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27. März 2011 / 11:10 Uhr

Myanmar – Aufruhr im Dschungel Hinterindiens

MilitärMyanmar (offizieller Name: Union von Myanmar), das bis 1989 Burma hieß, wird seit 1962 von Militärjuntas regiert, die das Land scheinbar fest im Griff haben – ein trügerischer Schein. Seit der Unabhängigkeit kommt das Land nicht zur Ruhe, derzeit kämpfen mindestens fünf Rebellengruppen gegen die Regierung. Immer wieder erschüttern Umweltkatastrophen Myanmar, die Aidsrate ist hoch und der Drogenkonsum weit verbreitet. Die demokratische Opposition wird ebenso brutal unterdrückt wie die zahlreichen ethnischen Minderheiten. Es herrscht Aufruhr im Dschungel Hinterindiens.

Die Union von Myanmar – ein Vielvölkerstaat im Bürgerkrieg

Fahne

Fahne

Fahne der Union von Myanmar, die von Bürgerkriegen zerrissen wird.
Foto: Wikimedia

Die Bevölkerungsmehrheit der Birmanen stellen nur ungefähr zwei Drittel der Bevölkerung. Die größten Minderheiten sind die Shan (ca. 9% der Bevölkerung) im Osten und die Karen (ca. 7 %) im Süden des Landes. Daneben existieren noch weitere Gruppen wie die Mon, Wa, die besonders bedrängten muslimischen Rohingya, Tschin, Kachin sowie Inder und Chinesen. Insbesondere die Shan und die Karen führen seit der Unabhängigkeit 1948 einen Guerillakrieg gegen die Zentralregierung in Rangun.

Die Shan, die eng mit den Thais verwandt sind, genossen unter britischer Kolonialherrschaft größere Autonomie, ihr Siedlungsgebiet war als “Federate Shan States” organisiert. Unmittelbar nach dem Militärputsch 1962 entsandte die Zentralregierung Truppen in den Shan State und hob die Autonomie auf. Seither kämpfen verschiedene Shan-Rebellengruppen gegen die Regierung.

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Die Karen sind als Christen seit der Einführung des Buddhismus in Burma in den 1950er Jahren besonderen Repressionen ausgesetzt. Ihre wichtigste Untergrundorganisation ist die Karen National Union (KNU) mit ihrem bewaffneten Arm Karen National Liberation Army (KNLA). Die KNU konnte in den 1970er und 80er Jahren einen eigenen Staat im Süden Burmas aufbauen, dessen Strukturen im Bereich der Verwaltung und Justiz Stabilität garantierten. Die Karenrebellen werden inzwischen wieder von der thailändischen Armee unterstützt, nachdem diese Zusammenarbeit um die Jahrtausendwende eingestellt worden war, um die gespannten Beziehungen zwischen beiden Länder zu verbessern.

Karen

Karen

Die christliche Minderheit der Karen ist Opfer gezielter ehtnischer Säuberungen.
Foto: Francis Lim / Wikimedia

Die Militärregierung, die sich offiziell “Staatsrat für Frieden und Entwicklung” (State Peace and Development Council/SPDC) nennt, ging 1989, nachdem sich ein militärischer Sieg über die vielen Rebellengruppen nicht abzeichnete und diese bereits ein Viertel bis ein Drittel des Landes kontrollierten, dazu über, Waffenstillstands- und Amnestieabkommen mit einzelnen Rebellen abzuschließen. Den verhandlungsbereiten Rebellen wurden teilweise gewisse Autonomierechte eingeräumt und ihre militärischen Strukturen als „Border Guard Forces“ in die Streitkräfte übernommen. Inzwischen führen diese gemeinsam mit dem regulären Militär Kampfeinsätze gegen andere Rebellen durch. Insbesondere gegen die Karen und Teile der Shan konnte die Armee so Erfolge feiern. Das extrem harte Vorgehen der burmesischen Truppen, die  beispielsweise im Bereich der Shan knapp 2000 Dörfer mit etwa 400.000 Einwohnern völlig zerstörten, um den Rebellen die Grundlage zu entziehen, führte zu großen Flüchtlingsströmen. Gegenüber den Karen werden die Aktionen von Menschenrechtsorganisationen als gezielte ethnische Säuberungen bezeichnet. Ebenso wird die Tatsache, dass die burmesische Armee minderjähriger Soldaten – sogenannte Kindersoldaten – einsetzt,   heftig kritisiert. Insgesamt ist die Lage sehr unübersichtlich, da verschiedene Gruppen zwar einem Waffenstillstand zugestimmt haben, sich aber weiter der Kontrolle der Armee entziehen, so dass eine Wiederaufnahme der Kämpfe jederzeit möglich ist. Andere Gruppen haben sich gespalten, so hält die Shan State Army South am Widerstand fest, während die Shan State Army North sich derzeit an den Waffenstillstand hält.

