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9. Oktober 2012 / 10:47 Uhr

Salafistischer “Österreicher” will Rächer und Eroberer sein

„Blutige Rache“ am „Tag der Abrechnung“: Die Bundesrepublik Deutschland bleibt im Visier des Salafismus, der sich jahrelang nahezu unbehelligt von den Behörden entwickeln konnte. Als Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die salafistische Organisation „Milatu Ibrahim“ (MI) im Juni des Jahres verbot, hatten sich bereits etliche Zentren in der Bundesrepublik etabliert. Mit Verbot und Verfolgung will sich die Führungsebene aber genauso wenig abfinden wie mit ihrem Exil in Ägypten. Aus dem Staat, in dem der politische Arm der Muslimbruderschaft regiert und die extremen Ränder beflügelt, meldete sich MI nun wortgewaltig zurück.

Ein Schreiben auf Deutsch, das jüngst in islamistischen Internetforen kursierte, zeigt, dass MI wieder aktiv geworden ist und verlorenen Boden gut machen will. Sie betrachtet die Bundesrepublik ganz selbstverständlich als ihr politisches Revier. Mit viel Pathos beschwor der Gründer, eine der Integrationsfiguren der Salafisten-Szene, der „Österreicher“ Mohamed Mahmoud (alias Abu Usama al Gharib), Rache für das Verbot. Ein „Tag der Abrechnung“ stehe Deutschland bevor. Der Extremist, dem sein österreichischer Pass das Reisen wenig kapriziös gestaltet und Sozialhilfe garantiert, gilt als besonders militant. Mahmoud forderte insbesondere Vergeltung für die „Beleidigung des Propheten“ durch den Film „Innocence of Muslims“, der in der islamischen und arabischen Welt für Proteste gesorgt hatte.

Intakte Strukturen in mehreren deutschen Städten

Er werde als „Eroberer“ in die Bundesrepublik zurückkehren, ließ Mahmoud seine Anhänger wissen. Die Strukturen sollen bald wieder reaktiviert werden, der Salafismus erneut auf Propaganda-Tournee gehen. Stichwort „Strukturen“: In Bonn, Solingen, Berlin und im hessischen Erbach gelang der Szene eine Verankerung. Die ehemalige Bundeshauptstadt ist bereits seit rund einem Jahrzehnt eine Salafisten-Hochburg. In dem Netzwerk aus Hinterhofmoscheen und „Kulturzentren“ rekrutierte und schulte MI ihre Mitglieder, zudem produzierte die straff geführte Organisation unzählige Propagandafilme. Ihre Internetseiten „salafmedia.de“ und „milatuibrahim.com“ entwickelten sich zu islamistischen Top-Portalen, die mit einem professionellen Auftritt aufwarten konnten. Sie dürften hunderte Muslime radikalisiert haben.

Die Internet-Propaganda ging Hand in Hand mit jener auf der Straße: Mediale Beachtung fand vor allem die so genannte bundesweite Koranverteilung, die Salafisten um Ibrahim Abou-Nagie organisierten. Das Medieninteresse ebbte jedoch bald ab. Die Frage, wie die Szene, die laut Verfassungsschutz nur 4.000 Anhänger umfassen soll, die erforderlichen Finanzmittel für mehrere zehntausend Koranübersetzungen aufbringen konnte, stellte man in den etablierten Medien damals nicht. Das Thema ist heikel: Eine intensive und vor allem rückhaltlose Beschäftigung mit dem bundesdeutschen Salafismus könnte Fragen nach der Zuwanderungspraxis und der Vergabe der Staatsangehörigkeit ebenso aufwerfen wie Verbindungen der Radikalen zu sich seriös gebenden Vertretern der Muslim-Lobby (die als „Gesprächspartner“ firmieren), offenbaren.

Sozialhilfe und Staatsbürgerschaft als Basis der Agitation

In Zeiten, in den der „Islam zu Deutschland gehört“ (erst Wulff, dann Merkel), sind andere Themen opportun. Den „Österreicher“ Mahmoud und den „Deutschen“ Abou-Nagie verbinden nicht nur die radikale Ideologie, sondern auch der Lebensstil: Beide lebten jahrelang von der Sozialhilfe ihrer Staaten. Sie fiel entsprechend hoch aus, denn die Familienväter kassierten mehrere tausend Euro für ihren Nachwuchs. Abou-Nagie wohnte in einem Einfamilienhaus, fuhr Mercedes-Benz, Mahmoud leistete sich eine rege Reisetätigkeit, ohne einen Tag regulär gearbeitet zu haben.

Die Bewertung der jüngsten Aktivitäten von MI durch Innenministerien und Verfassungsschutz folgt offenbar keiner klaren Linie. Zunächst hieß es, Verbot und Verfolgung von MI seien ein voller Erfolg gewesen. Die Szene sei stark geschwächt, gerade die Ausreise vieler Salafisten nach Ägypten sei dafür Bestätigung. Die Terrorgefahr sei trotz zahlreicher MI-Aktivitäten nur noch „abstrakt“. Zuletzt musste jedoch der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, einräumen, dass MI ein deutschsprachiges „Medienzentrum“ in Ägypten aufbaue, und seine Anhänger in Deutschland gezielt mobilisiere. Ihre deutschen Pässe und die Sozialleistungen des Staates ermöglichen ihnen ein sicheres Leben als salafistische Aktivisten. Der Staat bekämpft einen Extremismus, dem er selbst eine ökonomische und rechtliche Basis geschaffen hat. Der Islam, insbesondere der Salafismus, scheint tatsächlich Teil Deutschlands zu sein.

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