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22. Dezember 2012 / 15:45 Uhr

ÖVP-Spekulationsdebakel um Niederösterreichs Wohnbaugeld

Der Salzburger Finanzskandal ist in aller Munde. 340 Millionen Euro sind vermutlich verloren, weitere hohe Summen können nicht exakt lokalisiert werden. Wesentlich weniger Medieninteresse wurde seit jeher den Spekulationsaffären im ÖVP-dominierten Niederösterreich zuteil. Dabei sind die Ausmaße dort noch wesentlich größer. Einerseits geht es um die Landesbank Hypo Niederösterreich, die unlängst Ziel Justiz-Razzien war. Hier fordern die Freiheitlichen unter Landesrätin Barbara Rosenkranz volle Aufklärung durch einen Untersuchungsausschuss. Und auch bei den Wohnbau-Spekulationen liegt noch einiges im Dunklen. Rosenkranz klärt im Unzensuriert-Interview über die Dimension des Skandals auf.

Wie sieht es mit den Wohnbaugeldern tatsächlich aus? Man gewinnt den Eindruck, kaum jemand kennt sich da noch aus. Landeshauptmannstellvertreter Sobotka von der ÖVP bestreitet Verluste und spricht ständig von einem „Niederösterreich-Sparbuch“ das angelegt wurde. Was hat es damit auf sich?
Barbara Rosenkranz: Die Bezeichnung der ÖVP-Veranlagungen als „Sparbuch“ ist falsch und irreführend. Auf ein Sparbuch legt man Geld, das man hat, um es für die Zukunft zu sichern. Hier aber verhält es sich völlig umgekehrt: Es wurde auf zukünftige Einnahmen vorgegriffen, die nun zum großen Teil weg sind.

ÖVP setzte auf fabelhafte Geldvermehrung

Wann hat das angefangen?
Barbara Rosenkranz: Vor elf Jahren hat die ÖVP im Jahr 2001 im niederösterreichischen Landtag ein wahrhaftes Fabelmodell der Geldvermehrung vorgestellt. Sie sprach von einem historischen Finanzschritt, den es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben habe. Naja, wie wahr… Leider ein echtes Beispiel von Großmannssucht und Selbstüberschätzung. Um an „Spielgeld“ zu kommen, verhökerte die ÖVP-Regierung ihr Recht an zukünftigen Einnahmen aus Wohnbaudarlehen. Der Wert: rund 8 Milliarden Euro, die über den Zeitraum von 20 Jahren zuverlässig eingelaufen wären.  Um das Geld auf einen Schlag auf den Tisch zu bekommen, musste man sich mit einem „abgezinsten“ Betrag von gerade einmal 4,4 Milliarden Euro begnügen. Das heißt, der solide Ursprungswert von rund 8 Milliarden wurde beinahe auf die Hälfte zusammengeschrumpft.

Und dieses Geld wurde schließlich in unterschiedliche – und darunter auch sehr riskante – Wertpapiere angelegt, um den ursprünglichen Wert zu erreichen, oder?
Barbara Rosenkranz: Genau! Aus diesen Veranlagungen erhoffe sich die ÖVP dann einen riesigen Gewinn – natürlich weit über den Ursprungswert hinaus. Um aber den hohen, „abgezinsten“ Startverlust ausgleichen zu können, hätte eine jährliche Rendite von mindestens 4,6 Prozent herausspringen müssen. Daher lautete damals auch das offiziell ausgegebene Rendite-Ziel: Es müssen weit mehr als 4,6 Prozent sein! Doch der Traum der selbsternannten Geldmacher der ÖVP ist wie eine Seifenblase zerplatzt.

Kein Sieg, sondern eine klare Niederlage nach 0:5-Rückstand

Die ÖVP behauptet aber dennoch, man habe knapp 2 Prozent Gewinn gemacht. Der Erfolg sei einfach etwas geringer ausgefallen. Im Landtag erklärte der ÖVP-Klubobmann, man hätte einen 5:0 Erfolg erwartet, heraus kam eben nur ein 3:0. Sieg ist Sieg, oder?
Barbara Rosenkranz: Nein, das Gegenteil ist wahr! Es handelt sich um eine Niederlage. Das offizielle Rendite-Ziel von 5 Prozent war kein „Wunsch-Ziel“, sondern ein klares „Muss-Ziel“: Durch die Abzinsung lag man nämlich bereits vor Spielbeginn mit 0:5 im Rückstand. Bloß 3 Tore geschossen zu haben, heißt da schlicht Niederlage.

Laut Rechnungshof fehlt rund eine Milliarde Euro auf das von Ihnen erwähnte „Muss-Ziel“, andere behaupten es sei sogar weit mehr.
Barbara Rosenkranz: Tatsache ist: Heute sind nur noch 3,2 Milliarden Euro übrig. Zur Erinnerung: der Ursprungswert lag bei rund 8 Milliarden. Der Schaden ist immens, egal nach welcher Methode und zu welchem Zeitpunkt man ihn genau berechnet. Auch wenn die ÖVP die Aufklärung behindert: Die FPÖ fordert weiter volle Aufklärung und Schluss mit dem Spekulieren mit Steuergeld!

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