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26. September 2012 / 09:00 Uhr

Express-Lehre: Fachkräftemangel treibt bei Politikern seltsame Blüten

Beinahe jeder dritte Wiener Handwerks- und Gewerbebetrieb ist auf der Suche nach Mitarbeitern. Eine aussichtslose Suche, wie sich herausstellt. Denn einer Studie zufolge gibt es zu wenig qualifizierte Fachkräfte am Arbeitsmarkt. Diese Situation hat Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) jetzt zum Anlass für einen ungewöhnlichen Vorschlag genommen: Er fordert einen Lehrabschluss für Maturanten nach nur einem intensiven Praxisjahr, sozusagen eine Express-Lehre. Gewerkschafter laufen dagegen Sturm.

Jugendarbeitslosigkeit auf der einen, Lehrlingsmangel auf der anderen Seite. Wie passt das zusammen? Die Politik muss in den vergangenen Jahren drastische Fehler und fatale Fehleinschätzungen gemacht haben, sodass diese Situation entstehen konnte. Bis dato kam noch hinzu, dass sowohl Wirtschaft als auch der SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer sich darauf konzentrierten, Nachwuchskräfte im Ausland zu rekrutieren. Und dadurch die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich noch weiter in die Höhe zu treiben. Dass Leitl jetzt offenbar umdenkt und, statt nach Arbeitswilligen im Ausland zu schielen, andere Ausbildungsmöglichkeiten für die heimische Jugend aufs Tapet bringt, ist zumindest ein positiver Ansatz und diskussionswürdig. Der Wirtschaftskammerpräsident glaubt zudem, dass Universitäten entlastet würden, wenn man praktisch veranlagte Maturanten einen alternativen Ausbildungsgang zum Studium anbiete.

70.000 junge Menschen fit für eine Lehre machen

Leitls Vorstoß bleibt nicht ohne Kritik. Der Lehrlingsexperte Egon Blum etwa lehnt den Vorschlag ab. Dies sei ein Ausdruck der Panik und Ratlosigkeit der Politik gegenüber dem Fachkräftemangel. Es sei unvorstellbar, dass ein AHS-Maturant in einem Jahr eine technische Lehre absolvieren solle, für die man üblicherweise vier Jahre lang brauche. Die Lösung des Facharbeitermangels liege vielmehr darin, jene 70.000 jungen Menschen in Österreich, die als nicht ausbildungsfähig gelten, fit für eine Lehre zu machen. Der ÖGB-Landesvorsitzende in Vorarlberg, Norbert Loacker, bezeichnet Leitls Vorschlag als „Schnapsidee“ und unverantwortlich. Die Anforderungen würden ständig steigen, daher sei die Lehre in High-Tech-Berufen ja auch von dreineinhalb auf vier Jahre verlängert worden, so Loacker.

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