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2. November 2011 / 16:17 Uhr

Wachstum durch Sparkurs? Auch Irland vor der Pleite

Auch Irland geriet in den Strudel der Finanzkrise und musste wie Griechenland und Portugal von den EU-Partnern gerettet werden. Doch in Irland, so hieß es, habe es sich nicht um ein strukturelles Problem der zu schwachen Wirtschaft gehandelt, sondern um die Exzesse der wild spekulierenden Banken, die den irischen Staatshaushalt versenkt haben. Seither ist es ruhig geworden um die grüne Insel, die zuletzt einen Dichter zum neuen Präsidenten gewählt hat. Doch die neuesten Erkenntnisse des britischen Finanzbloggers David Malone auf Golem XIV lassen erwarten, dass es sich nur um eine Rue vor dem Sturm handelt, denn auch den Iren könnte schon bald die Zahlungsunfähigkeit bevorstehen. Unzensuriert.at bringt die Übersetzung seines Kommentars. Hier geht es zum englischen Original.

Wachstum durch Sparsamkeit – Neues aus Irland

David Malone

David Malone

David Malone
Foto: www.debtgeneration.org

Letzte Woche wurde ich während der Vincent Browne Show im irischen Fernsehen von Herrn Brian Hayes, dem Staatsminister für öffentliche Arbeiten und die Reform des öffentlichen Sektors belehrt, dass sich die Dinge in Irland zum Besseren wenden. Der Sparkurs der Regierung würde Erfolge verzeichnen. Gegen Ende der Show forderte der Gastgeber, Vincent Browne, den Minister auf zu sagen, worin genau diese Verbesserungen bestünden. Browne schlug vor, Irland mit Island zu vergleichen und fragte den Minister, ob er denn wüsste, wie hoch die Arbeitslosenquote in Island wäre. Der Minister wusste es nicht, doch Browne konnte ihm mit Zahlen aushelfen. Die Arbeitslosigkeit in Island beträgt 7%, während sie in Irland bei etwa 14% liegt. Der Minister war blamiert.

Ich hatte von anderer Seite erfahren, und zwar nicht von einem Minister, sondern von einem Banker, dass die irische Regierung einen Plan verfolgte, wie verschiedene Minister es ihm erklärt hätten, nämlich – ich zitiere: "Es den Märkten zu beweisen, dass Irland das beste Land unter den schlechten ist." Nach Erreichen dieser schwindelerregenden Höhe sollte es aber noch weitergehen: "Ihr Plan ist es danach, das schlechteste Land unter den besten zu werden." Während ich ihm so zuhörte, erinnerte ich mich an die "Best of the Best of the Best"-Szene in dem Film "Men in Black".

Von Geheimdokumenten und Luxustagungen

Wie genau sieht also dieser Plan "Wachstum durch Sparkurs" aus, der Irland verordnet wurde, also einem Land, das sich gerne als Aushängeschild für Austeritätspolitik sehen will? Das Problem für einen Außenseiter ist dabei, dass man schwer etwas kommentieren kann, weil man nicht Zugriff zu den Daten hat, über die die Regierung verfügt, und dass somit immer gekontert werden kann, man sei mangelhaft oder falsch informiert… Doch dann gelangte ein interessantes Dokument in meine Hände.

Letzte Woche hatte der Weltwährungsfonds wieder einmal eine Tagung in Dublin, wo man sich mit den Größen der ECFIN (Directorate-General for Economic and Financial Affairs) traf und im gewohnten Luxus-Hotel abstieg. Warum diejenigen, die für eine Sparpolitik eintreten, es als notwendig erachten, in einem Hotel abzusteigen, wo die Weinkarte dicker ist als die Bibel und wo eine Flasche Wein schon mal 1790 Euro kosten kann, ist mir schleierhaft. Aber anscheinend glauben die Leute, sie hätten es sich verdient. Auf der Rückseite des Hotels befindet sich ein kleiner unscheinbarer Raum, zu dem man nur mittels einer speziellen Zugangskarte Einlass erhält. In seinem Inneren stehen ein paar Computer-Terminals. Es ist ein sogenanntes "gesichertes" Büro. Über einem Computer hängt in einem Rahmen ein historisches Wertpapier, das von der russischen Stadt Kazar ("Ville de Kazar") ausgestellt wurde und auf dem zwei Bezugscoupons fehlen. Ich erwähne diese Details nur, damit diejenigen, auf die sich das Dokument bezieht, das in meine Hände gelangte, sich von seiner Echtheit überzeugen können.

