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20. Juli 2010 / 19:39 Uhr

Presseagenturen in der Medienkrise: Wenn Institutionen wackeln

1848 wurde die amerikanische Associated Press, 1850 die britische Agentur Reuters (im Bild das Hauptgebäude in London) gegründet – die beiden größten Nachrichtenagenturen der Welt. Bereits 1835 nahm die Agence France-Press ihre Tätigkeit auf, und letzten Sommer feierte die Deutsche Presse Agentur ihren 60. Geburtstag.

Auch die Austria Presse Agentur – gegründet 1849 als Österreichische Correspondenz – blickt auf eine lange Geschichte zurück. Jeder kennt ihre Kurzbezeichnungen – ap, afp, apa, dpa – in den Artikeln ihrer Kunden, den verschiedensten Medien. Doch jetzt geraten auch die Presseagenturen in den Sog der Medienkrise: Der Konkurrenzkampf wird härter und die Kunden versuchen zu sparen. Am bedrohlichsten könnte für die Institutionen aber jener Faktor werden, der sie einst groß gemacht hatte: die Geschwindigkeit.

Presseagenturen im Wettlauf mit dem Internet

Es ist Ironie der Geschichte, dass vor allem die neue Technik den Presseagenturen besonders zusetzt, denn ihre Entstehungsgeschichte ist ebenfalls eng mit einer technischen Neuerung verbunden, dem Hughes-Telegraph (Bild unten). Der Beginn des Telegraphenzeitalters ermöglichte den Aufstieg der Agenturen. Sowohl kriegerische Ereignisse als auch Börsennachrichten konnten viel schneller zuerst innerhalb eines Landes und schließlich um die ganze Welt verbreitet werden. Die Presseagenturen mit ihrem weit gestreuten Netz an Korrespondenten garantierten ihren Kunden zu Beginn einen Vorsprung von 24 Stunden.

Seit dem interaktiven Internet 2.0 kann aber jedermann jederzeit Nachrichten ins Netz stellen. Der Augenzeuge eines Flugzeugabsturzes kann diesen mit seinem Mobiltelefon filmen und sofort online stellen – innerhalb weniger Minuten ist die Nachricht weltweit abrufbar. Mit dieser Geschwindigkeit kann keine Agentur mithalten. Twitter ist der Newsticker der Internetgeneration. Ob die Nachrichten auch richtig sind, kann freilich niemand nachprüfen.

Qualität als Vorteil

Hier sehen die Agenturen ihren Vorteil: Sie garantieren ihren Kunden für den Wahrheitsgehalt. Bei jeder Meldung soll penibel auf die Quelle geachtet werden, um Pannen zu vermeiden, die die Glaubwürdigkeit – das höchste Gut der Agenturen – untergraben könnten. Die Bluewater-Affäre war für die DPA in dieser Hinsicht der Supergau. Um einen Film zu bewerben, inszenierten die Produzenten Nachrichten über einen fiktiven Selbstmordanschlag in einer kalifornischen Kleinstadt. Die DPA saß der Falschmeldung auf, die Nachricht verbreitete sich über den Deutschen Zeitungsmarkt. “Die Nachrichtenagentur dpa bedauert, auf die Fälschung hereingefallen zu sein.” Mit diesem lapidaren Satz musste die DPA ihre Niederlage eingestehen. Doch gerade der enorme Zeitdruck macht es immer schwerer, Nachrichten zu überprüfen, sodass entweder die Aktualität oder die Qualität leidet.

Breitere Palette und neuer Stil

Im Kampf um ihre Kunden haben Nachrichtenagenturen ihre Palette inzwischen stark ausgeweitet. Zu den bloßen Nachrichten kommen Hintergrundberichte und Analysen, womit die Agenturen aber ihren Kunden selbst Konkurrenz machen. Die langsamen Printmedien werben genau mit diesem Hintergrundwissen, das es dem Endkunden erst ermöglichen soll, sich ein Bild zu machen.

Die Agenturen wenden sich außerdem dem einst verpönten Boulevard zu. So bezeichnet DPA-Chef Wolfgang Büchner Klatsch und Tratsch als wichtigen Teil des Journalismus. Auch über Regionales wird verstärkt berichtet, um so Lokalblätter als Kunden zu gewinnen. Damit die Kunden die Meldungen besser direkt übernehmen können, soll auch der Stil verändert werden – weg vom trockenen Ticker zu lebendigerer Sprache.

Kosteneinsparungen und harter Konkurrenzkampf

Um die unter immer größerem finanziellen Druck stehenden Medienkunden bei der Stange zu halten, versuchen die als teuer verschrienen Agenturen ihr Angebot zu verbilligen und verschiedene Pakete anzubieten, die verstärkt an die Kundenbedürfnisse – vom internationalen Finanzblatt bis zur Lokalzeitung – angepasst sind. Dazu müssen sie aber, bei höherem Aufwand, selbst ihre Kosten reduzieren, so dass AP 2009 keine neuen Mitarbeiter einstellte. Unrentable Märkte werden aufgegeben – so zog sich AP im März aus der Schweiz zurück.

Dazu kommen neue Konkurrenten: verschiedene Internetseiten bieten ein fast ebenso breites Spektrum an Nachrichten an wie die Agenturen. Die WAZ-Gruppe kündigte 2009 die Zusammenarbeit mit der DPA und unterhält seitdem ihr eigenes Portal, CNN trennte sich von AP und will nur mehr auf eigene Nachrichten setzen. Auch verschiedene andere Medien wie die ARD und der Spiegel haben ihre Nachrichtenportale. Diese haben alle zwei große Vorteile: sie sind jedermann zugänglich und vor allem kostenlos.

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