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1. August 2010 / 10:12 Uhr

Litauen – Europäische Zukunft nach wechselvoller Vergangenheit

Litauen - FahneDie drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland bilden eine Ausnahme unter den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, da sie historisch, kulturell und wirtschaftlich Mittel- und Nordeuropa wesentlich näher stehen als die anderen europäischen Nachfolgestaaten, die osteuropäisch geprägt sind. Dazu waren diese drei Staaten bereits in der Zeit zwischen den Weltkriegen unabhängige Republiken. Heute sind sie die einzigen Nachfolgerepubliken, die der EU und der NATO angehören. Litauen blickt zudem auf eine lange eigene Geschichte zurück und zählte im Verbund mit Polen zu den europäischen Großmächten der frühen Neuzeit.

Von der europäischen Großmacht zur russischen Provinz

Der ersten Zusammenschlüsse litauischer Stämme fanden im frühen 13. Jahrhundert statt und führten 1253 zur Krönung Mindaugas I. zum litauischen König durch den Papst. Dieses Königtum währte aber nur kurz. Erst nachdem die Litauer. den von Westen und Norden vordringenden Deutschen Orden abgewehrt hatten, konnte sich Anfang des 14. Jahrhunderts das Großfürstentum Litauen etablieren. Sehr schnell entwickelte sich Litauen zu einer Großmacht in Osteuropa; der Mongolensturm und der Zusammenbruch der Kiewer Rus hatten ein Machtvakuum hinterlassen, sodass die Litauer ihr Reich bis zum Schwarzen Meer ausdehnen konnten. Der Sieg über die Deutschordensritter 1410 in der Schlacht bei Tanneberg markiert den Höhepunkt dieser Epoche.

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Ab 1385 war Litauen mit Polen in Personalunion, ab 1569 in Realunion verbunden, woraus die Adelsrepublik Polen-Litauen entstand. 1795 kam Litauen im Zuge der dritten Polnischen Teilung zu Russland.

Unabhängigkeit und Sowjetzeit

Litauen - Denkmal für die ermordeten und gefolterten WaldbrüderNoch während des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen unter deutscher Patronage die Unabhängigkeit wieder und wurde im Februar 1918 zur Republik. Die alte Hauptstadt Vilnius musste aber an das ebenfalls wieder entstandene Polen abgetreten werden. 1923 annektierte Litauen das deutsche Memelland gegen den Willen der dortigen Bevölkerung; 1926 wurde Antanas Smetona nach einem Militärputsch Staatspräsident und regierte das Land bis zum Sommer 1940 autoritär.

In einer Ergänzung zum Hitler-Stalin-Pakt im September 1939 wurde Litauen der sowjetischen Einflusszone zugeschlagen; 1940 besetzte die Rote Armee Litauen. Die sofort einsetzenden „Säuberungen“ dauerten bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Juni 1941 an. Nachdem die Rote Armee 1944 das Baltikum wieder erobert hatte, bildeten sich die „Waldbrüder“ – Untergrundverbände, die den Kampf gegen die Sowjetunion bis in die 1950er Jahre fortsetzten. Das Bild zeigt das Denkmal in Vilnius, das an die ermordeten und gefolterten Mitglieder dieser Organisation erinnert.

Der Weg bis zur EU Mitgliedschaft

Litauen - Demonstration für Unabhängigkeit von der UdSSR 1990

Demonstration für die Unabhängigkeit Litauens im Jänner 1990 anlässlcih eines Besuchs des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michaeil Gorbatschow.

Bereits 1987 gründete sich die Unabhängigkeitsbewegung „Sajudis“, welche die ersten freien Wahlen Anfang 1990 deutlich für sich entscheiden konnte. Am 11. März 1990 erklärte sich Litauen unabhängig. Litauen - Erster Präsident Vyautas LandesbergisNach wiederholten Interventionsversuchen der bereits stark geschwächten Sowjetmacht und dem Einsatz von Militär und Polizei gegen die Litauer, musste die UdSSR am 6. September 1991 schließlich die Unabhängigkeit Litauens anerkennen, erster Präsident war Vyautas Landsbergis (Bild links).

