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20. Oktober 2010 / 11:21 Uhr

BAWAG-Prozess in Trümmern – Justizministerin muss gehen

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner steht vor den Trümmern ihrer Arbeit: Der BAWAG-Prozess, ihr größtes Verfahren, das ihr landesweite Bekanntheit bescherte, muss vermutlich neu geführt werden. Die Generalprokuratur übt auf fast 300 Seiten massive Kritik an den Urteilen – auch und vor allem an dem gegen den früheren BAWAG-Direktor Helmut Elsner, der seit vier Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Elsner ist vermutlich bald ein freier Mann – und Bandion-Ortner könnte demnächst frei von der Last ihres Ministeramtes sein.

BildDer damalige Vorsitzende des parlamentarischen Banken-Untersuchungsausschusses, Martin Graf (FPÖ), zeigt sich von den Entwicklungen wenig überrascht. Sowohl im Ausschuss als auch in seinem Buch „Pleiten, Betrug und BAWAG“ kritisierte er, dass nur ein Ausschnitt der BAWAG-Malversationen gerichtlich abgehandelt wurde. Auf den von Staatsanwalt Krakow angekündigten BAWAG-II-Prozess wartet man bis heute vergeblich. Nun stellt sich heraus, dass auch der erste Prozess weitgehend umsonst geführt wurde.

Für Graf war es politisch motiviert, dass der Verhandlungsgegenstand damals auf die Jahre bis 2000 eingegrenzt wurde: „Es sollte ein roter Prozess werden und verwickelte ÖVP-nahe Personen herausgehalten werden“, sagt Graf der Tageszeitung ÖSTERREICH. Gegenüber Unzensuriert.at wird er noch deutlicher: „Richterin Bandion-Ortner und Staatsanwalt Krakow haben sich in ein Boot gesetzt, um gemeinsam zu rudern“. Und das mit Erfolg: Bandion-Ortner wurde Justizministerin, Krakow ihr Kabinettschef. Ziel war es offenbar, Helmut Elsner als Hauptschuldigen umfassend zu verurteilen, die anderen Beteiligten – allen voran Zocker Wolfgang Flöttl – weitgehend ungeschoren zu lassen.

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Pikantes Detail am Rande: Die Auslieferung des nach Frankreich geflohenen Elsner wurde damals durch den Vorwurf der Bilanzfälschung im Jahr 2001 erwirkt. Dieser Vorwurf wurde jedoch nie angeklagt und ist mittlerweile verjährt. Auch darauf soll sich die Kritik der Generalprokuratur beziehen.

BildFür die Oppositionsparteien ist klar, dass Bandion-Ortner (Bild) zurücktreten muss. Nicht nur, aber vor allem wegen der BAWAG-Farce: "Die Führung des BAWAG-Prozesses war die einzige Tat, die Bandion-Ortner – zumindest in den Augen der ÖVP – für das Ministeramt qualifiziert hat. Dieser Prozess liegt jetzt in Trümmern“, sagt Martin Graf.

Doch auch abseits des BAWAG-Flops macht Bandion-Ortner eine verheerende Figur im Ministerium: Vertuschung der Kampusch-Pannen, Untätigkeit bei Kommunalkredit, AUA und anderen großen Wirtschaftscausen. Und im Spitzel-Untersuchungsausschuss wurde offenbar, dass die Justiz in ihren Ermittlungen genau unterscheidet, ob Oppositions- oder Regierungspolitiker betroffen sind.

Das Fass zum Überlaufen könnte Bandion-Ortner selbst gebracht haben mit ihrer naiven Rechtfertigung für das Prozess-Chaos in Sachen BAWAG: "Man kann nicht erwarten, dass in einem so riesigen Verfahren keine Fehler passieren", übte sie sich in Selbstverteidigung. Das treibt sogar den Koalitionspartner auf die Palme. SPÖ-Klubobmann Cap: "Diese Äußerung steigert nicht gerade das Vertrauen in die Justiz. Das heißt im Umkehrschluss ja, dass man in allen großen Verfahren Fehler erwarten muss." Dieses Vertrauen ist längst zerstört. Der Rücktritt der Ministerin ist das Mindeste, um es wieder langsam aufzubauen.

Fotos: BMJ & Gryffindor

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