Ein wichtiges Instrument der Europäischen Union zur Gestaltung der Beziehungen zu angrenzenden Regionen wie dem südlichen Mittelmeerraum oder dem Kaukasus ist die „Europäische Nachbarschaftspolitik“. Nicht miteinbezogen sind hingegen die Balkanstaaten, die nach Brüssel eine Beitrittsperspektive haben, weshalb die Länder dieses Teils Europas bereits an der Ernsthaftigkeit der Brüsseler Versprechen Zweifel anmelden. Dabei wäre es für Frieden und Sicherheit in Europa essentiell, wenn die Europäische Union Zeit und Ressourcen investierte. Schließlich gibt es auf dem Balkan immer noch eine ganze Reihe ungelöster Konflikte, die jederzeit wieder aufbrechen könnten.
Kommentar von Andreas Mölzer, Mitglied des Europäischen Parlaments
Nicht gerade als Lehrbeispiel politischer Weitsichtigkeit erweist sich der Umstand, dass ausgerechnet Russland nicht in die Europäische Nachbarschaftspolitik eingebunden ist. Schließlich ist Russland nicht nur für die Energieversorgung Europas von herausragender Bedeutung, sondern auch ein unverzichtbarer strategischer Partner, wenn sich Brüssel außen- und sicherheitspolitisch von den USA emanzipieren will. Aber anstatt die Beziehungen zu Moskau zu vertiefen, hat die Europäische Union in den letzten Jahren mit einer Reihe bilateraler Abkommen mit ehemaligen Sowjetrepubliken den Eindruck erweckt, dass es um die Herauslösungen von Staaten aus der russischen Einflusssphäre geht. Und die Förderung von neuen Rohrleitungen wie „Nabucco“, mit der unter Umgehung Russlands Erdgas vom Kaspischen Meer nach Europa gepumpt werden soll, ist alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme. Mit „Nabucco“ wird zwar – wie von der Brüsseler Zentrale gewünscht – die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland verringert, aber gleichzeitig eine zum Transitland Türkei aufgebaut, was für die Osmanen-Lobby ein zusätzliches Argument für die „Notwendigkeit“ eines türkischen EU-Beitrittes ist.
Was nun die Europäische Nachbarschaftspolitik betrifft, ist für einige EU-Mitgliedstaaten dieses Instrument untrennbar mit den nächsten Erweiterungsrunden verbunden. Und die Möglichkeit dazu besteht. Im Rahmen zu schaffender Freihandelszonen müssen Partnerländer wie etwa die nordafrikanischen Mittelmeeranrainerstaaten ihren Rechtsbestand an jenen der europäischen angleichen, und zusätzlich werden Hoffnungen geweckt, die nicht enttäuscht werden wollen. Aber zu einer Art von Beitrittsvorbereitungs-Automatismus darf die Europäische Nachbarschaftspolitik nicht missbraucht werden.
Andreas Mölzer schreibt regelmäßig in der Wochenzeitung "Zur Zeit".
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