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29. Mai 2010 / 11:12 Uhr

Turkmenistan – Das Reich des “Turkmenbashi”

Flagge TurkmenistanSelbst unter all den Politikern, die die Nachfolgestaaten der Sowjetunion hervorgebracht haben, nahm der im Dezember 2006 verstorbenen Saparmyrat Nyyazow eine herausragende Stellung ein. Der bizarre Personenkult, den er aufbaute, erinnerte an Nordkorea. Der Turkmenbashi (Führer der Turkmenen) erfand neue Monatsnamen, verbot das Rauchen, das er sich nach einer Operation abgewöhnt hatte, und lies in der Hauptstadt eine vergoldete Statue von sich aufstellen, die sich so dreht, dass sie immer der Sonne zugewandt ist. 2003 wurde Nyyazow schließlich zum Propheten ausgerufen. Das Land führte er mit eiserner Hand, jegliche Opposition wurde unterdrückt.

Tauwetter nach Nyyazows Tod

Statue des Turkmenbashi Saparmyrat NyyazovDer Nachfolger Nyyazows, Gurbanguly Berdimuhamedow, versucht das Land jetzt nach dem strikten Neutralitätskurs seines Vorgängers aus der Isolation zu führen und leitete auch innere Reformen ein. Das Bildungswesen, das unter Nyyazow besonders gelitten hatte, wurde reformiert, neue Bildungseinrichtungen geschaffen und Studenten ist es jetzt wieder möglich, ausländische Universitäten zu besuchen. Im Gesundheitswesen herrschen hingegen weiterhin katastrophale Zustände. Wenngleich die Repression gegenüber Minderheiten wie Russen, Usbeken und Kasachen einerseits sowie Oppositionellen andererseits nachgelassen hat, ist Turkmenistan weiterhin als Autokratie zu bezeichnen. Kritiker werfen Berdimuhamedow vor, Nyyazows Personenkult durch seinen eigenen zu ersetzen.

Die vorherrschende Religion ist der Islam, der in einer volkstümlichen Variante vor allem unter der Landbevölkerung verankert ist; radikale Strömungen konnten bisher nicht Fuß fassen.

Rohstoffe als wirtschaftliche Grundlage

Die Grundlage der turkmenischen Wirtschaft bilden große Erdgas- und Erdölvorkommen, das weltweit größte Erdgasfeld an Land wird in Turkmenistan vermutet. Die Hauptabnehmer sind die Nachbarländer Russland und Iran, wobei auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu China in letzter Zeit stark intensiviert werden. Neben dem Rohstoffexport sind Baumwoll- und Weizenanbau in dem dünn besiedelten Steppenland die Hauptstützen der Wirtschaft. Die turkmenische Wirtschaft ist damit stark von den Schwankungen der internationalen Märkte abhängig; Industriegüter müssen größtenteils importiert werden.

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Abrücken von strikter Neutralität

Berdimuhamedov mit dem Ehepaar ObamaNyyazow verfolgte nach Außen hin einen strikten Neutralitätskurs, lehnte sich dabei aber stark an Russland an, das auch den größten Teil der turkmenischen Rohstoffe abnahm. Berdimuhamedow behält diesen Kurs zwar grundsätzlich bei, versucht aber auch die Beziehungen zur EU, den USA (im Bild mit dem Ehepaar Obama) und vor allem China zu intensivieren. Nicht nur die Rohstoffe machen Turkmenistan zu einem interessanten Partner. Auch die geostrategische Lage am Kaspischen Meer zwischen Kasachstan, dem Iran, Usbekistan und Afghanistan ist im Spiel der Mächte um Zentralasien sehr bedeutend.

„Den Türken ähnlich“

Besondere Beziehungen bestehen zur Türkei, der sich Turkmenistan aus historischen und ethnischen Gründen stark verbunden fühlt. Laut einer Deutung steht „Turkmenen“ für „den Türken ähnlich“. Auch wenn dies von Etymologen bezweifelt wird, so ist unstrittig, dass die turkmenische Volksgruppe eng mit der türkischen verwandt ist. Von weltweit ca 7,5 Millionen Turkmenen leben nur etwa vier Millionen in Turkmenistan. Große turkmenische Minderheiten leben im Iran (ca 2,3 Millionen), Irak (ca 220000), in Afghanistan (ca 500000) und in Usbekistan sowie Syrien (jeweils ca 140000). Die Türkei sieht sich als Schutzmacht dieser Minderheiten; diese sind ein wichtiger Faktor in der türkischen Außenpolitik. Besondere Bedeutung erlangt die turkmenische Minderheit im Irak, wo ihre Siedlungsgebiete im erdölreichen Nordosten des Landes liegen, das auch von den Kurden für sich beansprucht wird.

Spielball der Mächte

Mit seinen reichen Rohstoffvorkommen und seiner strategischen Lage ist Turkmenistan den Begehrlichkeiten seiner Nachbarn als auch der in dieser Region engagierten Großmächte Russland, USA und China ausgesetzt. Die geringe Bevölkerungszahl und die niedrige industrielle Entwicklung machen es der turkmenischen Führung aber sehr schwer, eine aktive Außenpolitik zu betreiben. Turkmenistan blickt einer ungewissen Zukunft entgegen.

20 Jahre nach dem Kommunismus

Unzensuriert.at beleuchtet jeden Samstag ein Land, das bis vor 20 Jahren unter kommunistischer Herrschaft stand. Bisher veröffentlicht: Russland, Kasachstan und die Ukraine.

Fotos: Gilad Rom / Lawrence Jackson

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