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Linke Demonstranten Wien

Die Linken sehen ihr Monopol auf der Straße in Frage gestellt und stellen sich mit einem Häufchen Gegendemonstranten einem Heer von Bürgern, die sich gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung wehren, entgegen.

18. Feber 2021 / 14:50 Uhr

Die Linken sehen ihr Monopol auf der Straße plötzlich in Frage gestellt

Nach der Anti-Corona-Großdemonstration vom 31. Jänner befindet sich die extreme Linke in einer Art Panik – zu Recht? Der Geschäftsführr und Herausgeber der “Freilich Medien GmbH”, Heinrich Sickl, hat dazu einen Kommentar verfasst, der auch in der Tagesstimme erschienen ist.

Gastkommentar von Heinrich Sickl

Corona-Demos sind ihr Ding nicht. Diversity schon, aber so nicht. Jetzt versuchen die Linken, im Land mitzudenken und wollen verstehen, was da passiert. Eigentlich beanspruchen sie ja die Oberhoheit über das Thema soziale Bewegungen. Im aktuellen Fall entgleist das allerdings, da zwar „alternative“, aber keine „eigenen“ Leute dabei sind. Gleichzeitig stellt sich die autonome Szene mit minimalen Gegenkundgebungen und Blockaden paradoxerweise auf Seiten der autoritären konservativ-grünen Regierung. Die Fronten sind plötzlich sehr seltsam verschoben. Die Rechten auf der Straße? Demo trotz Verbot? Die Linken dagegen? Das aktuelle profil bestätigt jetzt, was wir schon länger wissen, dass es in diesem Land wirklich eine „rechte Zivilgesellschaft“ gibt. Wir sehen sie hier in Aktion, und sie ist vielfältiger, als es medial und links – vielfach ist das auch das Gleiche, „Lügenpresse“ – dargestellt wird. Das liegt natürlich auch daran, dass da – auf beiden Seiten – viele politische Zweckdiskutanten sind.

Sie sehen überall “Faschisten”

Die hartgesottenen Linken sehen ja nur „Faschisten“ marschieren, wo normale Menschen gehen, schreien „Alerta, Alerta“, wo die anderen „Kurz muss weg“ rufen. Die linksextremen Aktivisten und Pseudo-Journalisten vom autonomen Tarnverein „Presse Service Wien“ – auf der „Tagesstimme“ näher porträtiert – versuchen durch Überwachungsfotografie und Auffinden von Skurrilitäten, das rechtsextreme Branding bis zum nur von ihnen entdeckten Putschgelüst durchzudrücken. Ein ballistischer Brillenträger – wozu eigentlich? – schwurbelt nur von „Corona-Schwurblern“, dokumentiert aber dankenswerterweise, dass bei dem „Neonazi-Aufmarsch“ mit 15.000 Menschen Küssel und Konsorten gerade einmal mit 15 Leuten dabei gewesen sind.

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 Wenig Rechte in der Bewegung

Die Dokumentationslust ist trotzdem geradezu rührend, denn sie zeigt eigentlich nur eines: wie wenig Rechte in dieser Bewegung dabei sind. Und sie macht blind: Sie blendet vollständig die Unzahl an normalen Menschen aus, die hier auf die Straße gehen. Sie übersieht sie, im Versuch, den rechten Feind zu markieren. Sie stellt sich an die Seite der Regierung, während das Volk den Aufstand probt. So kaputt kann die Linke sein. „Die Sonntags-Mobilisierung wies, ebenso wie nachträgliche Einordnungen der Ereignisse, auch eine klar allgemeinpolitische Tendenz auf, die weit über das Für und Wider konkreter Pandemiebekämpfungsmaßnahmen hinauswies“, schwurbelt das Dokumentationsarchiv des österreichische Widerstandes (DÖW). Will wohl sagen, es geht eben nicht um irgendwelche Verschwörungstheoretiker, die Corona leugnen, sondern um Menschen, die meinen, dass die Regierung mit ihrem Lockdown-Kurs die Wirtschaft und die Gesellschaft zerstört. Und Angst haben. Und ihre Sorge auf die Straße tragen. Die „klar allgemeinpolitische Tendenz“ hört sich dann aus tausenden Stimmen zusammengesetzt so an: Kurz muss weg!

