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15. November 2010 / 10:44 Uhr

Hausfrauen, Rassisten und Superreiche

Desperate Houewives

Der Aufstieg der Tea Party Bewegung in den USA war für viele ausländische Beobachter eine große Überraschung. Vor allem heimische Medien tun sich schwer mit diesem Phänomen, das sich so überhaupt gar nicht in europäische Politikmuster einordnen lässt. Vor allem die Kommentare schwanken zwischen Unkenntnis und Ablehnung – eine kleine Bestandsaufnahme, die wesentlich mehr über unsere Journalisten als über die Tea Party aussagt.

Desperate Housewives mit kruden Ansichten…

Desperate Houewives“Die rechte Rebellion der rabiaten weißen Hausfrauen” übertitelte die “Presse” aus Wien eine Artikel, in dem sie sich dem erstaunlich hohen Frauenanteil innerhalb der Tea Party Bewegung widmet. Bereits der Titel des Artikels dieser Zeitung, die sich lange Jahre als intellektuelles Aushängeschild österreichischer Konservativer verstand, impliziert einiges. Wer denkt dabei nicht an die Eskapaden amerikanischer Vorstadthausfrauen, die in verschiedenen Serien (Bild :Desperate Housewives) karikiert werden – die “ultrarechte Vorstadt-Mom” mit “radikalen Ansichten zur Sexualerziehung” mischt sich in die  große Politik ein, von der sie eigentlich nichts versteht. Genau in dieses Klischee passt für viele Kommentatoren die (durchgefallene) Senatskandidatin für Delaware Christine O’Donnell. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Deutschlands Qualitätsblatt Nummer eins, widmete ihr einen knapp zweiminütigen Videobeitrag Über ihre politischen Vorstellungen erfährt man dabei wenig, über spirituelle Neigungen aus ihrer Vergangenheit und ihre Einstellung zur Selbstbefriedigung umso mehr.

…oder ängstliche Rassisten und religiöse Spinner…

Nikki Haley ist die Tochter indischer EinwandererDoch nicht nur durchgeknallte Hausfrauen prägen in deutschen und österreichischen Medien das Bild der Tea Party. Der Wiener Standard, die Zeitung für betroffene Leser, offenbart das wahre Gesicht der Bewegung. “Rassisten und religiöse Eiferer” seien hier am Werk. Die Tatsache, dass mit Marco Rubio (Sohn kubanischer Einwanderer) und Nikki Haley (Tochter indischer Einwanderer, Bild rechts) zwei Minderheitenvertreter zu den erfolgreichen Stars der Tea Party gehören, wird allerdings ebenso wenig erwähnt wie die Teilnahme der Enkelin Martin Luther Kings, Alveda King, an der großen Tea Party Demonstration Ende August. Ein Kommentator der deutschen “Welt” machte dazu passend die scheinbaren Beweggründe der Anhänger deutlich: Angst und Ressentiments von Weißen ohne Collegeabschluss gegenüber gebildeten liberalen Eliten, Ausländern, Muslimen, Juden, Schwarzen oder illegale Einwanderern. Aufgewiegelt würden die „Stupid white men“ von pseudoreligiösen Fernsehpredigern, die sich mit den irrationalen Ängsten und den ultrareligiösen Ansichten ihrer Gefolgschaft eine goldene Nase verdienten. Dass die Anhänger der Tea Party überdurchschnittlich gebildet sind und zu den Besserverdienern gehören, stört den Kommentator wenig. Auch die Tatsache, dass ein großer Teil der Tea Party zu den Libertären zählt, die mit der unter George W. Bush dominierenden religiösen Rechten wenig am Hut haben, fällt unter den Tisch.

… als Handlanger gieriger Superreicher

Medienmogul Rupert Murdoch unterstützt die Tea PartyEines darf natürlich nicht fehlen: Die dunklen Hintermänner. Im Fall der Tea Party handle es sich dabei um skrupellose Reiche, die den dummen weißen Mittelstand für ihre finsteren Ziele einsetzen. Die “Süddeutsche Zeitung” sieht die Tea Party Bewegung als “den Klub für reiche Amerikaner”, finanziert von den beiden Milliardärsbrüdern Koch, die strengere Umweltschutzauflagen verhindern wollen, oder Medienmogul Rupert Murdoch (Bild rechts). Ins gleiche Horn stößt die FAZ und teilt gleichzeitig die Superreichen in gute und böse: Da gibt es einerseits die Brüder Koch, die nur “ihren unternehmerischen Eigennutz im Auge behalten” und verdeckt aus dem Hinterhalt gegen Obama einen rechten Kreuzzug führen. Auf der anderen Seite steht der Philantrop George Soros, ein bekannter Unterstützer Obamas, der offen agiert und das sogar zu seinem persönlichen Nachteil.

Meinungsmache statt Information

Insgesamt drängt sich der Schluss auf, dass es in vielen Fällen eher um billige Meinungsmache, denn um fundierte Informationen geht. Selten wird versucht, die unterschiedlichen Strömungen, die sich in der Tea Party Bewegung manifestieren, zu beschreiben. Verschwörungstheorien und billige Klischees werden bemüht, um eine Bewegung zu diffamieren, die gerade erst im Entstehen begriffen ist. Eines kommt den meisten Journalisten aber nicht in den Sinn. Vielleicht handelt es sich bei der Tea Party Bewegung wirklich um einen Aufstand der gebildeten Mittelschicht, denen die derzeitige Politik und ihre Vertreter zutiefst zuwider sind. Vielleicht war es mehr als blanke Wut und haben sich diese Menschen sogar etwas dabei gedacht, als sie ihre Stimme abgegeben haben. Vielleicht erscheint diese Bewegung dem europäischen Establishment, zu dem auch die meisten Medien zählen, genau deswegen so bedrohlich.

Fotos: 20minutos.es, Zach Pippin, Monika Flueckinger / World Economic Forum (alle Wikimedia)

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