Frei nach dem Ausspruch von Konrad Adenauer, “Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern”, agiert derzeit Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
Zuerst für, jetzt gegen schädigendes Abkommen
Da hatte er in seiner Regierungszeit ein Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern, das sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, befürwortet. Ja, die Zustimmung war sogar Bedingung für die FPÖ bei den Regierungsverhandlungen! Die FPÖ sprach sich stets gegen das Handelsabkommen aus, weil es den heimischen Bauernstand gefährdet. Dennoch boxte die ÖVP das Abkommen als Koalitionsbedingung durch.
Ende Juni war es schließlich zur Einigung zwischen EU und Mercosur-Staaten gekommen. Der beschlossene Handelsvertrag, der noch vom EU-Parlament und den Parlamenten der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden muss, soll den Warenaustausch stärken. Dafür werden Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut, unter anderem für Agrarerzeugnisse. Diese können dann fast ungehindert in die EU importiert werden – ohne Umweltauflagen, aus warmem Klima und ohne Sozialstandards so billig erzeugt, dass kein europäischer Landwirt mithalten kann.
Plötzlicher Meinungsschwenk
Auch von SPÖ und Grünen sowie Umweltschützern kam Kritik. Und die Bevölkerung ist seit der ebenfalls von der ÖVP verlangten CETA-Zustimmung mehr als kritisch gegenüber EU-Handelsabkommen.
Was macht Kurz jetzt, wo bald gewählt wird? Genau! Er übte heute, Sonntag, ebenfalls Kritik an dem Freihandelsabkommen. Plötzlich sorgt sich Kurz um den Import von Rindfleisch, der die österreichische Landwirtschaft unter Druck bringen würde. Und um seinem plötzlichen Meinungsschwenk Würde zu verleihen, stellt er, der mutwillig die Regierung aufgelöst hat und jetzt nur noch ÖVP-Obmann ohne Entscheidungsbefugnis ist, plötzlich Bedingungen für die Ratifizierung. Ein Abschluss des Abkommens mit den Mercosur-Staaten komme nur infrage, wenn auch die finanzielle Absicherung der europäischen Landwirte sichergestellt werde.
Peinliche Heuchelei
Der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende und SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried entlarvt die peinliche Heuchelei von Kurz umgehend:
Die Empörung von Kurz wirkt (…) ziemlich gekünstelt, wenn man sich die bisherige Position der ÖVP dazu ansieht.
Die FPÖ kritisiert den “plötzlichen Meinungsschwenk” von Kurz und erinnert an die Koalitionsverhandlungen. Sein Meinungsschenk offenbart aber auch den Wählern: Wer Kurz wählt, weiß nicht, woran er ist. Da nützen auch Appelle nichts, dass man an ihn glauben möge.
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