Demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich

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18. Jänner 2013 / 10:54 Uhr

Ein Bärendienst an der direkten Demokratie

Frau Rohrer brachte es in der Sendung “Im Zentrum” vom 13.1. auf den Punkt, als sie das Verhalten von SPÖ und ÖVP (in vornehmer Zurückhaltung?) als “Spiel mit gezinkten Karten” bezeichnete. Leider erzeugt dieses Spiel keine Win-Win-Situation, sondern einen dreifachen Verlust.

Gastkommentar von Robert Müller

Der erste Verlust besteht darin, dass die zu erwartende bescheidene Teilnahme am Votum von den Regierungsparteien darauf als Argument verwendet werden kann (und wohl wird), dass direkte Demokratie (in Österreich) nicht funktioniert. Angesichts zweier Fragen, deren Schwammigkeit der legistischen Umsetzung letztlich jeden Spielraum lässt, nicht verwunderlich. Auf die Idee (da es ja um eine Befragung, nicht um eine Abstimmung) geht, MEHRERE Fragen zu stellen, etwa extra zum Sozial-/Zivildienst (auch für Frauen) und zum (echten) Wehrdienst, zur Dauer der Ausbildung, zum schweizer Modell (Miliz und Waffen zu Hause) usw., ist man nicht gekommen, ebenso wenig wie auf die Idee, die Volksbefragung mit der Nationalratswahl zu koppeln. Das hätte ja die Teilnahmequote (unerwünscht) erhöht und zudem einige Millionen Euro an Kosten (für den schon laufenden Vorwahlkampf und die administrative Abwicklung) gespart. Glaubt denn irgendwer, dass diese Regierung nach mehr als 4 Jahren Uneinigkeit in wenigen Monaten diese Materie angesichts der Begutachtungs- und sonstiger Fristen noch in dieser Legislaturperiode verabschieden kann?

Unglaubwürdige Argumentation der beiden Regierungsparteien

Der zweite Verlust betrifft die Handlungsfähigkeit der Regierung als solche und die Glaubwürdigkeit der beiden Regierungsparteien:

Da ist die SPÖ, die die mangelhafte Ausbildung und Professionalität des Heeres bekrittelt, jene Partei – Kreisky schau runter! – welche aus (rein) wahltaktischen linkspopulistischen Gründen die Ausbildungszeit sukzessive reduziert und das Heer finanziell und ideologisch ausgehungert hat, die sich als selbstgefällige “Fairness-, Gerechtigkeits- und Quotenpartei” nicht gegen die Unsitte der “Dienstuntauglichkeiten” (von Funktionären, Weltklassesportlern und  Frauen generell) wandte, sondern der Wehrsdienstverweigerung mit dem “Zivildienst” Tür und Tor öffneten. Jetzt zu beklagen, dass man nicht genügend Rekruten und “Profis” hätte, ist ein Treppenwitz der Geschichte!

Da ist die ÖVP als Befürworterin der Fortführung “eines bewährten Systems”. Wie sich das System “bewährt” hat, hat der Autor in eigener Wahrnehmung in seiner Ausbildung (bis hin zum Wachtmeister der Reserve) während der Tschechien-Krise unmittelbar, während der Jugoslawien-Krise mittelbar erlebt. Das Wort katastrophal ist noch eine Beschönigung. Katastropheneinsätze machen hier – man denke an Galtür und die nicht vorhandenen Hubschrauber – entgegen anderslautenden Darstellungen keine Ausnahme, Die Idee, die karge Ausbildungszeit nun durch diverse Kurse – es fehlen nur noch Mal-, Volkstanz- und Rhetorik-Kurse – “aufwerten” zu wollen, vor allem aber die bewusste Verquickung mit dem Zivildienst zeigt einmal mehr,  dass es (auch) diesen Leuten nicht um eine adäquate WEHRERTÜCHTIGUNG geht, sondern um billige Systemerhalter im militärischen und zivilen Bereich. Haben sie vergessen, dass sie einmal für eine “Gewissensprüfung” waren, für “Waffenbesitzverbote” und Berufsbeschränkungen (z.B. Polizei) für Wehrdienstverweigerer. Ihre heutigen Beteuerungen zur Neutralität dürften angesichts ihrer früheren Position zur NATO denselben Wahrheitsgehalt haben wie die Versprechungen zu den Segnungen, die uns durch den EU-Beitritt erwachsen würden.

Wen und was gilt es eigentlich zu verteidigen?

Der dritte Verlust betrifft die “umfassende Landesverteidigung” als Gegenstand unseres demokratischen und staatlichen Selbstverständnisses als solche. Wen und was gilt es eigentlich zu verteidigen? Da ist immer die Rede von neuen Anforderungen wie z.B. der einer Teilnahme an “friedenserhaltenden” Auslandseinsätzen. Ist es wirklich so, wie der deutsche “Verteidigungs”-Minister sagte, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan Deutschlands Grenze verteidigen? Ist es wirklich so, dass laut dem amtierenden deutschen Staatspräsidenten Gauck es seit 60 Jahren in Europa keinen Krieg mehr gab? Gehörte Jugoslawien in den neunziger Jahren nicht zu Europa? Ist es wirklich Aufgabe der Österreicher, die (Unrechts-)Grenze am Golan für die Israelis zu sichern und dort durch deren (gezieltes?) Bombardement Offiziere zu Tode kommen zu lassen? Ist es wirklich so, dass wir Frankreich als EU-Mitgliedsstaat bei seinen militärischen (von der UNO nicht abgesegneten) Abenteuern in seinen ehemaligen Kolonien “beistehen” müssen? Dürfen “demokratisch gewählte” Regierungen, wie im EU-Vertrag vorgesehen, bei “Aufruhr” unter der Bevölkerung wirklich militärische Mittel (bis hin zu standrechtlichen Tötungen?) einsetzen – übrigens genau das, was man der syrischen Regierung gerade vorwirft? Dafür braucht man natürlich eine (möglicherweise nicht mehr an die österreichische Staatsbürgerschaft gebundene) Söldnertruppe, die (mit Steuergeldern) gut bezahlt die Mächtigen an der Macht hält – mit allen Mitteln. Die Entwaffnung der Bevölkerung durch Waffenbesitzverbote gehört natürlich auch dazu. Dass diese sich (wie eben in Syrien) vielleicht gegen die staatliche Willkür zur Wehr setzen könnten, ist den Mächtigen (und von diesen instrumentalisierten oder bezahlten “Plattformen”) natürlich ein Gräuel.

Jetzt fragt man uns, weil es angeblich um “verfassungsrechtliche” Fragen geht. Gehören die Verkleinerung des Nationalrats (die anders als andere “Budget-Sparmaßnahmen” natürlich nicht stattfindet) oder die Verlängerung der Legislaturperiode (von 4 auf 5 – warum nicht gleich 10 – Jahre oder vielleicht wie bei den Lords gleich auf Lebenszeit) nicht zu den “verfassungsrelevanten” Fragen? Wer hat uns dazu befragt, geschweige darüber abstimmen lassen? Kurz: Diese Befragung ist eine erbärmliche Farce, bei der man immer der Verlierer ist – egal ob man nicht hingeht oder wie immer man antwortet.

Dr. Robert Müller war Professor an einer AHS und Hochbegabtenschule sowie Lektor an der Universität Wien und ist als Lehr- und Fachbuchautor tätig. Seine militärischen Erfahrungen erwarb er als Einjährig-Freiwilliger 1967-68 (samt “Ernstfall” in der Tschechienkrise).

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