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11. Oktober 2012 / 12:59 Uhr

Mit Tsipras durch Athen: Linken-Chef bei Anti-Deutschland-Demo

Linkes Stelldichein unter Hakenkreuzen: Der Parteichef der bundesdeutschen Linkspartei, Bernd Riexinger, hat die teilweise anti-deutschen Proteste gegen den Besuch und die Euro-Politik Angela Merkels vor Ort unterstützt. Merkel traf am Dienstag den griechischen Präsidenten Samaras in Athen. Hintergrund: Der finanziell und wirtschaftlich angeschlagene EU-Staat ist erneut klamm, die Etat-Lücken klaffen (wie stets) größer als angenommen, die Reformanstrengungen versanden bzw. kommen nur schleppend voran. Athen ruft um Hilfe: Die Fristen sollen ausgedehnt werden, man braucht ständig neues Geld.

Riexingers überraschender Auftritt, eine seltsame Mischung aus Mediencoup und „Solidaritätsakt“, hat das wohl erwartete Echo ausgelöst. Der Linke steht in der Kritik. Vertreter der CDU-FDP-Koalition warfen dem Parteichef, der die Spitze mit Katja Kipping teilt und dem linken Parteiflügel entstammt, vor, „Politik gegen die Interessen des eigenen Landes“ zu machen (Gerda Hasselfeldt, CSU) bzw. zur „weiteren Verzerrung des Deutschlandbildes beizutragen“ (FDP-Generalsekretär Patrick Döhring).

Linksextreme unter Hakenkreuzen

Stichwort „Deutschlandbild“: Was die Demonstranten vom Netto-Zahler-Staat halten, ging unverblümt aus Plakaten und Spruchbändern hervor, auf denen nicht nur die obligatorischen Hakenkreuze prangten, sondern zahlreiche grobe Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg zu sehen waren. Selbstgebastelte „SS-Uniformen“, graugrüne Stahlhelme verliehenen den Massendemonstrationen einen grotesken Anstrich. Das griechische Demo-Kabarett hatte jedoch auch eine militante Note: Mehr als 700 Polizisten mussten die Hauptstadt absichern. Sie waren bitter nötig: Am Rande der Demonstrationen kam es zu schweren Ausschreitungen, hunderte Demonstranten, überwiegend aus dem linksradikalen bis anarchistischen Spektrum gingen auf Polizei und Sicherheitskräfte los, demolierten Geschäfte, fackelten Autos ab. Das von ihnen erzeugte Chaos im Zentrum Athens lag unter einem dichten Tränengasschleier.

Der deutsche Abgesandte linkslinker Politik bekam davon wenig mit, Bernd Riexinger und Alexis Tsipras (Parteienbündnis „Syriza“) zogen gut gelaunt an der Spitze des Protestes durch Athen. Riexingers Demo-Partner ist Senkrechtstarter: Dem erst 37-jährigen cleveren Jungpolitiker gelang es nicht nur, ein Bündnis von über zehn Politsekten (z.B. die maoistische „Kommunistische Organisation Griechenlands“, „Internationale Werktätige Linke“) zu schmieden, sondern auch, es zum Wahlerfolg zu führen. „Syriza“ errang im Juni ca. 27 % und bildet mit 71 Sitzen die zweistärkste Fraktion. Der Parade-Linke kann auf ein Leben zurückblicken, das von Gremiensitzungen linker Polit-Organisationen geprägt war. Der Sohn einer wohlhabenden Familie trat bereits in den Neunzigerjahren der kommunistischen Jugend bei. Das Parteiprogramm listet linke Anachronismen auf: Verstaatlichungen, Masseneinstellungen in den öffentlichen Dienst, eine großzügige Einwanderungspolitik. Es richtet sich insbesondere an privilegierte Staatsbedienstete und Mitarbeiter maroder Staatsbetriebe.

Monokausaler Erklärungsversuch: „Banken und Spekulanten“

Riexinger war also Gast bei Freunden. „Er vertrete die Interessen der deutschen Steuerzahlers“, ließ er sich gegenüber den Medien ein. Eine eigenwillige Erklärung seines Auftritts. Die Linkspartei will, dass die EU unlimitiert und geräuschlos für Athen zahlt. Politisches Optimum ist aus ihrer Sicht ein völliger Schuldenerlass. Ihre Schuldzuweisung an „Banken und Spekulanten“ ist so stark monokausal fixiert, dass sie jede längst überfällige Reform als „sozialen Kahlschlag“ verdammt. Mit ihren Kardinalproblemen will man die Genossen in Athen nicht konfrontieren. Griechenland soll auch in Zukunft seinen durch die EU finanzierten De-facto-Sozialismus weiter ausleben können. Dabei müsste ein verantwortungsbewusster Politiker Klartext reden, statt sich am sozialromantischen Polit-Klamauk zu beteiligen. Themen gibt es reichlich: Grassierende Korruption, Verschwendung von Steuergeldern durch Wahlgeschenke, gedankenlose Verschuldung, Steuerhinterziehung und die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit lukrativen Staats-Jobs. Er müsste Vorschläge im Gepäck haben, wie man die enorme strukturelle Rückständigkeit von Wirtschaft und Verwaltung mittelfristig aufholen kann.

Linke “Solidarität“ bedeutet jedoch einmal mehr: Zahlen und Wegschauen. Ein erster Schritt in Richtung Sanierung und Aufschwung kann nur mit dem schmerzhaften Eingeständnis beginnen, dass die Krise – nicht nur, aber in starkem Maße – hausgemacht ist. Zudem müsste das Land, in dem Milliarden an Steuergeldern der EU-Staaten verbrannt werden, ohne wirklich stabilisieren zu können, aus dem Euro ausscheiden, seine Währung abwerten und wieder wettbewerbsfähig werden. Die Griechenland-Krise zeigt, dass es fatal war, stark divergierende europäische Volkswirtschaften, die sich durch den Grad ihrer Industrialisierung, ihre Haushaltspolitik und die Mentalitäten ihrer Völker unterscheiden, in eine starre Währungsklammer gezwungen zu haben. Die nun folgende Transfer- und Schuldenunion setzt diese Politik weiter fort: Sie ist weder ökonomisch sinnvoll, noch politisch zu verantworten, weil ihr die Legitimation und die Akzeptanz bei den Bürgern und Steuerzahlern fehlt.

Pleite-Griechen in der stärkeren Position

Demo-Profi Tsipras hat längst erkannt, dass Griechenland von Angela Merkel und dem gesamten EU-Establishment um jeden Preis in der kriselnden Währungsgemeinschaft gehalten werden soll. Damit, so sein bestechendes Kalkül, sind seine Pleite-Griechen, und nicht die Zahler in der stärkeren Position. Diese soll wenn es nach ihm geht, stetig ausgebaut werden, Geld fließt schon jetzt regelmäßig. Der plakative Theaterdonner schriller Anti-Deutschland-Proteste soll diese Zusammenhänge überdecken und übertönen. Ein Statist wie Riexinger, der für die politische Staffage taugt, kommt daher wie gerufen.

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