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26. September 2010 / 15:43 Uhr

Buchtipp: Bergersdorf – Über Verführung, Verstrickung und Vertreibung

Polizisten der tschechischen Republik entdeckten erst im August 2010 auf einem Acker in der Nähe des Dorfes Bergersdorf ein Massengrab mit den Überresten deutscher Bauern, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nahe Iglau ermordet wurden. Nun, 65 Jahre nach dem Ende des Krieges, scheint eine Mauer des Schweigens in der Tschechischen Republik zusammen zu brechen – gestützt von der deutschen Autorin Herma Kennel und dem tschechischen Journalisten Miroslav Mares.

Nach Kennels Anzeige fand die Polizei die sterblichen Überreste von mindestens elf, wahrscheinlich 15 verscharrten Menschen, die von betrunkenen tschechischen Revolutionsgardisten zusammengetrieben und massakriert worden waren. Es konnte ein noch lebender Täter ausgeforscht werden, ein gewisser Robert Kautzinger, der es danach noch bis zum Mitarbeiter des tschechischen Geheimdienstes brachte. Die tschechischen Behörden ermitteln gegen ihn, und es wird sich nun zeigen, ob Recht gesprochen wird oder ob man sich abermals hinter den rassistischen Benes-Dekreten verstecken wird.

Herma Kennel - Bergersdorf - Vitalis Verlag Die traurige Geschichte der deutschen Sprachinsel um Bergersdorf hat die Autorin Herma Kennel schon 2003 zu Papier gebracht. Im Lichte der jüngsten Erkenntnis gewinnt ihr Werk zusätzliche Aktualität.

Bergersdorf, ein Ort von vielen in Böhmisch-Mähren. Die Autorin Herma Kennel erzählt die tragische Geschichte eines überwiegend von Sudetendeutschen bewohnten Dorfes in der heutigen Tschechei, gestützt auf Interviews mit Zeitzeugen wie auch durch Recherchen in diversen Archiven.

Herma Kennel führt den historisch interessierten Leser in die Region um die Iglauer Sprachinsel. Der auf Tatsachen beruhende Roman beginnt im Jahre 1939, dem Jahr der Annexion des Sudetenlandes und der Auflösung der übrig gebliebenen Tschechei. Ein Melder verbreitet die Nachricht des Einzuges deutscher Truppenverbände auch in Bergersdorf, wo diese Nachricht mit Begeisterung aufgenommen wird. Kleine Mädchen beginnen Kränze für die deutschen Soldaten zu flechten und die Mütter backen Kuchen als "Willkommensgeschenk" für die nahenden Soldaten. Die Männer beginnen sofort mit diversen Vorbereitungen für die nun anstehenden Feiern.

Euphorie fürs Dritte Reich weicht Missmut und Trauer

Viele der Dorfbewohner glauben nun endlich besseren Zeiten entgegen zu sehen und dass die ständigen Drangsalierungen durch den tschechischen Pöbel nun vorbei sind. Die Stimmung im Dorf "Bergersdorf" nähert sich einem Höhepunkt als nun auch ein aus Berlin angereister hoher Würdenträger der Partei dieses Dorf zu "seinem" Dorf macht. So mancher Einwohner des Dorfes meldet sich auf Grund eines fehlgeleiteten Idealismus auch freiwillig zum Frontdienst.

Im Laufe des Krieges ändert sich diese positive Einstellung allerdings vollends. Die immer häufiger eintreffenden Nachrichten vom Tode der Familienangehörigen an der Front lässt Euphorie für die neuen Machthaber in Missmut und Freude in Trauer umschlagen. Mütter beweinen ihre Söhne und Ehefrauen ihre Männer.

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Die Propagandamaschinerie des Dritten Reiches kann bis zuletzt das Gefühl einer gewissen Sicherheit allen Bewohnern Böhmens und Mährens vermitteln. Doch nun geht alles sehr schnell. Die heranrückende Rote Armee, in Verbindung mit rumänischen Einheiten wie auch tschechischen Partisanen aller Couleurs, kommt es zur Besetzung Bergersdorf und der unmittelbar darauf erfolgten Katastrophe.

Die Vernichtung der deutschen Sprachinsel Iglau

Die Autorin beschreibt die schrecklichen Ereignisse im Frühjahr 1945 historisch genau, und dies ohne dass der Sprachfluss einer romanhaften Erzählung darunter leidet. Durch Kennels scharfe Beobachtungsgabe ist der Leser in der Lage, sich zumindest teilweise in die Situation der Bewohner Bergersdorf hinein zu versetzten.

Der Roman bleibt bis zur letzten Seite spannend, und der Autorin ist ein Buch gelungen, welches ohne Schuldzuweisungen auskommt und den historisch interessierten Leser berührt und auch schockiert.

Die Autorin: Herma Kennel wurde 1944 geboren und verbrachte ihre Jugend in der BRD. Nach ihrer Ausbildung zur Kinderpädagogin studierte sie Kunst und Politische Wissenschaften und arbeitete bei der EU in Brüssel. Sie ist Autorin verschiedener Kinderbücher und Bücher, welche im osteuropäischen Kontext stehen.

Der Verlag: "Bergersdorf" erschien 2003 im Vitalis Verlag, einem in Prag ansässigen deutschsprachigen Verlag, der seit 1993 rund um seinen Gründer Dr. Harald Salfellner besteht.

 

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