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15. September 2012 / 08:59 Uhr

Benghasi-Attentat von salafistischer Terrorgruppe verübt

Seit Tagen hält die Gewalt radikaler Moslems gegen Botschaften der USA und anderer westlicher Staaten an. Höhepunkt war der Angriff auf die US-Botschaft im libyschen Benghasi. In Washington glaubt niemand mehr, dass dieser Angriff spontan erfolgte – zu deutlich tragen die Vorfälle "die Handschrift von Dschihadisten", schreibt etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers, sagte in der Nacht zum Donnerstag in Washington, das Konsulat in Benghasi sei "bei einem genau koordinierten Angriff mit schweren Waffen" überrannt worden. Es gebe zahlreiche Indizien, dass der Angriff von langer Hand geplant gewesen sei.

In einer politischen Analyse für das Washington Institute for Near East Policy erläutert Nahost-Experte Aaron Zelin, dass es sich bei der Gruppe, die den Angriff von Benghasi durchgeführt hat, um eine lokale Zelle der Ansar al-Sharia handelt. Auch ein unabhängiger Augenzeugenbericht bestätigt dies. Seit dem Sturz von Muammar Gaddafi sind in Libyen etliche neue Dschihad-Gruppen entstanden, während man von früher bekannten Gruppen, wie der von Gaddafi verfolgten Al-Jama'a al-Islamiyyah al-Muqatilah bi-Libya (Libyan Islamic Fighting Group, LIFG), die auch bei seinem Sturz eine wichtige Rolle spielte, heute kaum mehr etwas hört. "Eine der größten dieser salafistischen Dschihad-Gruppen ist Ansar al-Sharia in Benghasi, die von Muhammad Zahawi angeführt wird", schreibt Zelin. "Neben Online-Verbindungen mit Ansar al-Sharia in Tunesien (die für den gestrigen Überfall auf die US-Botschaft in Tunis verantwortlich gemacht wird) unterhält die Gruppe auch Kontakte mit mehreren Katibas (Bataillonen) von kleineren Gruppen in Libyen, die ebenso wie sie dem salafistischen Dschihad huldigen, darunter die Gruppe Ansar al-Sharia in Darnah, die von dem ehemaligen Guantanamo-Häftling Abu Sufyan bin Qumu angeführt wird."

Verschwörung zwischen Sicherheitskräften und Attentätern

Der für den östlichen Landesteil zuständige stellvertretende libysche Innenminister Wanis al-Sharif gab am Donnerstag bekannt, dass einige Angehörige der Ansar Al-Sharia in der Stadt Darnah wegen des Verdachts der Teilnahme an dem Angriff auf das US-Konsulat in Benghasi, bei dem der Botschafter Christopher Stevens und drei weitere Konsulatsangehörige ums Leben kamen, verhaftet worden seien. Das israelischen nachrichtendienstlichen Kreisen nahestehende Webportal DEBKAfile meldet hingegen Zweifel an: "Es ist noch zu früh, Aussagen darüber zu treffen, ob die Verhafteten tatsächlich an dem Attentat in Benghasi direkt beteiligt waren."

Tatsächlich dürfte es jüngsten Medienberichten zufolge zu einer Verschwörung zwischen Teilen der libyschen Sicherheitskräfte, die für die Bewachung des US-Konsulats verantwortlich waren, und den Attentätern gekommen sein, da Letztere erst von den Angehörigen der Sicherheitskräfte erfuhren, in welches Gebäude ("Safe House") sich die Angehörigen der US-Mission nach dem Angriff auf das Konsulatsgebäude geflüchtet hatten und dieses Gebäude Stunden später just in dem Augenblick stürmten, als libysche und US-Sicherheitskräfte die Diplomaten evakuieren wollten. Dieser Verdacht wurde mittlerweile auch von Vize-Innenminister Wanis al-Sharif bestätigt.

