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29. September 2012 / 07:18 Uhr

Frieden an Kolumbiens interner Front?

Besteht eine realistische Aussicht auf ein absehbares Ende des gewaltträchtigen Konflikts mit den marxistischen Rebellen der „Revolutionären Streitkräfte von Kolumbien“ (FARC)? Die Menschen des Andenstaates schwanken zwischen der Sehnsucht nach Befriedung ihrer Heimat und berechtigter Skepsis. Gebannt richten sie ihre Aufmerksamkeit  auf die am 5. Oktober in Oslo beginnenden Friedensverhandlungen zwischen der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und den FARC-Aufständischen. Die Regierungen von Norwegen und Kuba fungieren als Schirmherren, unterstützt von Chile und Venezuela.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Dem vorausgegangen waren Sondierungsgespräche während der vergangenen sechs Monate in Kubas Hauptstadt Havanna, wo auch die in Oslo anlaufenden Gespräche fortgesetzt werden sollen. Der für das moderne Kolumbien verantwortlich zeichnende Expräsident César Gaviria bringt seine auf internationalem Parkett erworbene Erfahrung als versierter Vermittler ein. Im Anschluss an sein Mandat (1990 – 1994) diente Gaviria zehn Jahre der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) in Washington als deren Generalsekretär. Nachdem während 20 Jahren diverse auf Friedenstiftung ausgerichtete Initiativen dreier Regierungen zum Scheitern verurteilt waren, eröffnet die jüngste Entwicklung nun Amtsinhaber Santos die Chance, einen herausragenden Platz in der Historie Kolumbiens für sich zu beanspruchen. Über ein halbes Jahrhundert  schwelt ein Konflikt, unter dem besonders die Landbevölkerung zu leiden hat. Schätzungen zufolge sind diesem latenten Bürgerkrieg etwa 200.000 Kolumbianer zum Opfer gefallen.

Rebellen verloren Rückhalt in der Bevölkerung

Eine gänzlich veränderte Lage lässt indes einen erfolgversprechenderen Verlauf der  Gespräche erwarten.  Mit dem entschlossenen Vorgehen des Militärs während der in eine zweite Amtsperiode gewählten konservativen Regierung unter Präsident Alvaro Uribe (2002 – 2010) gerieten die Rebellen zunehmend in die Defensive. Anfänglicher Rückhalt der benachteiligten Schichten im Land schwindet zusehends. Aber auch FARC-Sympathisanten in Europa und den USA entzogen der Guerilla nach und nach ihre solidarische Unterstützung. Der globalen Informationsgesellschaft blieben die massiven Verletzungen fundamentaler  Menschenrechte nicht verborgen. So wurden Heranwachsende unter der Landbevölkerung für die FARC-Streitkräfte zwangsrekrutiert. Nicht länger konnte das Image einer unter prekären Bedingungen dahinvegetierenden und gegen ihre Unterdrücker aufbegehrenden Guerilla in der Öffentlichkeit aufrechterhalten werden, nachdem diese von der Verstrickung der FARC-Comandantes in Drogen- und Waffenhandel, sowie Geiselnahmen erfuhr, für die fortan der Begriff Entführungsindustrie steht. Es drängt sich die Frage geradezu auf, ob die FARC-Anführer willens sind, derartig lukrativen Einnahmen zu entsagen.

Neuer FARC-Kommandant schlägt sanftere Töne an

Nachdem Ende 2011 der FARC-Anführer Alfonso Cano im Rahmen einer Militäroffensive getötet wurde, übernahm mit Timoleón Jiménez – Kampfname Timochenko – ein bemerkenswerter Mann das Ruder des Secretariado genannten Führungkaders der Berufsrevolutionäre. Bereits kurz nach Übernahme der Kampftruppe ließ dieser die Öffentlichkeit aufhorchen mit seiner in ungekannt moderater Diktion abgefassten Bereitschaft zum Dialog. War es nun die Besorgnis über die bedrohlich verminderte Anzahl von Kämpfern (Schätzungen zufolge von ca. 15.000 auf unter 10.000) für die durchaus nachvollziehbar postulierte Verbesserung der Lebensumstände der benachteiligten Bevölkerungsmehrheit? Oder aber die Einsicht, dass sich die politischen Koordinaten hinter Kolumbiens Kordilleren grundlegend verändert haben? Über seine wahrhaftigen Beweggründe spekuliert man in Kolumbien, seit Timochenko an der Spitze von Lateinamerikas bedeutendster und ältester Guerilla-Organisation steht. Der Forderungskatalog seiner Agenda sieht die Rückgabe von Land, die Verbesserung der Lebensbedingungen der Landbevölkerung, sowie die Festschreibung politischer Teilhabe vor. Davon verspricht er sich und seinen Kombattanten, der krassen sozialen Unausgewogenheit ein in greifbare Nähe gerücktes Ende zu bereiten.

Verhandlungspartner Santos ließ vorsichtigen Optimismus erkennen, verwies allerdings unmissverständlich auf die seinen Militärs erteilte Order, auch während der Verhandlungen die Kampfhandlungen gegen die Rebellen unvermindert fortzuführen. Für ihn ist nunmehr tabula rasa angesagt, um seinem Land endlich den Weg zum lang ersehnten inneren Frieden zu bereiten. So erging aus Bogotás Präsidentensitz Palacio Narino  parallel eine Einladung an die pro-kubanisch ausgerichtete zweitstärkste Guerilla-Formation ELN (Nationales Befreiungsheer), ihrerseits die Waffen niederzulegen und sich an der angeschobenen Initiative gleichsam zu beteiligen.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig. Für Unzensuriert.at schrieb er außerdem:

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