Das Goldene Dreieck – Myanmar als Drogenproduzent

Opium

Opium

Das Gildene Dreieck zählt zu den größten
Opiumanbaugebieten der Welt.
Foto: Wikimedia

Die Grenzregion zwischen Myanmar, Thailand und Laos wird als Goldenes Dreieck bezeichnet und war lange Zeit das wichtigste Herkunftsgebiet für Opium, inzwischen ist dies Afghanistan. Nach dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges zogen sich Teile der unterlegenen Nationalchinesischen Armee in diese unzugängliche Region zurück und forcierten als erste den Drogenanbau als wichtigste Einnahmequelle. Die massiv gestiegene Nachfrage nach Heroin zur Zeit des Vietnamkrieges ließ dieses Geschäft florieren. Teilweise war auch die CIA in den Drogenschmuggel involviert, die so ihre Unterstützung für einheimische, antikommunistische Guerillakämpfer in Vietnam und Laos finanzierte. Inzwischen finanzieren sich viele Rebellengruppen über den Drogenhandel, wobei die Produktion synthetischer Drogen in unzähligen Dschungellabors den Opiumanbau teilweise ersetzt hat.

Militär

Militär

Das Militär unterdrückt jeden Ansatz von Demokratie in Myanmar.
Foto: Wikimedia

Wie auch in anderen Ländern – so etwa Kolumbien – ist der Übergang von politisch-ethnischen Organisationen zur Organisierten Kriminalität fließend. Die United Wa States Army (UWSA), deren Ursprünge direkt auf Nationalchinesische Einheiten zurückgehen, wird von der US Regierung als größter Drogenproduzent Südostasiens bezeichnet, Thailand beschuldigt die UWSA, in großem Stil Methylamphetamine – besser bekannt als Aufputschdroge Chrystal Meth – herzustellen. Die UWSA hält sich derzeit noch an ein Waffenstillstandsabkommen mit der Regierung und bekämpfte in der Vergangenheit gemeinsam mit der Armee Shan Gruppierungen. Erneute Kämpfe auch mit der Armee können aber jederzeit wieder aufflackern; in jüngster Zeit kommt es zu Unstimmigkeiten, da die UWSA sich weigerte, ihre Kämpfer dem Armeeoberkommando zu unterstellen. So könnte es in Zukunft zu einer Allianz zwischen UWSA und der Shan State Army South kommen, die sich noch vor kurzem erbittert bekämpften.

Die Drogen werden nicht nur exportiert, auch in Burma selbst ist der Drogenkonsum stark angestiegen. Neben der weit verbreiteten Prostitution ist dies eine der Hauptursachen für die rasende Ausbreitung von AIDS; Myanmar hat mit Abstand die höchste Wachstumsrate Asiens in diesem Bereich.

