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Zeitungen

Für Medien ist Österreich ein regelrechtes Schlaraffenland. Mit mehr als 1 Milliarde Euro (!) jährlich – täglich 2,7 Mio – werden diese “gefüttert”.

31. Dezember 2020 / 09:10 Uhr

1 Milliarde Euro für die Medien – täglich 2,7 Millionen

Eine Recherche von unzensuriert zeigt auf, warum Journalisten in Österreich derzeit so unkritisch über die Bundesregierung berichten. So viele Millionen wie jetzt gab es für Medien noch nie.

Standard verniedlicht Rekordsumme

Der Standard hat am 15. Dezember von einem Rekordhoch bei Ausgaben für Regierungswerbung berichtet. Laut dieser Rechnung hätte die schwarz-grüne Bundesregierung seit Angelobung im Jänner bis Ende September rund 31,4 Millionen Euro oder 4,3 Millionen Euro pro Monat für Inserate, TV-Spots. Banner, Radiowerbung und Social-Media-Kampagnen ausgegeben.

Nach Recherchen von unzensuriert stellt die vom Standard genannte Summe eine regelrechte Verniedlichung der wahren Ausgaben dar. Tatsächlich nämlich floss sage und schreibe 1 Milliarde Euro (hochgerechnet auf das ganze Jahr 2020) an Steuergeld. bewarben sich  um .

ÖVP-Finanzminister Blümel wirbt auf Kochseite

Auf diese Summe kommen wir, wenn neben Inseratenschaltungen von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), deren Ministerkollegen, der Ländern und Gemeinden sowie staatsnaher Betriebe wie ÖBB, Asfinag etc. (also alle vom Rechnungshof kontrollierten Rechtsträger) auch noch die Presseförderung (samt Vertriebs-, Qualitätsförderung oder Druckkostenbeiträge) für Zeitungen und Radios, die nicht meldungspflichtigen Inseratenschaltungen der Ministerien sowie das “Programmentgelt” aus den GIS-Gebühren für den ORF hinzuzählen. Das ergibt dann rund eine Millarde für die österreichischen Medien. Auf den Tag umgerechnet heißt das: Täglich füttert Schwarz-Grün die Medien mit 2,7 Millionen Euro.

Unter den Werbeausgaben findet man auch so kuriose wie jene von ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, der mehr als 5.000 Euro auf www.ichkoche.at inserierte. Da fragt man sich wohl zu Recht, was der Finanzminister auf einer Kochseite bewerben möchte?

Boulevard-Medien als größte Profiteure

Die größten Profiteure dieses „politischen Medienkaufs“ durch Inserate mit Steuergeld sind Boulevardmedien wie Kronen Zeitung (inklusive krone.at, krone.tv, Kronehit-Radio und kronehit.at) mit 5,8 Millionen Euro, Österreich/Oe24 mit fast 4 Millionen Euro und Heute mit mehr als 3 Millionen Euro. Aber auch DerStandard und derstandard.at wurden mit mehr als eine Million Euro inseratenmäßig gut versorgt.

Nicht mitgerechnet in der ohnehin schon gewaltigen Summe sind in der unzensuriert-Recherche die Ausgaben für Social-Media-Kampagnen, bei der wir allein am Beispiel der Wahlkampf-Agentur von Sebastian Kurz, Campaigning Bureau, wo auch die ÖVP-Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck beschäftigt ist, Regierungsaufträge im Ausmaß von 650.000-Euro anhand von parlamentarischen Anfragebeantwortungen ausfindig machen konnten. Darüber berichtete unzensuriert bereits ausführlich.

Weltrekordverdächtige Summen

Wie kommen wir nun auf diese weltrekordverdächtige Medienförderung in Österreich?

Die Presseförderung für das Jahr 2020 sind auf der Homepage der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) genau aufgelistet. Da findet man Posten folgender Bezeichnungen: „Vertriebsförderung gemäß dem Abschnitt II (inkl. COVID-Erhöhung)“, die „Besondere Förderung für Tageszeitungen gemäß Abschnitt III“, die „Qualitätsförderung und Zukunftssicherung gemäß Abschnitt IV“ und die „Druckkostenbeiträge gemäß § 12c PresseFG“.

