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Ballhausplatz / Buch

Sebastian Kurz hat mit seinen „Prätorianern“ die Machtübernahme penibel geplant, ist dann aber in einem Sumpf aus mutmaßlicher Korruption, mutmaßlichem Postenschacher und Niedertracht „ertrunken“.

6. Dezember 2021 / 11:40 Uhr

Seltsame Chat-Protokolle und „zufällige“ Personalentscheidungen

Im Buch von Christian Hafenecker mit dem Titel „So sind wir“ wird schonungslos aufgedeckt, wie die türkise Nomenklatura alles andere als zimperlich die Macht im Staat übernehmen sollte.
Gab es Gegenleistungen für Spenden?
Eine anonyme Anzeige machte die Ermittlungsbehörden auf das “Projekt Ballhausplatz“ aufmerksam. Was zunächst unspektakulär klingt, ist nicht weniger als ein penibel aufgeschlüsselter Masterplan, wie Sebastian Kurz die ÖVP und in weiterer Folge die Macht im Staat übernehmen sollte. Auf dem Weg dorthin war die türkise Nomenklatura alles andere als zimperlich. Natürlich war es auch Teil dieses Plans, bei gut betuchten Partei-Sympathisanten gezielt um Spenden zu werben. Die Frage, ob als Gegenleistung womöglich lukrative und mächtige Posten vergeben oder die eine oder andere „Amtshilfe“ geleistet wurde, ist sicherlich noch länger Thema für Justiz und Parlament.
Mitterlehner: „Kurz spielte von Anfang an falsches Spiel“
Kurz’ Vorgänger als ÖVP-Obmann, Reinhold Mitterlehner, sagte bei der Präsentation seines Buches mit dem Titel „Haltung“ im April 2019, Kurz habe mit ihm von Anfang an ein falsches Spiel gespielt. Wie Kurz und seine Getreuen die Machtübernahme vorbereitet hätten, sei „noch nie dagewesen“. Wörtlich meinte Mitterlehner:

Da ist eine Energie verwendet worden, die in Umfang und Dynamik jeden russischen Revolutionär vor Neid erblassen lassen würde.

Die meisten politischen Beobachter schenkten diesen Worten damals kaum Beachtung, dachten viele doch, dass Mitterlehner – um seine Macht gebracht – gekränkt und noch voller Zorn auf Kurz sein Werk verfasst habe, um Rache an dem jungen Mann zu üben, der ihn hinterrücks und kalt abserviert hatte.
„Kurz kann jetzt Geld scheissen“
Aber siehe da: Wie erst viel später bekannt wurde, schrieb der damalige Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium, der mittlerweile geschasste ÖBAG-Chef Thomas Schmid, am 11. April 2016 stakkatoartig vier Nachrichten an Gernot Blümel (darunter zweimal Scheiße falsch mit Doppel-s):

Ich habe Sebastians Budget um 35 Prozent erhöht / Scheisse mich jetzt an / Mitterlehner wird flippen / Kurz kann jetzt Geld scheissen.

Die lapidare Antwort Blümels:

Mitterlehner spielt keine Rolle mehr…

Plötzlich Aufsichtsrat der Bundesforste
Während also Schmid im Finanzministerium darauf schaute, dass Kurz über ausreichend Geld der Steuerzahler verfügte, wurden bei den Partei-Sympathisanten Spenden gesammelt. Zum Beispiel bei der Familie Spiegelfeld und deren gleichnamiger Immobilien GmbH.. PR-Beraterin Gabriele Spiegelfeld gilt als enge Vertraute von Sebastian Kurz, und die erwähnte Immobilienfirma ihres Mannes Georg taucht auch auf der Sponsorenliste für das “Projekt Ballhausplatz“ auf. Öffentlich wurde folgender SMS-Verkehr zwischen Gabriele Spiegelfeld und Thomas Schmid vom Jänner 2018:
Schmid schreibt:

Bitte sag Axel und Co Georg muss BMF Kandidat für Bundesforste sein Bussi.

Spiegelfeld antwortet:

Habs Axel grad geschrieben. Seb auch ??????

Darauf Schmid:

Ja bitte. Ich werde das nämlich jetzt dann veranlassen.

Mit „Axel“ war der damalige Bundesgeschäftsführer der ÖVP, Axel Melchior, gemeint. Mit „Seb“ wohl Sebastian Kurz.
Im März 2018 wurde Georg Spiegelfeld auf Vorschlag des Finanzministeriums in den Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesforste gewählt. Nur ein Beispiel von vielen, die Christian Hafenecker in seinem Buch aufzeigt.
30.000 Euro pro Monat fürs Zeitunglesen?
Einer der Ballhausplatz-„Masterminds“ war Stefan Steiner, wichtigster Berater und Schattenmann von Kurz. Die neue ÖVP belohnte ihn dafür fürstlich. Steiner erhielt dem Vernehmen nach über seine Unternehmen rund 30.000 Euro im Monat – das ist mehr, als der Bundeskanzler verdient, der sich im Vergleich mit „mageren“ 22.327 Euro brutto zufriedengeben muss.
Was Steiner für diese hohe Gage denn leisten müsse, war die Frage an Steiner vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss. Quintessenz seiner Antwort war – laut FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker -, dass er täglich mehrere Zeitungen lese. Ansonsten, so Hafenecker, litt auch Steiner über weite Strecken an einer „Amnesie“, die vor allem den engsten Kreis rund um den Bundeskanzler offensichtlich stark in Mitleidenschaft gezogen hatte. Er konnte sich kaum an etwas erinnern.
„Ich liebe meinen Kanzler“
Noch viel mehr als Steiner bekam der ehemalige ÖBAG-Vorstand Schmid im Jahr aufs Konto. Medienberichten zufolge soll er zwischen 400.000 und 600.000 Euro im Jahr verdient haben. Also eine schier unfassbare Summe für einen Mann, der für den Chefposten bei der Staatsholding keine internationale Erfahrung mitbringen konnte und deshalb – wie Chat-Protokolle darlegen – die Gestaltung der Ausschreibung selbst in die Hand genommen haben soll.
Viele der Chat-Nachrichten während der Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Vorstand wurden öffentlich. In guter Erinnerung ist auch diese Korrespondenz, als Schmid Kurz bittet, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ zu machen.
Kurz schrieb daraufhin:

Kriegst eh alles, was du willst.

Schmids Antwort:

Ich bin so glücklich:-))) Ich liebe meinen Kanzler.

„Oh Gott. Reisen wie der Pöbel“
Einmal in der obersten Management-Etage mit Supergage angekommen, wollte Schmid mit dem gewöhnlichen Volk offensichtlich nichts mehr zu tun haben. Die Chats geben tiefe Einblicke in die Persönlichkeitsstruktur des Herrn Schmid. Als er wegen eines Strafregisterauszugs auf eine Polizeiinspektion musste, soll er folgende Kurznachricht geschrieben haben:

Ich hasse euch, dass ich da herkommen muss zu diesen Tieren für Strafregister.

Als Schmid beim Wechsel vom Finanzministerium an die ÖBAG-Spitze seinen Diplomatenpass abgeben musste, schrieb er seiner Assistentin, die heute ÖBAG-Kommunikations-Chefin ist:

Oh Gott. Reisen wie der Pöbel.

Fortsetzung folgt: Lesen Sie am Mittwoch, wie eine unbezahlte Rechnung die “Schredder-Affäre” ins Rollen brachte.
Das Buch von Christian Hafenecker ist im Verlag Frank&Frei erschienen und zum Preis von 19,90 Euro im Frank und Frei Verlag zu bestellen.

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