Bereits im März könnte die Staatskasse austrocknen

Bei dem Dokument handelt es sich um eine Beurteilung seitens der ECFIN, welche Barguthaben Irland in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen werden. Ich weiß nicht, wer im irischen Parlament dieses Dokument zu Gesicht bekommen hat. Seine zentrale Aussage ist erschütternd – zu Beginn des Monats März 2012 wird die irische Regierung nicht mehr genug Geld haben, um ihren Brutto-Finanzierungsbedarf zu decken. In März 2012 wird Irland 10,3 Milliarden Euro für die Finanzierung benötigen, aber tatsächlich nur 9,5 Mrd. Euro in der Staatskasse haben. Das Dokument macht deutlich, dass Irland trotz aller Sparmaßnahmen und aller "Verbesserungen", welche die Politik laut Staatsminister Hayes ihrem mehr oder weniger dankbaren Volk zukommen ließ, in den Staatsbankrott gerät, wenn es nicht weitere 10 Milliarden Euro aus der 5. Tranche des "Bailout", also des Rettungsplanes von IWF und EU erhält.

In dem Dokument wird dies folgendermaßen formuliert:

Dies bedeutet, dass eine rechtzeitige Bereitstellung der Rate Q1-2012 seitens EU und IWF von besonderer Bedeutung ist.

Die übrigen Teile des Dokumentes behandeln das mögliche Szenario, das eintreten könnte, wenn diese 5. Tranche infolge Prüfungsbedenken nicht rechtzeitig freigegeben würde. So trägt ein Abschnitt des Dokuments die Überschrift:

Was passiert, wenn die Zahlungen seitens EU und IWF nicht bis Ende März freigegeben werden?

und erläutert die Lage wie folgt:

Diesfalls und sofern keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, besteht die Gefahr, dass der irische Staat nicht mehr über genügend Bargeld verfügt.

Pensionskassen könnten angezapft werden

Wenn man eine solche Sorge zum Ausdruck bringt, ist dies entweder einfach ein Ausdruck der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt oder aber ein Hinweis, dass man tatsächlich ein derartiges Szenario für möglich hält. Das möge der Leser entscheiden. Das Dokument berichtet abschließend davon, welche Vermögenswerte Irland zur Verfügung stünden, welche die Regierung im Notfall benutzen könnte. Dabei ist die Rede von einer weiteren Plünderung der Pensionskasse und von einer "Liquidation weiterer Vermögenswerte".

Schließlich führt das Dokument aus, dass die irischen Wirtschaftsdaten vermutlich robust seien, seien sie doch auf der Basis von "vorsichtigen Annahmen" erstellt worden. Ich fürchte allerdings, dass diese Annahmen das nicht berücksichtigt haben, was sich gegenwärtig in Europa vor unseren Augen abspielt: ein dramatischer europaweiter Abschwung, eine Verschärfung der Kreditrichtlinien für Banken und Staaten, die wachsende Gefahr eines griechischen Staatsbankrotts, der Machtverlust Berlusconis, da seine Lügen nicht mehr halten, die Wahrheit an den Tag kommt und Italien vor dem Zusammenbruch steht, und letztlich die Erkenntnis, was in Wahrheit hinter dem gesamten "Bailout"- oder Rettungsschirm-Fiasko steht.

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