300.000 Euro für Migranten-Sender Okto

Unter der Rubrik „Förderung“ sind dann noch Extraausgaben aus der „Publizistikförderung“ (340.000 Euro), aus dem „Digitalisierungsfonds“ in Höhe von 219.736 Euro, aus dem die Kronen Zeitung für ihre multimedialen Tätigkeiten 95.957,95 Euro oder Mein Kinderradio 62.567,95 Euro bekam, aus dem „Fernsehfonds“ u.a. zur Finanzierung von Filmen (12,76 Millionen Euro), aus dem  mit 2,1 Millionen Euro gespeisten „Nichtkommerziellen Rundfunkfonds“, aus dem zum Beispiel der Migranten-Sender Okto 300.000 Euro lukrierte, sowie aus dem 35,4 Millionen Euro schweren „Privatrundfunkfonds“ mit krone.tv, Oe24 oder ATV beispielsweise als Nutznießer, zu finden.

Inseratenschaltungen unter 5.000 Euro netto nicht meldepflichtig

Schwieriger wird die Suche nach den tatsächlichen Inseraten-Ausgaben bei den Ministerien und im Bundeskanzleramt. Zwar müssen nach dem Medientransparenzgesetz Netto-Beträge über 5.000 Euro bei der RTR gemeldet werden, doch gibt es viele Ausgaben unter dieser Summe, die nur öffentlich werden, wenn ein Nationalratsabgeordneter konkret dafür eine parlamentarische Anfrage an das zuständige Ministerium stellt.

Bei den Inseraten über der 5.000-Euro-Grenze betrugen die Ausgaben der Ministerien und des Bundeskanzleramts – hochgerechnet auf das ganze Jahr 2020 – knapp 50 Millionen Euro. Dieser Summe können aber gut und gerne noch 20 Prozent dazugerechnet werden, weil es eine Menge Werbeeinschaltungen unter der 5.000-Euro-Grenze gibt.

Köstinger wirbt in Biber oder Raiffeisenzeitung

Einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von ÖVP-Tourismusministerin Elisabeth Köstinger sind eine ganze Reihe von Inseratenschaltungen zu entnehmen, die die 5.000-Euro-Grenze (netto) nicht überschreiten. So wirbt Köstinger in Top Agrar um 2.863,40 Euro, in der Zeitschrift Biber um 5.140,80 Euro, in der Raiffeisenzeitung um 3.107,16 Euro oder im Burgenländischen Agrarkurier um 1.839,60 Euro.

Allein im Zeitraum vom 1. März bis 15. April 2020 sind 17 Einschaltungen unter der Meldegrenze aufgelistet – dabei aber nur solche, die im Zusammenhang mit der Corona-Krise stehen.

Schramböck schaltet in kosmo.at oder roadmap2050.at

Ebenfalls in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung gibt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck an, während dieser Zeit Corona-Inserate unter der Meldegrenze in Medien, wie Der Grazer, Die Wirtschaft, Wirtschaftsnachrichten, orf.at, kosmo.at oder roadmap2050.at, geschalten zu haben. Allein in 18 Medien in eineinhalb Monaten.

Rund 640 Millionen Euro “Programmentgelt” für den ORF

Was bei den Berichten über die staatliche Medienförderung immer gerne vergessen wird, sind die GIS-Gebühren, von denen der ORF als “Programmentgelt” im Jahr 2020 rund 640 Millionen Euro kassieren wird.

Zählt man das alles zusammen, kann man sich nur wundern, wie viel Geld die österreichischen Steuerzahler für Medien aufbringen müssen und warum ihnen dafür trotzdem meist nur ein Einheitsbrei der Berichterstattung geliefert wird. Nichtsdestotrotz hat die schwarz-grüne Regierung Ende November ein Vier-Jahres-Budget von 210 Millionen Euro für Media- und Kreativleistungen ausgeschrieben. Und der ORF möchte, wie Zeitungen berichten, die GIS-Gebühr erhöht haben.

Kein Geld für Beibehaltung der Hacklerpension

Geld für Medien scheint also genug da zu sein. Dafür hat Schwarz-Grün woanders gespart – bei den Arbeitern und Angestellten, die 45 Jahre hart arbeiten und künftig nicht einmal mehr abschlagsfrei in Pension gehen dürfen. Die Abschaffung der sogenannten Hacklerpension bringt dem Staat 40 bis 50 Millionen Euro im Jahr. Ein Pappenstiel im Vergleich zu den Ausgaben, die Kanzler Kurz und sein Vizekanzler Kogler für ihre Bewerbung ausgeben.

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