Videobotschaft behauptet spontanen Angriff

In einer in einem einschlägigen Online-Forum verbreiteten Videobotschaft hatte kurz nach dem Attentat ein Sprecher der Ansar Al-Sharia erklärt, dass das Niederbrennen des US-Konsulats in Benghasi durch eine aufgebrachte Menge erfolgt sei, die dort gegen den antiislamischen Film "Die Unschuld der Moslems", in dem der Prophet Mohammed negativ dargestellt wurde, protestierten. "Unsere Antwort erfolgte entsprechend den Lehren unseres Propheten", sagte der Sprecher. Der Videobotschaft zufolge hätte es sich um keinen im Vorhinein geplanten Angriff der Ansar Al-Sharia gehandelt, sondern um eine spontane Aktion, bei der die Gruppe "nicht in organisierter Form" auftrat. Dem widerspricht hingegen ganz klar die Tatsache, dass etwa 20 schwerbewaffnete Männer der Gruppe Ansar Al-Sharia am Ort des Geschehens anwesend waren; zu ihrer Ausstattung gehörten die raketengetriebenen Granaten (RPGs, im Deutschen auch unter der Bezeichnung "Reaktive Panzerbüchse" bekannt), mit denen das Konsulat in Brand gesetzt wurde.

Vom Emirat zum Kalifat

Gemeinsames Ziel aller Gruppen des salafistischen Dschihad soll die Errichtung eines islamischen Emirats im erdölreichen östlichen Teil Libyens sein. Fernziel: die Wiedererrichtung des Kalifats ("Nachfolge des Propheten"). Es ist somit kein Zufall, dass das Attentat gerade in Benghasi stattfand und auch der Zeitpunkt ist sicherlich mit Bedacht gewählt. Wie der bekannte brasilianische Aufdeckungsjournalist Pepe Escobar gegenüber der Fernsehstation rt.com erklärte, sei es lange vorher bekannt gewesen, dass Al Kaida-Anführer Ayman al-Zawahiri den Jahrestag von 9/11 "in passender Weise" begehen und insbesondere den Tod seines Vize Abu Yaya al-Libi ("der Libyer") rächen wollte, der vor drei Monaten bei einem amerikanischen Drohnenangriff getötet worden war. Escobar erwartet jetzt eine Welle weiterer US-Drohnenangriffe auf die vermuteten Schlupflöcher der Dschihadisten in Benghasi und Darnah, gibt aber zugleich zu bedenken, dass eine Eskalation in Libyen oder anderswo im Nahen Osten unerwartete Auswirkungen auf die kommenden US-Wahlen haben kann. Insbesondere könne es sich Obama nicht leisten, dass seine Nahostpolitik zum Wahlkampfthema wird und die Wähler die unter seiner Administration abgeschlossenen Bündnisse der USA mit mehr oder weniger radikalen Moslemgruppen in den verschiedenen Staaten des Nahen Ostens kritisch hinterfragen.

Gewalt in der islamischen Welt werden zu US-Wahlkampfthema

Tatsächlich macht die Republikanische Partei mittlerweile die antiamerikanischen Proteste in der islamischen Welt zum Wahlkampfthema. Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan warf US-Präsident Obama am Freitag Führungsschwäche vor. Die Republikaner verweisen darauf, dass erstmals seit der Geiselnahme von Teheran 1979 bis 1981 unter dem damaligen demokratischen Präsidenten Jimmy Carter ein amtierender US-Botschafter getötet wurde. Die mittlerweile voll entbrannte Diskussion "Haben von den USA unterstützte Terroristen den amerikanischen Botschafter in Libyen ermordet?" ist jedoch auch für die Republikaner nicht ungefährlich, hatte doch der republikanische Senator John McCain anlässlich eines Besuchs in Benghasi im vergangenen April den dortigen militanten Kämpfern quasi einen Freibrief ausgestellt: "Ich bin mit diesen tapferen Kämpfern zusammengetroffen. Sie gehören nicht der Al-Kaida an, im Gegenteil, sie sind libysche Patrioten, die ihre Heimat befreien wollen. Wir müssen ihnen dabei helfen."

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