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17. Juni 2011 / 13:26 Uhr

Durchwachsener Wahlerfolg für Erdogan “Sieg für Palästina”

Recep Tayyip ErdoganAm 12. Juni 2011 wählte die Türkei, NATO-Mitglied und EU-Beitrittswerberin, ihr Parlament, die Große Nationalversammlung. In der Militärrepublik mit beinahe schon imperialistischem Animo im nationalistischen und religiösen Bereich verfestigt sich nun ein Vierparteiensystem. Das türkische Parlament verfügt über eine fixe Anzahl von 550 Abgeordneten, die mittels Mehrheitswahlrechts in den 81 Provinzen (= Wahlkreise) ermittelt werden. Die absolute Besonderheit: Wenn ein gewählter Kandidat einer Partei angehört, die es landesweit nicht über die 10-%-Hürde schafft, verfallen seine Stimmen. Werden nach der Wahl Sitze durch Tod oder Mandatsniederlegung frei, bleiben sie das auch. Überschreitet die Zahl der leeren Plätze mit der Zeit 5 %, so wird in den betroffenen Provinzen nachgewählt.

Recep Tayyip Erdogan

Recep Tayyip Erdogan

Erdogan widmet seinen Wahlsieg Paläsina und den Muslimen in aller Welt.
Foto: World Econmomic Forum / swiss-image.ch / Andy Mettler

Die AKP legte prozentuell noch einmal zu und verfehlte die absolute Mehrheit an Stimmen haarscharf. Da bei einem Mehrheitswahlrecht die Veränderung bei Prozent- und Mandatszahlen nicht übereinstimmen müssen, ist sie jetzt von ihrem angestrebten Ziel einer Zweidrittelmehrheit (367 Sitze) noch weiter entfernt als vorher. Ministerpräsident Erdogan ließ sich die Laune aber nicht verderben. In seiner „Balkonrede“ meinte er in altgewohnter Manier, das sei auch ein Sieg für Palästina und alle anderen Gebiete, in denen Muslimen Unrecht getan wird. Und weiter: „Ich bin der Verteidiger der Muslime überall auf der Welt!“

Die noch von Staatsgründer Kemal Atatürk ins Leben gerufene CHP hat sich personell wieder erfangen, muss aber hilflos zusehen, wie das alte kemalistisch-säkulare System endgültig zu Grabe getragen wird. Die ultranationalistischen Grauen Wölfe, die nach den erfolgreichen Kommunalwahlen 2009 guter Dinge waren, verloren etliche Kandidaten, weil diese heimlich bei außerehelichem Sex gefilmt wurden. Ihre Verteidigung, dass es sich um Zweitfrauen handle, führte zu einer größeren Debatte zwischen Feministinnen und Islamistinnen. Die MHP verlor deshalb ein wenig. Die Kurden wehrten sich sehr erfolgreich, bis hin zum nun sicheren Fraktionsstatus (ab 20 Abgeordnete), mittels „unabhängiger“ Kandidaten gegen die 10-%-Klausel, die alle anderen Parteien, auch jene, die bis in die 1990er sogar Ministerpräsidenten stellten, zerstäubte.

Im Detail hat die islamistische „Gerechtigkeit- und Aufschwung-Partei“ von Erdogan 49,9 % der Stimmen (+3,3) sowie 326 Mandate (-15) erreicht. Die kemalistische „Republikanische Volkspartei“ erhielt 25,9 % (+5,0) und 135 Mandate (+36), auf die „Nationalistische Bewegung“ der GrauenWölfe entfielen 13,0 % (-1,3) und 53 Mandate (-28). Die parteiunabhängig kandidierenden Kudern-Kandidaten konnten 36 Mandate erringen.

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