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17. Jänner 2013 / 09:53 Uhr

“Normalsterbliche” können sich Gerichtsverfahren kaum noch leisten

Werden in Zukunft nur noch Reiche ihr Recht bei Gericht durchsetzen können? “Recht hat, wer Geld hat”, sagt jetzt der Jurist Bernd Schilcher. Ein Normalsterblicher könne sich ein Gerichtsverfahren kaum noch leisten. Schon eine langwierige Scheidung könnte für Angehörige der Mittelschicht der Absturz in die Armut bedeuten.

Schilcher war Vorstand des Instituts für Bürgerliches Recht an der Universität Graz. Er ist nicht der einzige Jurist, der die angebliche Zweiklassenjustiz in Österreich anprangert. Auch der prominente Wiener Strafverteidiger Werner Tomanek sagt, dass im Strafprozess Reiche, die verdächtigt oder beschuldigt werden, im Vorteil seien. Reiche hätten schon im Ermittlungsverfahren größere Chancen, das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden, so Tomanek. Der Rechtsanwalt führt in seinem Buch “Die Zwei-Klassen-Justiz” aus, in welchem Stadium Geld tatsächlich eine Rolle im Strafverfahren spielt: Wenn man einen fachkundigen Rechtsanwalt – mit Spezialgebiet – engagieren könne, statt auf die Verfahrenshilfe angewiesen zu sein. Wenn man sich Eingaben bei Gericht leisten könne, ohne auf die Kosten zu achten. Es sei vor Gericht ähnlich wie im Gesundheitsbereich. Reiche könnten sich die besseren Ärzte und die kostspieligeren Behandlungen leisten, andere nur die Grundversorgung, so Tomanek. Nur Verdächtige mit einer gut “gefüllten Kriegskasse”, wie Tomanek es nennt, könnten mehrjährige Ermittlungsverfahren durchstehen.

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Tatsächlich kassiert der österreichische Staat im Vergleich zu anderen europäischen Staaten das Fünffache an Gebühren von Rechtsuchenden. Mit den Gebühren für Zeugen, Sachverständige, Dolmetscher und Beisitzer, den Honoraren für Anwälte und den Kosten für Rechtsberatung und Beweissicherung käme “immer häufiger ein hübsches Sümmchen zusammen, das sich ein Normalsterblicher kaum mehr leisten kann”, wird Schilcher in der Vorarlberger Tageszeitung zitiert.

Rechtschutzversicherung keine Hilfe

Schon eine langwierige Scheidung, bei der es ums Haus geht, Erbschaftsprozesse oder dauernde Reibereien mit Nachbarn könnten für Angehörige der Mittelschicht den Absturz in die Armut bedeuten, beobachtet Schilcher. Rechtschutzversicherungen seien da keine Hilfe, zumal sie Kunden einfach kündigen würden, sobald eine Kostenlawine drohe. Schilcher bedauert, dass sich auch im Strafverfahren die meisten Beschuldigten, die später Anspruch auf Verfahrenshilfe haben, im Ermittlungsverfahren vor der Polizei keinen Anwalt leisten könnten. “Die Verfahrenshilfe zahlt einen Rechtsanwalt erst ab der Hauptverhandlung. Das ist besonders unsinnig, weil gerade im Vorverfahren vieles nachhaltig verhaut wird”, so Schilcher wörtlich.

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