Mit Tschechien schlittert ein weiteres Mitgliedsland der Europäischen Union in eine innenpolitische Krise. Mit einem “Verfassungsputsch” beendete der linksgerichtete Staatspräsident Milos Zeman die durch einen Korruptionsskandal und den Rücktritt von Ministerpräsident Petr Necas ausgelöste Regierungskrise. Zeman bestellte ohne Einbindung des Parlaments seinen Wirtschaftsberater Jiri Rusnok zum neuen Regierungschef.
Im Parlament gibt es jedoch weiterhin eine regierungsfähige Mehrheit aus der konservativen ODS, der liberalen TOP 09 und der Splittergruppe LIDEM. Diese wollte eigentlich mit der bisherigen Parlamentspräsidentin Miroslava Nemcova eine ODS-Politikerin zur neuen Ministerpräsidentin bestellen.
Zeman brüskiert Regierungs- und Oppositionsparteien
Mit seiner Entscheidung, durch Rusnok einen eigenen Vertrauten als Regierungschef zu bestellen, brüskierte Zeman nicht nur die bisherige bürgerliche Koalitionsregierung, sondern auch seine ehemaligen Parteifreunde aus der sozialdemokratischen CSSD. Die Sozialdemokraten waren nicht bereit, ohne Neuwahlen eine alternative Regierungsmehrheit jenseits der ODS zu bilden. Zeman beruft sich bei seinen Handlungen auf das ihm gegebene “Direktmandat” durch seine Wahl als Staatspräsident. Die tschechische Verfassung hat für eine Vorgehensweise, wie sie Zeman gewählt hat, keine wirkliche Lösung parat.
Selbst wenn das Parlament Zemans Kandidaten Rusnok ablehnt, könnte dieser bis auf weiteres regieren – und das sogar bis zum Ende der regulären Legislaturperiode. Die Verfassung sieht keine Fristen vor, bis Zeman einen neuen Kandidaten als Regierungschef präsentieren muss. Nur wenn sich das Parlament mit Drei-Fünftel-Mehrheit auflöst, könnte Zemans Treiben ein Ende bereitet werden. Dies könnte jedoch wiederum an jenen Abgeordneten scheitern, die die gesamte Periode wegen ihrer Pensionsansprüche ausdienen wollen.
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