Die litauische Außenpolitik verfolgte von 1991 an zwei vorrangige Ziele: den Beitritt zur NATO und zur EU. In der Westbindung Litauens sehen alle nennenswerten Kräfte des Landes die wirksamste Garantie für die Unabhängigkeit des jungen Staates. 2004 trat Litauen zunächst der NATO und kurz danach der EU bei. Seit 2007 ist Litauen Mitglied des Schengener Raums; die Einführung des Euro ist für 2014 geplant.

Der langsame Weg zur wirtschaftlichen Konsolidierung

Die Zeit nach der Unabhängigkeit brachte zuerst einen drastischen Produktionsrückgang und hohe Inflationsraten, bedingt durch den Wegfall traditioneller Absatzmärkte und die Umstellung von Plan- auf Marktwirtschaft. Erst langsam konnte sich die Wirtschaft stabilisieren und erlitt durch die Schwäche des Rubels 1998 einen erneuten Rückschlag, als Absatzmärkte in Russland und anderen GUS-Staaten wegbrachen. Deutschland ersetzte in der Folge Russland als wichtigsten Handelspartner. Erst ab 2001 setzte wieder ein signifikantes Wirtschaftswachstum ein, das bis heute anhält.

Besonders schädlich für die litauische Wirtschaft ist die Abwanderung junger, gut ausgebildeter Arbeitskräfte nach Westeuropa. Auch die weiterhin hohe Staatsverschuldung ist ein großes Problem für das Land. Obwohl der Lebensstandard noch längere Zeit unter dem EU-Durchschnitt liegen wird, so ist die Entwicklung der Wirtschaft des Landes bei allen Problemen als positiv anzusehen.

Tourismus als Zukunftsfaktor?

Ein möglicher neuer Wirtschaftsfaktor könnte durch eine Belebung des Tourismus liegen, denn Litauen hat viel zu bieten: Durch seine Lage und seine wechselvolle Geschichte ist die litauische Kultur von verschiedensten Einflüssen geprägt. In den küstennahen Gebieten sind viele deutsche, schwedische und dänische Elemente in der Architektur sichtbar, Litauen gehörte zum Einflussgebiet der Hanse. Im Landesinneren erkennt man hingegen den polnischen und russischen Einfluss.

Litauen - Sonnenuntergang über der Ostsee

Sonnenuntergang über der Ostsee.

Auch die Landschaft ist sehr reizvoll und in vielen Teilen des Landes völlig unberührt. Neben den Ostseestränden und der Kurischen Nehrung – einem Landstreifen der vom Memelland bis nach Ostpreußen führt – sind die unzähligen Seen und Flüsse erwähnenswert. Litauen - Haus des Schriftstellers Thomas Mann auf der Krischen NehrungDort steht auch das Haus, in dem einst der berühmte Dichter Thomas Mann wohnte (Bild rechts).

Europäische Zukunft

2009 war Vilnius gemeinsam mit Linz Kulturhauptstadt Europas; gleichzeitig feierte es die Tausendjahrfeier der ersten schriftlichen Erwähnung in den Deutschen Quendlingburger Annalen. Seit jeher war Litauen ein Vermittler zwischen West- und Osteuropa, wobei es sich selbst heute mehr als je zuvor kulturell und wirtschaftlich zu Westeuropa zugehörig fühlt. Mehr als so manche Staaten Südosteuropas ist Litauen Teil des aufgeklärten und humanistisch geprägten Europas.

20 Jahre nach dem Kommunismus

Unzensuriert.at beleuchtet jedes Wochenende ein Land, das bis vor 20 Jahren unter kommunistischer Herrschaft stand. Bisher veröffentlicht:

Armenien – Der älteste christliche Staat

Aserbaidschan – Das schwarze Gold von Baku

Georgien – Stalins unbotmäßige Söhne

Tadschikistan – Das Armenhaus Zentralasiens

Kirgisistan – Jurten im Himmelgebirge

Weißrussland – Europas Stiefkind

Usbekistan – Das stolze Erbe Tamerlans

Turkmenistan – Das Reich des "Turkmenbashi"

Die Ukraine – zerrissenes Land zwischen Ost und West

Kasachstan: Von Stalins Völkerkerker zum begehrten Handelspartner

20 Jahre danach: Russland am Scheideweg

Fotos: Sean Hayfors O Leary / Rimantas Lazdynas / Alma Pater / Matasg / Thomas Pusch

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