Demokratie auf der Straße

Das DÖW sieht das als „rechtsextremes Erfolgserlebnis“: Vor allem auch, weil mehrere FPÖ-Nationalratsabgeordnete die Demonstration begleiteten. „Darüber hinaus wurde von freiheitlicher Seite bereits eine Sondersitzung des Nationalrats zur Frage der Veranstaltungsuntersagungen veranlasst sowie eine Befassung des Verfassungsgerichts in den Raum gestellt.“ Die von Aktivismus-King Martin Sellner eingemahnte Überwindung des „Parlaments-Patriotismus“ und Transformation zur „Bewegungspartei, die die patriotische Protestbewegung auf der Straße aktiv unterstützt“, schreite augenscheinlich voran, konstatiert der Autor. Das wäre zu hoffen, denn die Bewegungslehre bestätigt, dass Demokratie auch auf der Straße stattfindet. Und Aktivisten einer rechten Zivilgesellschaft sind das Salz in dieser Suppe, parlamentarisch unterstützt und vertreten von der Freiheitlichen Partei, die im Aufgreifen dieses Freiheitsthemas auch lernt, was Mobilisierung bewirkt und ihren Platz mit auf der Straße findet. Alles Faschisten also doch?

Polizeiknüppel für alle

Nicht alle Linksextremisten sind so dämlich, das zu glauben. Denkmalschänder Thomas Schmidinger – linksextremer Extremismus-Experte mit Einreiseverbot in die USA (Grund unbekannt, aber vermutlich doch zu viel Nähe zur PKK) – neigt dazu, differenziert denken zu können und postet nach dem 31. Jänner auf seiner Facebookseite: „Ich habe sehr großes Bauchweh mit all den vielen Postings Linker FreundInnen, die sich über mangelnde Härte der Polizei gestern gegenüber der verbotenen Coronamaßnahmendemo vorwerfen. Ihr habt natürlich recht, dass eine linksradikale Demo anders behandelt worden wäre aber, die Forderung kann doch nicht ‚Polizeiknüppel für Alle!‘ lauten, sondern für niemanden. Ja, auch gestern sind Nazis und Identitäre auf der Straße gewesen und ich hab versucht Leute, die ich kenne, davon abzuhalten dort mitzugehen. Ist mir leider nicht bei allen gelungen. Es sind Leute, die ich kenne mitgegangen und die waren überhaupt keine Nazis. Ihr verkennt wirklich die Realität, wenn Ihr die alle ins Nazieck stellt und betreibt damit teilweise ungewollt aber objektiv deren Geschäft. Das ist eine viel breitere und widersprüchliche Bewegung. Die Frage, die wir ernsthaft diskutieren sollten ist, wie wir mit dieser umgehen.“ Bloße Repression allein bringe nichts bzw. die widersprüchliche Bewegungen werde auch durch Druck von außen nur zusammen gehalten. Und Schmidinger kritisiert den autoritären Kurs der Regierung: „Die Frage ist für mich v.a. ob diese Eskalation von Seiten der Verantwortlichen in Polizei und Innenministerium mit ihrer Verbotspolitik gewollt ist (um den autoritären Kurs weiter zu treiben) oder ob dies nur aus Unfähigkeit und Unbeholfenheit geschieht.“

Es ist ja auch ganz erstaunlich, wie die linken Analysten ausblenden, was da vor allem am 31. Jänner passiert ist: 16 Demos verboten, Polizei verkündet per Lautsprecher die Versammlung „mit Zwang“ auflösen zu wollen, kesselt alle ein, schickt Greiftrupps in die Masse, scheitert, weil da plötzlich nicht hunderte, sondern tausende Protestierende sind, die dann durch die ganze Stadt ziehen… Was wär das für ein Aufschrei in den Medien, wenn eine linke Großdemo so behandelt werden würde?

