zu gewinnen.

Zwischen Rohstoffreichtum, Korruption und schwerem ökologischen Erbe

Der immense Rohstoffreichtum Kasachstans ist die Basis der aufstrebenden Wirtschaft. Erdöl, Erdgas, Uran, Steinkohle und verschiedenste Metalle werden in großem Ausmaß abgebaut und bilden drei Viertel des kasachischen Exportvolumens. Größtenteils noch aus Sowjetzeiten stammt die Schwerindustrie; der gigantische Industriekomplex Karaganda, der zum großen Teil von Gulag-Häftlingen errichtet wurde, zeugt von der wahnwitzigen Industrialisierungskampagne Stalins.

Aralsee in Kasachstan ist zu zwei Drittel ausgetrocknetEin großer Hemmschuh der Wirtschaft ist, wie in fast allen Nachfolgestaaten der UdSSR, die grassierende Korruption. Viele wichtige Funktionen in Staat und Wirtschaft sind mit Verwandten Nasarbajews besetzt, und Kasachstan zählt zu den korruptesten Ländern Asiens.

Ein weiteres schweres Erbe der Sowjetunion sind die zum Teil verheerenden Umweltschäden, unter denen das Land leidet. In Semipalatinsk war das größte Atomwaffentestgelände der UdSSR; fast 500 Atomwaffentests haben das Gebiet bis heute verseucht. Daneben gibt der Aralsee Zeugnis der verheerenden kommunistischen Agrarpolitik (Foto: Staecker). Da das Wasser seiner Zuläufe für Baumwollpflanzungen abgeleitet wurde, ist der See auf knapp ein Drittel seiner ursprünglichen Größe geschrumpft. Auch die heutige Rohstoffgewinnung erfolgt unter teilweise sehr umweltzerstörerischen Bedingungen.

Astana – Aussicht auf eine große Zukunft oder Zeichen eines Regimes auf Zeit?

Astana - Hauptstadt von KasachstanSeit 1994 ist Astana (Foto: Shalakazakh) die neue Hauptstadt Kasachstans; in kurzer Zeit wurde die kleine Stadt zu einer prachtvollen Metropole ausgebaut. Der Stil schwankt zwischen orientalischem Prunk und kommunistischer Gigantomanie. Ob die Stadt eine prächtige Zukunft verheißt, steht aber in den Sternen. Weiterhin sind die Begehrlichkeiten der Nachbarn auf das rohstoffreiche aber dünn besiedelte Kasachstan gerichtet. Bisher konnte Nasarbajew sowohl das explosive ethnische und religiöse Gemisch unter Kontrolle halten, als auch die Einflussnahme der großen Mächte begrenzen. Trotz der Umweltzerstörung ist zurzeit auch die Nahrungsversorgung Kasachstans aus eigener Produktion gesichert. Die Gier nach Rohstoffen und eine unruhige, multipolare Welt werden für den riesigen Steppenstaat sicher weiterhin eine Herausforderung bedeuten.

 

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