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17. Juli 2011 / 08:15 Uhr

Die Oranier: Hintermänner der protestantischen Macht in Nordirland

Oranier aus PortadownFür viele Außenstehende muten die Aufmärsche der Oranier in der Zeit um den 12. Juli eher folkloristisch an, die große Aufregung um diese Parade erscheint unverständlich. Bei näherer Betrachtung sind sie jedoch Teil eines Jahrhunderte alten Konflikts, der auf beiden Seiten noch immer viele Emotionen hervorruft.

Die Ulster Plantations – Wurzel des nordirischen Konfliktes

Nachdem Irland der bereits seit dem 12. Jahrhundert offiziell der englischen Krone unterstand, waren es erst Heinrich VIII. und seine Nachfolger, die daran gingen, diesen Anspruch faktisch durchzusetzen. Die Kernregion des irischen Widerstandes gegen diese Politik war das im Norden der Insel gelegene Ulster. Um diesen Widerstand zu brechen, gingen die Engländer besonders hart gegen die Einwohner der Region vor. Im Zuge des irischen Aufstandes von 1595 bis 1603 vernichteten englische Truppen Ernten sowie Viehbestände in Ulster und vertrieben einen Teil der Einwohner. Unter Jakob I. wurden ab 1609 zahlreiche puritanische Schotten und anglikanische Engländer nach Ulster umgesiedelt, dies wurde als „Ulster Plantations“ („Bepflanzungen“) bekannt. Eine weitere Welle von Einwanderern nach Ulster bildeten demobilisierte Soldaten von Oliver Cromwells Parlamentsarmee nach dessen Sieg im englischen Bürgerkrieg von 1641 bis 1649.

Die Schlacht am Boyne-Fluss und die Gründung der Oranier

Wilhelm von Oranien

Wilhelm von Oranien

Wilhelm III. von Oranien siegte in der Schlacht
an der Boyle über den Stuartkönig Jakob II.
Bildquelle: WIkimedia

Nach der Glorreichen Revolution von 1688 versuchte der gestürzte katholische Stuartkönig Jakob II. ein Jahr später, den englischen Thron vom neuen, protestantischen König Wilhelm III. von Oranien zurückzugewinnen, und landete mit französischer Unterstützung in Irland. Während sich der Großteil Irlands Jakob anschloss, leistete einzig Ulster Widerstand gegen die Restauration des Stuarts. 1690 kam es am Fluss Boyne zur Entscheidungsschlacht zwischen Wilhelm und Jakob, Jakob II. unterlag und musste fliehen. Viele protestantische „Ulstermen“ sind bis heute stolz auf ihre damalige Loyalität zu König Wilhelm und das aus ihrer Sicht damit verbundene Eintreten für den Protestantismus. Zur Bestrafung der katholischen Iren wurden bereits bestehende Gesetze, die sich direkt gegen katholische Kirche und Glauben richteten, massiv verschärft.

Die Gründung des Oranier-Ordens fiel in eine Zeit, zu der revolutionäre Ideen mit Blick auf die Amerikanische und die Französische Revolution auch in Irland großen Widerhall fanden. Um die Lage zu beruhigen und den Iren entgegenzukommen, erwog die Regierung in London, die antikatholischen Gesetze aufzuheben oder abzumildern. Die protestantischen Gegner dieser Bestrebungen schlossen sich 1795 in Armagh, Ulster zum „Orange Order“ (Orange war die Farbe Wilhelms III.) zusammen. Bereits drei Jahre nach ihrer Gründung bewiesen die „Orangemen“ ihre unionistische Loyalität, indem sie bei der Niederschlagung eines Aufstandes republikanischer Iren halfen.

Die Oranier als maßgebliche Kraft in Nordirland

Nach einer Phase des Niedergangs im 19. Jahrhundert erlebte der Oranierorden als Sammelbewegung aller Gegner irischer Unabhängigkeit oder Selbstverwaltung Anfang des 20. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Die vom Oranierorden mitbegründete Ulster Volunteer Force (nicht zu verwechseln mit der derzeit aktiven paramilitärischen Organisation gleichen Namens) kämpfte auf britischer Seite im Ersten Weltkrieg und danach im Irischen Unabhängigkeitskrieg; das Andenken der gefallenen Orangemen jener Zeit ist auch heute noch wichtiger Teil der Identität des Oranierordens.

Von 1921, als Irland in den südlichen Freistaat und das nördliche, britische Ulster geteilt wurde, bis zum Ausbruch der Unruhen 1969 spielte der Orden eine dominante Rolle in der nordirischen Politik. Die Oranier waren eine tragende Säule der herrschen Ulster Unionist Party (UUP), jeder Ministerpräsident dieser Zeit entstammte ihren Reihen. Besonders stark vertreten waren Oranier neben Politik und Verwaltung in den Sicherheitskräften Nordirlands. Mitte der 1960er Jahre erreichte die Macht der Oranier mit knapp 70.000 Mitgliedern ihren Höhepunkt, womit etwa jeder fünfte protestantische Nordire Mitglied war.

