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18. Juli 2012 / 11:11 Uhr

ÖBB fährt Fahrgäste hin, die Westbahn bringt sie zurück

Eine typisch österreichische Lösung ist nicht immer ein kluger Kompromiss, sondern kann mitunter auch ein Schildbürgerstreich sein. Dieser wurde jetzt in Niederösterreich amtlich: Denn im neu errichteten Bahnhof Tullnerfeld halten die Züge der ÖBB nur in Fahrtrichtung Salzburg, die Züge der Westbahn nur in Fahrtrichtung Wien.

Bahnfahren auf der Westbahnstrecke wird also auch zum Intelligenztest. Wer am neuen Bahnhof Tullnerfeld zwischen Wien und St. Pölten aussteigen will, muss sich je nach Fahrtrichtung gut überlegen, ob er in einen Zug der ÖBB oder der Westbahn einsteigt. Denn Richtung Westen hält die ÖBB in Tullnerfeld, Richtung Osten die private Westbahn. Die Lösung entstand, da sich die ÖBB anfangs geweigert hatte, den Bahnhof Tullnerfeld mit schnellen Zügen anzufahren. Nach Verhandlungen mit Verkehrslandesrat Karl Wilfing (ÖVP) kam der Kompromiss heraus, dass sich ÖBB und Westbahn nun den Pendlerkuchen aufteilen.

Ein Retorten-Bahnhof um 20 Millionen Euro

Fahrgastfreundlich ist diese Lösung aus Absurdistan zwar nicht, doch Hauptsache Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) konnten in einer gemeinsamen Pressekonferenz verkünden, dass auch schnelle Züge in dem Bahnhof stehen bleiben werden. Den Retorten-Bahnhof im Tullnerfeld, der 20 Millionen Euro verschlang, haben Pröll und Bures mitten ins Nirgendwo gestellt. Rundherum ist nichts, was leistungsfähige Zubringer erfordert. Und diese kosten wieder viel Geld.

Weil der eine – die ÖBB – nur Richtung Salzburg im Tullnerfeld hält, und der andere – die Westbahn – nur Richtung Wien stehen bleibt, befürchtet der ÖBB-Chef Christian Kern trotzdem keine Verwirrung bei den Tickets. Pendler, die im Rahmen des Verkehrsverbunds Ostregion (VOR) etwa eine Monatskarte kaufen würden, könnten ohnehin beide Bahnen benützen. Kern räumt aber ein, dass es bei einer Gruppe der Fahrgäste Probleme gibt: Bei Inhabern der Österreich-Card der ÖBB, die nicht für die Westbahn gilt. Nach einer Lösung werde aber gesucht, so Kern bei der Pressekonferenz. Die Jahreskarte der ÖBB ist für Pendler, die diese Strecke zwischen Wien und Tullnerfeld fahren, aber ebenso sinnlos wie ein Hin-und Retour-Ticket. Das ist bereits für Einheimische ziemlich kompliziert, aber gerade noch durchschaubar. Doch ausländische Reisende, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, können einem schon heute leid tun.

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