Keine Demokratie für Myanmar

Aung

Aung

Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi steht in
Myanmar fast durchgehens unter Hausarrest.
Foto: KET / Wikimedia

Mehrmals hat die Militärregierung bewiesen, dass sie bereit ist, ihre Macht mit aller Härte zu verteidigen. Am 8. August 1988 kam es im ganzen Land zu Massenprotesten  gegen die Militärdiktatur – diese werden als „8888 Uprising“ bezeichnet -, am 19. August wurde erstmals seit 1962 wieder ein Zivilist Staatspräsident. Bereits einen Monat später stürzte das Militär den Präsidenten, rief das Kriegsrecht aus und ließ die Demonstrationen mit Gewalt auflösen, was mehrere tausend Tote zur Folge hatte. Die Anführerin der Proteste, die spätere Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, wurde verhaftet und unter Hausarrest gestellt. 1990 hielt die Militärjunta Wahlen ab, die wider Erwarten zu einem Erdrutschsieg der oppositionellen „National League for Democracy“ (NLD) führten. Das Ergebnis wurde annulliert, Aung San Suu Kyi erneut unter Hausarrest gestellt. Eine weitere Protestwelle wurde 2007 ebenso mit brutaler Gewalt unterdrückt.

Isoliertes Myanmar?

Von westlichen Staaten wird Myanmar einerseits gemieden, andererseits schottet die Regierung das Land systematisch gegenüber Einflüssen von außen ab. 2005 haben die Militärs die Hauptstadt des Landes von Rangun in das nur rund 100.000 Einwohner zählende  Pyinmana verlegt, das in sehr unzugänglichem Gebiet liegt. Dahinter wird in erster Linie Angst vermutet – vor Aufständen im eigenen Land ebenso wie vor einer ausländischen Invasion. nach  Selbst bei größeren Naturkatastrophen wurde ausländische Hilfe gar nicht oder nur sehr beschränkt ins Land gelassen. Die Beziehungen zu den Nachbarländern Thailand und Laos sind gespannt. Unterstützung erhält das Regime vor allem aus China, das in Burma seine größte Militärbasis im Ausland unterhält. China ist auch am Ausbau der Infrastruktur maßgeblich beteiligt, da so für Peking der Weg zum Indischen Ozean eröffnet wird. Auch Indien und Russland unterhalten traditionell gute Beziehungen.

Reiches, armes Burma

Myanmar Schule

Myanmar Schule

Auch das einst fortschrittliche BIldungssystem liegt im Argen.
Foto: worak / Wikimedia

Burma ist ein rohstoffreiches Land und war einst als Kornkammer Südostasiens bekannt. Das Land verfügt über reiche Erdgasvorkommen, dazu kommen seltene Hölzer, Kupfer, Edelsteine und Jade. Den größten Teil des Staatshaushaltes verschlingt aber der Sicherheitsapparat, und auf der Liste der korruptesten Staaten weltweit liegt Myanmar an zweiter Stelle. Die Schattenwirtschaft, insbesondere im Drogensektor und der Prostitution, blüht. Das Bildungswesen, bis nach dem zweiten Weltkrieg eines der fortschrittlichsten der Region, liegt darnieder, ebenso die Gesundheitsvorsorge, was sich angesichts grassierender Epidemien und zunehmender Drogensucht fatal auswirkt. Weite Teile der Bevölkerung sind chronisch unterernährt. Myanmar ist trotz seiner Schätze ein armes, zerrissenes Land. Dennoch sitzt die Militärregierung weiterhin fest im Sattel. Solange sich dies nicht ändert, scheint keine Verbesserung in Sicht.

Unzensuriert-Serie über "Failed States"

Unzensuriert.at stellt wöchentlich einen gescheiterten Staat vor. Bisher veröffentlicht:

Somalia – Nummer eins unter den gescheiterten Staaten
Guinea – Mit dem Sozialismus in die Armut
Sudan – Abspaltung vom islamistischen Araber-Regime
Liberia und Sierra Leone – Heimat der Blutdiamanten
Kongo Das Herz der Finsternis
Simbabwe Staatsbankrott droht binnen Jahresfrist
Pakistan Atommacht vor dem Kollaps
Afhganistan Das gescheiterte Protektorat
Der Irak – Zweistromland in Flammen

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