Dass Ex-ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner mit seinem Rücktritt das Heft selbst in die Hand genommen hat, verwundert nicht. Denn in der 1945 gegründeten Österreichischen Volkspartei (ÖVP) gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass man dieses Amt auch ganz anders verlieren kann. Viele von Mitterlehners Vorgängern wurden hinterrücks durch die eigenen Parteifreunde abgesägt. So etwa Anfang 1964 der damalige ÖVP-Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Dr. Alfons Gorbach.
Der ÖVP-Spitzenpolitiker saß laut Berichten der Tageszeitung Die Presse beim sonntäglichen Frühstück in Graz, als seine Frau nach dem Besuch der Frühmesse mit der Morgenausgabe der Kleinen Zeitung nach Hause kam, wo die Ablöse Gorbachs durch den Wiener KLZ-Korrespondenten Kurt Vorhofer bereits als vollzogen erklärt wurde.
Finanzminister Josef Klaus hatte Messer gewetzt
Während aktuell Außenminister Sebastian Kurz den Sturz Mitterlehners vorbereitet hat, war damals Finanzminister Josef Klaus jener ÖVP-Politiker, der seinen eigenen Bundeskanzler zuerst vom Thron des Bundesparteiobmanns und dann aus dem Kanzleramt hinaus intrigierte. Mit dabei war auch Gorbachs steirische ÖVP-Landesgruppe unter Landeshauptmann Josef Krainer senior.
Treppenwitz damals, Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts: Gorbach selbst war es, der Josef Klaus als Reformer in die Bundesregierung geholt hatte. Die Zeitungslektüre am Frühstückstisch bestätigte ihm: Dankbarkeit ist keine politische Kategorie.