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VfGH-Präsident Gerhart Holzinger, hier mit Vizepräsidentin Brigitte Bierlein, leitet die öffentliche Verhandlung.

20. Juni 2016 / 16:00 Uhr

Wahlanfechtung vor dem VfGH: Verstöße in mehreren Bezirken bestätigt

Im Verfassungsgerichtshof auf der Freyung in Wien wird seit Montag, 8.30 Uhr, die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl verhandelt. Unter dem Vorsitz von VfGH-Präsident Gerhart Holzinger befragen die Richter bis Donnerstag insgesamt 93 Zeugen aus 21 Stimmbezirken.

Innsbruck-Land: 15.000 Briefwahlstimmen betroffen

Den Anfang machen Einvernahmen von Wahlbehörden-Mitgliedern aus dem Bezirk Innsbruck-Land. Dort besteht der Verdacht, dass die insgesamt rund 15.000 Wahlkarten von Mitarbeitern der Bezirkhauptmannschaft (BH) ohne Anwesenheit der Parteienvertreter ausgezählt wurden.

Dieser Verdacht wurde in den ersten Befragungen sowohl vom freiheitlichen Beisitzer als auch vom Wahlleiter, dem stellvertretenden Bezirkshauptmann von Innsbruck-Land bestätigt. Es gebe einen Beschluss der Wahlkommission aus dem Jahr 2013, die Auszählung von Mitarbeitern den BH durchführen zu lassen. Ein Protokoll über diesen – mutmaßlich gesetzeswidrigen – Beschluss gebe es jedoch nicht.

Briefwahlkarten schon am Sonntag geöffnet

Der Wahlleiter bestätigte nicht nur den Umstand, dass praktisch den ganzen Montag über ohne die Wahlbeisitzer ausgezählt wurde, sondern bekannte überdies ein, dass die Briefwahlkuverts bereits am Sonntag geöffnet und die Stimmkuverts entnommen worden seien. Dies rechtfertigte er mit der hohen Zahl an Wahlkarten. Warum offenbar kein gesteigerter Wert auf die Anwesenheit der Beisitzer gelegt wurde, ist gerade vor diesem Hintegrund rätselhaft.

Die gesamte Wahlkommission trat nämlich erst am Montag um 16 Uhr – zu diesem Termin wurden die Mitglieder geladen – zusammen und bestätigte das Ergebnis. Das Protokoll wurde von den bisher einvernommenen Beisitzern unterschrieben, ohne vorher gelesen zu werden. Man habe auf die Korrektheit der Behörde vertraut

Südoststeiermark: Bereits am Sonntag ausgezählt

Noch gravierender dürften die Verstöße sein, die in den Vernehmungen von Mitgliedern der Wahlkommission im Bezirk Südoststeiermark zu Tage traten. Unzensuriert.at hat darüber als erstes Medium ausführlich berichtet. Die freiheitliche Beisitzerin bestätigte den Inhalt ihres Gedächtnisprotokolls, wonach sie erst für Montag, 15 Uhr, zu einer Sitzung eingeladen war. Dennoch sei sie um 10.30 Uhr mit ihrem FPÖ-Kollegen dort erschienen, um an der Auszählung teilzunehmen. Ein Beamter der Bezirkshauptmannschaft habe ihr jedoch erklärt, dass es ausreiche, wenn sie um 15 Uhr erscheine. Sie habe zudem den Eindruck gehabt, dass die Auszählung bereits abgeschlossen sei.

Dies bestätigte der um Ausflüchte nicht verlegene Bezirkshauptmann. Die Auszählung sei bereits in den Abendstunden des Sonntags durchgeführt worden, Beisitzer der Parteien waren dabei nicht anwesend. Um Mitternacht habe man bereits ein Ergebnis gehabt. Hauptverantwortlich für den Vorgang war offenbar ein Beamter namens A., der kurzfristig für die erkrankte Wahlleiterin einsprang.

Weiter ging es mit der Befragung der Zeugen aus Villach. Schon im Vorfeld hat das Innenministerium die Kärntner Stadt bei der Staatsanwaltschaft (WKStA) angezeigt, weil die Wahlkarten womöglich zu früh ausgezählt worden sind. In der heutigen Verhandlung wurde dieser Vorwurf bereits von der ersten Zeugin, der freiheitlichen Beisitzerin, bestätigt. Zudem sei sie zur Auszählung um 9 Uhr nicht geladen worden, sondern nur für 16.30 Uhr am Montag. In dieser Sitzung seien auch keine Wahlkarten geprüft oder Stimmen ausgezählt worden.

Wie kam der Aktenvermerk zustande?

Die Zeugin habe verlangt, dass die gesetzeswidrige Auszählung im Protokoll festgehalten werde. Der Wahlleiter soll dies jedoch verweigert haben. Einen Aktenvermerk, wonach sie beim Auszählen dabei gewesen sei, bezeichnet die Zeugin als "eine Frechheit". Auch zwei weitere Zeugen berichteten über das fragwürde Auszählungsprozedere. Laut dem ÖVP-Beisitzer gab es keine Möglichkeit, die Wahlkarten zu überprüfen. Er bestätigte auch, dass die Beisitzerin der Grünen das zeitliche Auszählungsprozedere thematisiert und dem Bürgermeister mitgeteilt habe, dass das nicht in Ordnung sei, wie da ausgezählt wurde. 

Der Bürgermeister der Stadt Villach und zugleich Wahlleiter, Günther Albel (SPÖ), konnte nicht befragt werden. Er urlaubt dem Vernehmen nach in Frankreich und ließ sich entschuldigen.

Auch in Kitzbühel: Kaum Beisitzer bei der Auszählung

Wie in den ersten drei Bezirken fand auch in Kitzbühel die Wahlkarten-Auszählung praktisch ohne Beisitzer statt, immerhin jedoch zum gesetzlich vorgesehenen Termin am Montag um 9 Uhr. Nur ein ÖVP-Mann war vertreten. Kein Wunder: Die Einladung zur Sitzung der Wahlbehörde lautete auf 17.30 Uhr. Er habe jedoch am Sonntagabend ausdrücklich für 9 Uhr eingeladen, rechtfertigte sich der Bezirkshauptmann. Der Beamte bestätigte eine "Vorsortierung" der Wahlkarten vor Montag, 9 Uhr. Die wegen Formalfehlern aussortierten Wahlkarten seien bereits am Sonntagabend zur Ansicht aufgelegen. Daran kann sich wiederum der ÖVP-Beisitzer nicht erinnern.

Das freiheitliche Mitglied der Wahlkommission konnte aus gesundheitlichen Grünen der Ladung nicht Folge leisten, dennoch bleiben auch hier Zweifel an der gesetzmäßigen Auszählung im Raum. Auch in Kitzbühel wurde auf "Zeitnot" verwiesen und dennoch auf die Mitarbeit der Beisitzer weitgehend verzichtet.

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