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21. Oktober 2013 / 00:00 Uhr

Das Reich der Mitte: Innovation mit Österreich

Als Delegationsleiter von Politik– und Wirtschaftsvertretern habe ich dieses Jahr das erste Mal China besucht und war wirklich positiv überrascht. Wobei ich eine Einschränkung machen muss: Ich habe nicht China gesehen, sondern drei Regionen, die weltbekannt und pulsierende Wirtschaftszentren sind. Elf Tage sind zu wenig, um dieses große Land kennen zu lernen. Doch das, was ich gesehen habe war überwältigend

Von Martin Graf

Ich habe nicht gedacht, dass es gelingt, derart hochrangige politische Vertreter zu treffen, die uns mit ihren Schilderungen über die rasante Entwicklung ihres Landes ins Staunen brachten. Und die auch klar ihre Bemühungen darlegten, das Land weiter öffnen zu wollen. Die offene Herangehensweise an die Probleme Chinas, die die Delegation nicht gesehen hat, etwa die Schwächen im System oder die Regionen mit Entwicklungsland-Niveau, die es in China auch gibt, hat mich deshalb überrascht, weil einer Delegation bei einem “Staatsbesuch” in der Regel nur die schönen Seiten vermittelt werden. Bei unserem Besuch aber wurde mit Augenmaß sehr relativierend dargestellt, wie China wirklich ist und nicht, wie es sich in der Welt repräsentiert. Das war eine sehr spannende Erfahrung, weil eigentlich nichts ausgelassen wurde.  

Deutsche Entwicklungen am chinesischen Markt

Nichtsdestotrotz ist man beeindruckt von den in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren sichtbar gewordenen Entwicklungen. Es sind monumentale Entwicklungen mit großen infrastrukturellen Investitionen, die in Europa wahrscheinlich gar nicht bewerkstelligt werden können. Mit der Magnetbahn (eine deutsche Entwicklung), dem Trans-Rapid-Zug zwischen Flughafen und der Stadt in Shanghai, die meiner Meinung nach einzigartig ist, haben die Chinesen gezeigt, wozu sie imstande sind. Sehr beeindruckend war auch, egal ob mir ein Politiker, Wirtschaftsmagnat oder Generaldirektor einer Bank gegenüber saß, dass alle sehr kultur- und traditionsbewusst  sind und daraus offensichtlich sehr viel Kraft schöpfen.

Wir haben bei unserem Besuch aber auch erfahren, dass die Politik in China ein wichtiger Türöffner für die österreichische Wirtschaft ist. Diese Türöffner-Funktion sollte in der veröffentlichten Meinung in Österreich viel mehr respektiert werden. Die Österreicher sind in China sehr beliebt, Österreich wird ebenso als Kulturnation wahrgenommen – und daher haben wir einen Startvorteil in den Beziehungen zu China. Die Politik als Türöffner und das Ansehen unseres Landes durch die Kulturtradition schaffen die Möglichkeit, auch andere Stärken wie Technologie-Know-how nach China zu exportieren. Dies sollte von der Politik strategisch angegangen werden.

China ist ein derartiger Gigant aufgrund der Ausdehnung des Landes und aufgrund der 1,3 Milliarden Menschen, dass wahrscheinlich alle Branchen in Österreich eine Chance haben, dort zu reüssieren. Man hat das Gefühl, dass Tourismus, Industrie-Know-how, Hightech, IT bis hin zu Bergbau, Landwirtschaft, Umweltschutz und New Energy in China Abnehmer ohne Ende finden. 

Beeindruckend präsentierten sich auch die Universitäten, vor allem was die infrastrukturellen Gegebenheiten betrifft. Außerdem war das Bemühen, das Niveau in Europa zu erreichen oder es sogar noch zu überflügeln, bei allen Gesprächen deutlich spürbar. Wir haben alle Möglichkeiten, dass wir mit den Universitäten in China zusammenarbeiten. 

Finanzierungsbereitschaft ist höher als in Österreich

Ich glaube, dass wir noch einen wissenschaftlichen und kreativen Vorteil gegenüber China haben, das eine stark lernende Nation ist. Da können wir uns gut einbringen, sei es in der Juristerei oder auch in technischen Angelegenheiten. China ist auch bereit, für Entwicklung und forschungsintensive Projekte Geld auszugeben, das bei uns nicht mehr da ist. Hier sollten Möglichkeiten genutzt werden, um mit chinesischen Hochschulen Partnerschaften einzugehen. China ist auf der Überholspur und fördert die eigenen Menschen im universitären Bereich sehr stark. Wer Voraussetzungen und Fähigkeiten für ein Studium mitbringt, wird vom Staat gefördert und muss keine Studiengebühr zahlen. Bei uns wird eher der Bedürftige als der Talentierte finanziell unterstützt. Man hat aber nicht den Eindruck, dass es in China dadurch zu wenig Studenten gibt, ganz im Gegenteil, die Zahlen belegen, dass es immer mehr junge Menschen auf den Universitäten gibt.

Dass andere Länder auch andere Sitten haben, war besonders bei den organisierten Essen merkbar. Anders als bei uns hat das Essen einen zeitlichen Rahmen von zwei Stunden. In dieser Zeit wird gegessen, aber es werden auch intensive Gespräche geführt. Spätestens nach einer halben Stunde wird von den üblichen verbindlichen Worten Abstand genommen und die Unterhaltung wird konkreter und fruchtbarer. Bei diesen Banketts erfüllten die Gastgeber nicht nur ihre Pflicht, freundlich zu sein, sondern zahlreiche Einladungen zu weiteren Treffen haben uns gezeigt, dass da auch eine Kür dabei war. Das macht uns auch stolz, denn wenn man nicht als interessanter Partner gesehen wird, trifft man sich nicht mehrmals.

Die nächste Reise nach China könnte schon bald folgen. Denn die Universität in Shanghai hat mich dieses Jahr zu einer Gastvorlesung eingeladen. Es wäre spannend und verlockend, sich mit den Studenten auseinanderzusetzen. Mal sehen, ob es sich zeitlich ausgeht. Im Übrigen sind wir von diversen Polit-Büros dezidiert zu Folgebesuchen eingeladen worden, mit der Bitte, mit einer vorbereiteten Agenda vertiefende Gespräche zu führen. In absehbarer Zeit rechne ich aber auch mit einem Gegenbesuch aus China. Darauf aufbauend will ich meinen Beitrag leisten, dass die Beziehungen zwischen Österreich und China eine noch bessere Qualität erreichen.

Martin Graf ist Dritter Nationalratspräsident und Obmann des parlamentarischen Wissenschaftsausschusses.

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