Orange Order und paramilitärische Gewalt

Ian Paisley

Ian Paisley

Die Democratic Unionist Party von Ian Paisley ist nach anfänglichen
Konflikten nun mit dem Oranierorden verbündet.
Foto: Barryob / Wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Das Verhältnis zwischen den Oraniern und ab den 1960er Jahren auftretenden radikaleren Gruppen wie der Democratic Unionist Party (DUP) Ian Paisleys sowie paramilitärischen Organisationen wie der neuen Ulster Volunteer Force und der Ulster Defence Association war von Anfang an gespannt. Der Großteil der Oranier sah sich als wahrer Verfechter des unionistischen Gedankens, der strikten Loyalität zur britischen Krone und dem Verbleib im Vereinigten Königreich. Ihren Machterhalt suchten sie über die vollständig protestantisch beherrschten offiziellen Organe Nordirlands zu sichern, während die Paramilitärs sich den Methoden der Irisch Republikanischen Armee anglichen und aus dem Untergrund agieren.

Die Feindschaft zwischen der DUP und den Oraniern ist inzwischen beigelegt, nachdem es Oraniern früher verboten war, Mitglied in der Freien Prebysterianischen Kirchen von DUP-Gründer Paisley zu werden. Vor allem die gemeinsame Ablehnung des „Good Friday Abkommens“ von 1998/99, das den Weg zum Frieden in Nordirland ebnete, verbindet DUP und Oranier. Ihre Unterstützung hatte wesentlichen Anteil am Aufstieg der DUP zur stärksten protestantischen Partei Nordirlands. Im Hintergrund soll der Oranierorden auf ein Zusammengehen der beiden unionistischen Parteien DUP und UUP hinarbeiten, um die immer mehr in die Defensive geratenen Protestanten zu stärken.

Die DUP, die in Nordirland den Ministerpräsidenten stellt, regiert das Land ironischerweise gemeinsam mit der verhassten irisch-republikanischen Sinn Fein, der ehemalige IRA Kämpfer Martin McGuiness ist stellvertretender Ministerpräsident.

Ideologie und Traditionen der Oranier

Das wesentlichste Element der Ideologie der Oranier ist der Protestantismus, wobei schon nahe katholische Verwandte ein Eintrittshindernis darstellen können. Die Oranier stehen damit in der langen Tradition angelsächsischer Vorstellungen von der moralischen Überlegenheit und Richtigkeit des Protestantismus gegenüber dem bigotten und ketzerischen katholischen Papismus. Der Orden ist ähnlich dem Vorbild der Freimaurer in Logen organisiert, auch die traditionelle Kleidung der Oranier ähnelt denen der Freimaurer. An der Spitze der nordirischen Oranier steht ein Großmeister, die Mitglieder sind nach Graden eingeteilt. Der Orden ist hierarchisch gegliedert.

Auch in verschiedenen anderen Staaten des ehemaligen britischen Weltreiches sowie in England und Schottland existieren Oranierorden. Der größte Orden außerhalb Nordirlands sind die schottischen Oranier, die sich vehement gegen eine Unabhängigkeit Schottlands aussprechen. In Kanada war der Orden bis in die 1930er Jahre ein wichtiger Faktor in Gesellschaft und Politik, wobei ihm auch Protestanten nicht britischer Herkunft angehörten.

Die Aufmärsche der Oranier

Oranier aus Portadown

Oranier aus Portadown

Oranier aus Portadown bei einem Aufmarsch. In ihrem Heimatort waren
sie gewungen, wegen einer katholischen Blockade die Route zu ändern.
Foto: Denzell393 / Wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Besonderes Aufsehen erregten die Aufmärsche der Oranier regelmäßig, sobald ihre Marschroute durch von Katholiken bewohntes Gebiet führte. Die katholische Bevölkerung sah die Paraden durch ihr Gebiet nicht zu Unrecht als protestantische Machtdemonstration an. Bis in die Mitte der 1990er Jahre konnte sich der Orden des wohlwollenden Verhaltens der nordirischen Polizei sicher sein, die den Marsch durch katholische Wohngebiete auch mit Gewalt erzwang. Dies hat sich seither durchaus geändert. Beispielhaft dafür ist Portadown, wo es bereits im 19. Jahrhundert Auseinandersetzungen anlässlich der Oraniermärsche gab. 1995 verhinderten katholische Einwohner erstmals den Marsch durch die Garvaghy Road, 1998 wurde dieser auch behördlich untersagt. Die Oranier protestierten heftig, das Ziel, wieder auf ihrer alten Route zu marschieren, konnten sie jedoch nicht erreichen. In Reaktion auf die Auseinandersetzungen in Portadown wurde von der nordirischen Administration eine Paradekommission ins Leben gerufen, die bindend über Marschrouten aller Paraden – es gibt auch zahlreiche Aufmärsche katholischer Organisationen – entscheidet; der Oranierorden verweigert eine Zusammenarbeit mit der Kommission. Wie die jüngsten Vorfälle in East Belfast zeigen, bergen die Paraden weiterhin einiges an Sprengstoff in Ulster.

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