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17. November 2012 / 16:24 Uhr

Zweiklassenjustiz-Autor Tomanek: Staatsanwaltschaft ermittelt nicht objektiv

Der Autor und Rechtsanwalt Werner Tomanek stammt aus bescheidenen Verhältnissen in Wien-Ottakring und studierte Rechtswissenschaften. Nach seiner Konzipientenzeit in einer Wiener Wirtschaftskanzlei spezialisierte er sich auf Strafrecht. Sein prominenter Einstiegsfall war der Sänger Toni Vegas. Aktuell vertritt der die als „Eislady“ bekannte Estibaliz C., der von der Anklagebehörde zweifacher Mord zur Last gelegt wird. Mit seinem Buch „Die Zwei Klassen Justiz“, erschienen im Verlag edition a, hat er in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen eine Grundsatzdiskussion über den Zugang zum Recht in Gang gesetzt. Tomanek zeigt auf, dass Geld, Status und Netzwerk einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil als Verdächtiger in einem Strafverfahren begründen und „Otto Normalverbraucher“ in einem sich anbahnenden Strafverfahren oft hilflos scheitern muss. Im Unzensuriert-Interviews nimmt Tomanek zu den Voraussetzungen einer erfolgreichen Verteidigung Stellung.

Wie waren die Reaktionen aus der Fachwelt und dem Kollegenkreis auf Ihr Buch?
Tomanek: Manche haben mich als Nestbeschmutzer hingestellt und beschimpft. Viele andere meinten: Warum sagt das nicht längst einer, hast eh recht, aber warum schreibst das?

 Was macht die Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Justiz aus. Was ist wichtiger: Geld, Status oder Netzwerk?
Tomanek: Ich bin der Überzeugung, die Startvorteile sind "multifaktorell". Ich vergleiche es mit der Medizin, dort ist es auch ein Unterschied, ob du als E-Card-Besitzer ins Spital einrückst oder als "Plüschpatient" mit Zusatzversicherung. Zugang zum Recht kostet Geld,. Je besser die Ressourcen sind – und das heißt Geld, intellektuelle Vorausetzungen, sprachliche Gewandtheit – desto günstiger sind die Voraussetzungen, aus einer Sache mit möglichst wenig Schaden auszusteigen. Die Frage ist: Habe ich in einem Verfahren den Status Herr Jovanovic bzw. Herr Zapfelhuber oder bin ich der Herr Doktor. Wenn der Herr Jovanovich/Zapfelhuber nicht in der Lage ist, in einem Frühstadium des Verfahrens bereits tätig zu sein, sich einen guten Rechtsbeistand, Privat-Sachverständigen usw. leisten zu können, dann läuft das in der Regel ungünstig. Der "Verfahrensbeholfene" wird irgend einmal bei der Polizei einvernommen, und dann Monate später erhält er die Anklageschrift und ein Verfahrenshilfeanwalt wird bestellt. Die Milch ist bereits verschüttet. Der Beschuldigte steckt den Kopf in den Sand und denkt sich: Wird eh nichts sein, er wirkt am Verfahren gar nicht mit. Das Gericht kann in einer solchen Situation gar nicht anders entscheiden. Dass die Verfolgungsbehörde nicht so objektiv ermittelt, wie es die Straprozessordnung vorsieht, ist kein Geheimnis. Sie ermittelt rein ergebnisorientiert. Und damit immer gegen den Beschuldigten.

Richter lesen nur die letzte Seite des Gutachtens

Eine entscheidende Rolle in vielen Verfahren spielen die Gerichtssachverständigen. Wie erleben Sie das in der Praxis?
Tomanek: Gerade im Wirtschaftsstrafverfahren ist der Gerichtssachverständige in Gestalt des Buchsachverständigen der dominus litits, also der Herr des Verfahrens, der dem Richter erklärt, was Sache ist. Weder der Staatsanwalt, noch der Richter noch der Strafverteidiger haben die Ausbildung, komplexe Wirtschaftsmaterien zu durchblicken. Der Richter muss es gar nicht, der schlägt das Gutachten auf der letzten Seite auf. Die Zusammenfassung genügt ihm. Die Urteilsfeststellung kann er dem Gutachten entnehmen. Gutachter beweiswürdigen auf Teufel komm raus, niemanden stört es. Das sind keine Gutachten mehr, sondern bereits Urteile, die hier produziert werden. Wenn man dagegen halten will, braucht man eine Kriegskasse, um komplexe Sachverhalte aufzuklären. Da benötige ich Wirtschaftsexperten, Steueranwälte, Wirtschaftsanwälte – nur den strafrechtlichen Sukkus kann ich gut selbst verwalten. Der kleine Schuldner steckt dann in der fahrlässigen ober gar betrügerischen Krida, da er sich keine Experten leisten kann. Die Größen können sich eine solide Gegenwehr leisten. Heute kommt es immer öfter vor, dass sogenannte Litigation Agencys eingesetzt werden, die eigens PR für ökonomisch potente Angeklagte machen.

Wie sehen Sie den Druck auf Beschuldigte durch überlange Verfahrensdauern und die Öffentlichkeit?
Tomanek: Freigesprochen kann man gar nicht werden, wenn man einmal Beschuldigter ist. Allein schon der Bericht über die Unschuldsvermutung ist belastetend. Rehab gibt es für einen Beschuldigten eigentlich nicht. Der Prozess ist die Strafe per se. Der Tierschützerprozess ist etwa ein Beispiel dafür. Über Monate hinweg wird ein Mafiaprozess geführt, gleichzeitig gibt es anderswo mafiöse Strukturen, die nicht belangt werden.

Teil 2: Tomanek: "Entschädigungsrecht ist blanker Zynismus"

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