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ORF

2. Oktober 2010 / 16:13 Uhr

Pressefreiheit in Gefahr?

Lautstark wird von Journalisten derzeit der Zustand der Pressefreiheit beklagt. Tatsächlich steht es um diese wesentliche Errungenschaft der bürgerlichen Revolution von 1848 nicht zum Besten. Aber nicht deshalb, weil ein Gericht den ORF zur Heraususgabe einiger Fernsehbänder zwingen will. Hier geht es lediglich darum zu untersuchen, ob der ORF beim Dreh zu seiner Neonazi-Reportage Szenen aufgenommen hat, die unter das Verbotsgesetz fallen, oder ob der Redakteur die Protagonisten gar zu solchen Szenen angestiftet hat. Das hat nichts mit Redaktionsgeheimnis oder Informantenschutz zu tun. Wenn sich der ORF hier hinter der Pressefreiheit verschanzt, dann ist er klar im rechtlichen Abseits.

Kommentar von Martin Graf

Worunter die Pressefreiheit tatsächlich leidet, ist der massive Meinungskauf durch die Regierungsparteien, der seit Jahren immer intensiver stattfindet. Viele Zeitungen wären heute ohne die Inserate aus den zahlreichen Imagekampagnen von Ministern nicht mehr lebensfähig. Dazu kommen gerade in Wahlzeiten haufenweise Werbeeinschaltungen aus der wirtschaftlichen Umgebung der Politik, von der Asfinag, den ÖBB oder in Wien von Wiener Linien und Wien Energie, die seit dem Sommer ihre Werbeaktivitäten verdreifacht haben.

Wer so vie gibt, der will auch etwas dafür haben: wohlwollende Berichterstattung über die eigene Partei und entsprechend aggressive Artikel über die politischen Mitbewerber. Das verhindert Objektivität und setzte jeden einzelnen Redakteur unter den wirtschaftlichen Druck, durch einen unbotmäßigen Artikel gleich den eigenen Arbeitsplatz – und im schlimmsten Fall auch den der Kollegen – zu riskieren. So wurde in Wien kürzlich das Bezirksjournal kommentarlos vom Markt genommen – just jene Zeitung, die zahlreiche Verfehlungen der roten Wiener Stadtpolitik aufgedeckt hatte. Über diese Zustände schweigen sich die Journalisten allerdings aus, genauso wie es ihnen kein besonders Anliegen ist, das drohende Terrorismus-Präventionsgesetz samt geplantem Anschlag und Meinungs- und natürlich auch Pressefreiheit zu verhindern.

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Dies sind allerdings die Zukunftsfragen des Journalismus, denen sich auch seine Standesvertreter unabhängig von aktuellen Anlassfällen widmen sollten. Um Meinungskauf zu verhindern, bedarf es eines neuen, besseren Systems der Presseförderung, das auch die Online-Medien umfassen sollte. Eine breite Diskussion darüber ist überfällig und sollte der Pressefreiheits-Debatte über den konkreten Anlassfall folgen. Sind Journalisten daran nicht interessiert, provozieren sie den Verdacht, dass sie mit Hofberichterstattung ganz gut leben können.

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