Corona-Protest als soziale Bewegung

Auch Bernhard Weidinger, DÖW-Angestellter und Kopf der Forschungsgruppe FIPU, die an der Modernisierung linksextremer Rechtsextremismustheorien arbeitet, analysiert recht amüsiert, dass Rechte bei den Demos nun plötzlich eine Bewegungserfahrung haben, die sie so lange nicht hatten. Wie ein Politikwissenschaftler mit Sturmhaube verweist er darauf, dass das auf linker Seite ja eigentlich ganz normal sei, verweist dabei auch auf die Anti-Akademikerball-Mobilisierung, die ebenfalls immer verboten gewesen sei und doch stattgefunden habe. Nun sollte man halt nicht linksextreme Mobilisierungen mit sozialen Bewegungen verwechseln. Aber der Gute, der leider zu viel rechtsextreme Texte lesen muss, kriegt sich auch ein und sammelt sich zu einer realistischeren Bilanz: „Bei aller Polemik über rechte Hybris sollte dennoch nicht übersehen werden, dass der 31. Jänner in mancherlei Hinsicht durchaus als Erfolgserlebnis für die extreme Rechte verbucht werden kann. Wenngleich Mobilisierungen selten ihre unmittelbaren Ziele erreichen, stiften sie doch – zumal, wenn sie wiederholt und über einen längeren Zeitraum stattfinden – Vernetzung und politisieren Menschen. So können sie lange nachwirken und ihre stärksten Effekte eventuell mit großem Zeitverzug entfalten.“ Zweitens scheinen jedenfalls die bisherigen großen Coronademonstrationen in Wien tatsächlich jenen „patriotischen“ und nicht-linken Grundkonsens aufzuweisen, den „Rechtsextreme“ ihnen attestieren würden, damit würden sie einen „Resonanzboden“ zur Verfügung stellen, den eine organisierte Rechte in den letzten Jahrzehnten kaum je auf der Straße vorfand.

„Auch Analysen, die den 31. Jänner als Tag der Aneignung des zivilen Ungehorsam von rechts feiern, sind nicht abwegig“, attestiert Weidinger. „Nicht wenige dürften die Demonstration mit der Erkenntnis im Gepäck verlassen haben, dass man – hinreichend Masse und Österreichfahnen im Rücken – auch ‚mit Regelbrüchen davonkommen‘ kann, wie Sellner meint.“ Dann schwurbelt er etwas von autoritären Charakteren und Verachtung der Schwäche in ideologisierter Verkennung, dass die Rebellion von Wien gerade anti-autoritär – nämlich gegen die Regierung – und rechts ist und als soziale Bewegung eben eine Manifestation der Schwächsten in der Gesellschaft gegen „die da oben“ ist, die ihnen mit Lockdowns und Freiheitsentzug einfach die Grundlage der Existenz entzieht.

„Davon hat die Linke immer geträumt“, schreibt der Alt-Linke Manfred Klimek, der nicht als Lohnschreiber zu einem gesicherten Ergebnis kommen muss, in der „Welt“ und mit dem ihm eigenen Furor: „Viele der Aussagen von Demonstranten gegen die Corona-Beschlüsse erinnern mich an die Protestslogans radikal linker Aktivisten aus meiner Jugend. Hier ist er, der mündige Bürger, den sich die Linken und Grünen so lange sehnlichst herbeiwünschten.“ Wer dabei war, hat ein politisches Happening erlebt, das vor allem ein Freiheitserlebnis war. Spannend, wie sehr die Linken hier neben der Spur stehen, vielleicht sind sie aber auch nur eine autoritäre Ausformung der in Österreich üblichen Neidgenossenschaft, die ihr Monopol auf die Straße plötzlich in Frage gestellt sieht …

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