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Sebastian Kurz / Werner Kogler

Die Grünen stimmen einer Weiterführung der Koalition mit der ÖVP zu und machen Kurz damit zum Schattenkanzler, der weiterhin alle Strippen zieht.

10. Oktober 2021 / 09:45 Uhr

Kurz wird nun zum “Schattenkanzler”: Grüne machen ÖVP durch erneuten Umfaller größtmögliches Geschenk

Es war zu erwarten und dennoch überrascht das erneute Einknicken der Grünen vor der ÖVP politische Beobachter angesichts der akuten Regierungskrise rund um (Ex-)Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine Getreuen in der “türkisen Familie”. Denn mit der Nominierung von Außenminister Alexander Schallenberg zum (Interims-)Kanzler und der Zustimmung und Weiterführung der Koalition seitens der Grünen macht man der ÖVP das größtmögliche Geschenk in der aktuellen innenpolitischen Krise.

Kurz wird als Klubobmann zum Schattenkanzler

Denn Kurz kann sich nun in seiner selbstgewählten Rolle als ÖVP-Klub- und Parteiobmann sowie Nationalratsabgeordneter vollends auf seine Netzwerke innerhalb der Partei und auch der Regierung verlassen. Nicht nur das: Mit Schallenberg – er bezeichnet sich selbst als “türkisen Überzeugungstäter” – ist ein enger Vertrauter von Kurz quasi Platzhalter für ihn im Kanzleramt. In seiner Ansprache zum Rücktritt betonte Kurz selbst, dass dieser nur “befristet” sei. Das “System Kurz” soll damit unter allen Umständen erhalten bleiben.

Kurz kann nun als “Schattenkanzler” agieren und walten wie es ihm beliebt, es steht ihm als Klubobmann sogar zu, den Ministerräten beizuwohnen. Zudem bleiben seine engsten Getreuen, wie Finanzminister Gernot Blümel und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, weiterhin in ihren Ministerämtern, zumindest sieht es momentan danach aus.

ÖVP kann in Ruhe Neuwahlen planen

Die Grünen begingen mit ihrer schwammigen Forderung nach einer Ablöse des Kanzlers durch eine “untadelige Person”, ob bewusst oder unbewusst, nämlich einen kapitalen Fehler: Das “türkise Netzwerk” bleibt durch den Schachzug der ÖVP weiterhin in allen Belangen bestehen. Nun kann sich dieses Netzwerk rund um Kurz erneut seiner Medien- und PR-Maschinerie bedienen, um die “Rückkehr des Kanzlers” zu inszenieren. Dazu gehören vermutlich auch Vorbereitungen für eine baldige Neuwahl, die man möglichst vor ersten Erkenntnissen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WkSta) zur “Causa Kurz” abhalten möchte.

Kurz genießt nun parlamentarische Immunität

Pikantes Detail am Rande: Durch seinen Wechsel in den Nationalrat erhält Kurz parlamentarische Immunität, die erst aufgehoben werden kann, wenn der Nationalrat dies beschließt und die Zustimmung zur behördlichen Verfolgung erteilt. Die Ermittlungen gegen Kurz haben solange jedenfalls zu ruhen. Ebenso bedarf nach Art. 57(2) B-VG ab jetzt jede Hausdurchsuchung im Hause Kurz der Zustimmung des Nationalrates, womit “Überraschungseffekte” ausgeschlossen werden.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht in dem Vorgehen jedenfalls eine “Flucht in die Immunität”, Kurz breche damit sein Versprechen, dass er für rasche Aufklärung sorgen werde. Offenbar will man die Causa hinauszögern, bis das Justizministerium wieder in ÖVP-Hand sei. Kickl:

Kurz mag als Kanzler weg sein – aber das türkise System ist nach wie vor voll da, das System Kurz wird weiter von ihm betrieben, nur aus einer anderen Position.

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