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6. Juli 2012 / 10:07 Uhr

Hankel: Euro-Crash könnte Befreiungsschlag sein

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) polarisiert derzeit wie kein anderes Thema in der Politik. Die Regierungen bezeichnen ihn als einzige Lösung und "Brandlöscher". Es werden jedoch immer mehr Stimmen laut, die den ESM als Schuldenmechanismus und Ende der Demokratie sehen. So auch der renommierte deutsche Wirtschaftswissenschafter und Währungsexperte Wilhelm Hankel, der auf Einladung der FPÖ am öffentlichen Expertenhearing im Nationalrat teilgenommen hat. Im Unzensuriert-Interview erklärt Hankel, welche Fehler die EU mit dem ESM begeht und warum Europa jetzt zurück zu nationalen Währungen finden muss.

Was bedeutet der ESM für die Euroländer?
Hankel: Er bedeutet den Einstieg in einen Europastaat, der unter den harmlosen Titel "Wir wollen ja nur die Budgets korrigieren" daherkommt. Doch die Budgets sind nicht nur historisch das Herzstück der Demokratie, sie sind bis heute der Herzmuskel der Demokratie. Der Bürger muss entscheiden können, wie viel Steuern er zahlt, wofür und für wen, das ist und bleibt Demokratie und das kann man nicht nach Brüssel delegieren, denn dort sitzen Politiker, die nicht gewählt sind.

Was sind denn die Hauptfehler in der Konstruktion von ESM und Fiskalpakt?
Hankel: Es gibt zwei Hauptfehler. Es ist einmal die Entdemokratisierung, denn Demokratie kann nur in der eigenen Nation, zuhause sozusagen, praktiziert werden. Das kann man nicht vergemeinschaften. Zum Zweiten ist es die Aufhebung der nationalen Volkswirtschaften und ihrer Währungen. Einer der größten Ökonomen, ein Österreicher übrigens, Joseph Schumpeter, beginnt sein Buch mit dem Satz: "In der Währung zeigt sich alles, was in einem Volk wichtig ist, was ein Volk treibt und was ein Volk ist." Und das kann man nicht einfach auslöschen und durch ein europäisches Modell ersetzen das ohnehin am Reißbrett entworfen ist.

Das heißt, der Plan der EU, die europäische Einigung über die Währungsunion durchzuzuführen ist ein teurer?
Hankel: Ich würde sogar sagen es ist ein politischer Trick, um das zu umgehen was man zurecht fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, nämlich das Volk. Es ist der Plan, am Volk vorbei eine politische Union aufzubauen.

Würde die Euro-Welt zusammenbrechen, wenn man den ESM und den Fiskalpakt nicht sofort beschließen würde?
Hankel: Sie würde zusammenbrechen, aber vielleicht würde das ein Befreiungsschlag sein. Ich habe den Abgeordneten hier das Beispiel Island verdeutlicht. Alle Probleme, die auf Europa zukommen, alles was in Europa passieren kann und wird, ist bereits nach 2008 in Island passiert. Diese kleine Volkswirtschaft am Rande Europas hat einen Totalzusammenbruch aller Banken erlebt und in Folge dessen auch kurzfristig eine massive Zunahme der Arbeitslosigkeit. Dieses Land, weil es nicht im Euro ist und keine EU-Empfehlungen umsetzt, hat sich selbst saniert. Island steht heute mit 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum eigentlich besser da als jedes EU-Land. Auch die Anleihen Islands werden mit BBB wieder gehandelt, es hat also keineswegs seinen Kredit am Kapitalmarkt verloren, wie viele vorausgesagt haben. Was haben die Isländer gemacht? Sie haben die klassische Sanierung betrieben: Zuerst ließen sie ihre Banken in Konkurs gehen, dadurch war mal ein Großteil der Schulden weg. Sie haben die Sparer, sofern sie Isländer waren, voll aus dem Budget befriedigt. Sie haben die ausländischen Einleger zum Haircut gezwungen. Sie haben ihre Währung abgewertet, zuerst um 90 Prozent und dann wieder um 50 Prozent aufgewertet. Mit diesen Eckdaten sind sie 2009 in eine neue Island-Kronen-Rechnung gegangen und die Rechnung geht auf.

Das funktioniert aber nur außerhalb des Euro.
Hankel: Es kann nur außerhalb des Euros funktionieren, weil der Euro ja diese nationalen Hilfsmitteln, diese nationalen Strategien, unmöglich macht. Im Euro kann beispielsweise keiner abwerten. Man kann nicht den griechischen Euro zum deutschen Euro abwerten. Innerhalb des Euros kann keiner seinen Zins selbst bestimmen, das heißt er ist völlig angewiesen auf die Gemeinschaftsinstrumente, die in seinem Fall nicht greifen. Und er kann vor allen Dingen keinen Konkurs anmelden, auch das verbieten die Regeln der Währungsunion, übrigens meines Erachtens zu Unrecht. Warum soll nicht ein Land innerhalb der Eurozone Bankenkonkurse und Staatskonkurs zulassen? Aber das verbietet man ihnen auch in der Eurozone, sodass die Eurozone alles getan hat, um die Länder, die sich selbst helfen wollten, hinauszutreiben. Den Griechen wird irgendwann das isländische Beispiel einleuchten.

Lesen Sie morgen: Wilhelm Hankel zu Banken und Finanztransaktionssteuer

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